Letztlich eine wenig überraschende Wende im Leipziger Rockerkrieg. Die Hells Angels geben ihr lokales Charter auf. Am Samstag hatten zwei Mitglieder des Clubs in der Eisenbahnstraße auf Angehörige der verfeindeten Streetgang "United Tribuns" (UT) mehrere Schüsse abgegeben. Ein Tribun starb, zwei weitere wurden schwer verletzt. Racheakte soll es laut eines UT-Sprechers keine geben. Nun sichern sich die Angels gegen ein Verbot ab.

Laut einem Bericht der Bild-Zeitung haben sich die Hells Angels als Konsequenz aus den tödlichen Schüssen aufgelöst, die Schilder am Vereinssitz abgebaut und die Räume geleert. Der Schritt erscheint naheliegend. Am Montag, 27. Juni, hatte die Polizei eine umfangreiche Razzia im Clubhaus der “Höllenengel” in der Dessauer Straße durchgeführt und die Ermittlungen gegen den Verein dürften nach der Schießerei auf der Eisenbahnstraße damit längst nicht beendet sein.

Am gleichen Tag stellte sich mit Matze M. (33) der Präsident des Leipziger Charters in Begleitung eines Anwalts der Polizei. Die Beamten hatten zu diesem Zeitpunkt längst nach dem Rocker gefahndet, da er einer der beiden Schützen gewesen sein soll. Der mutmaßliche Todesschütze Stefan S. (30) wurde unmittelbar nach der Tat bereits vor Ort festgenommen, später fanden die Beamten jedoch eine zweite Waffe im Umfeld des Tatortes. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun gegen beide wegen Mordverdachts.

Rückzug eher unwahrscheinlich

Dass sich die Hells Angels, die die Auseinandersetzung im Revier der “United Tribuns” durch einen Besuch in der Eisenbahnstraße provoziert hatten, sich jetzt aus der Messestadt komplett zurückziehen werden, ist jedoch unwahrscheinlich. Fälle aus der Vergangenheit zeigen das Muster. Mit der Selbstauflösung greifen die Hells Angels nun erst einmal einem möglichen Vereinsverbot vor. Dies nimmt Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) die Möglichkeit, das Leipziger Charter von sich aus zu verbieten.

Somit versuchen die Rocker auch, das Vereinsvermögen zu sichern, welches bei einem Verbot eingezogen worden wäre. Insoweit liegt die Vermutung nahe, dass die öffentlich propagierte Selbstauflösung nur dem Schutz laufender Geschäfte dient.

Die Sicherheitsbehörden befürchten weiterhin eine Racheaktion der “United Tribuns”. Die Stadt Leipzig hat deshalb eine Allgemeinverfügung erlassen. Anhänger von Hells Angels, Red Devils und United Tribuns, die ihren Wohnsitz außerhalb Leipzigs haben, dürfen sich am kommenden Wochenende nicht im Stadtgebiet aufhalten. Diesen Maßnahmen versuchten die “United Tribuns” ihrerseits vorzubeugen, indem sie den Münchner Fritz L., Sprecher der UT Deutschland, auf Pressetour nach Leipzig schickten. Den Beteuerungen seitens L., Racheakte wären ausgeschlossen, möchte derzeit so recht niemand glauben.

Die Polizei hat eine Gefährdungsanalyse erstellt, wonach im gesamten Leipziger Stadtgebiet Vergeltungsmaßnahmen mit “extremer Gewalt” zu befürchten seien. Das Aufenthaltsverbot ist auf das Wochenende begrenzt, da die Hells Angels für den 2. Juli zu einer „Beach Party“ in ihr Clubheim eingeladen hatten. Auch eine Absage des Festes lässt es nach behördlicher Einschätzung wahrscheinlich erscheinen, dass Unterstützer der rivalisierenden Rockerclubs aus dem gesamten Bundesgebiet nach Leipzig kommen könnten.

Halbherzige Versuche in der Politik

Unterdessen hat sich auch Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung öffentlich geäußert. Gegenüber dem MDR deutete er eine Maßnahme an, welche einige Fragen nachhaltiger angehen könnte, so jedoch noch nie versucht wurde. So gab er bekannt, vorerst keine weiteren Spielotheken und Wettbüros in Leipzig zulassen zu wollen. Das übliche Netzwerk von Rockervereinen und Streetgangs ist jedoch meist größer. Und in früheren Fällen zeigte sich meist: wird ein Charter aufgelöst, tauchen die gleichen “Höllenengel” anschließend in den Kutten von anderen Chartern auf.

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