Fahren ohne Fahrerlaubnis zählt zu jener Sorte von Delikten, die für gewöhnlich nicht den Weg in die Gerichtsberichterstattung finden. Die Fälle sind meist zu beliebig, die Strafen gering. Doch wenn der Angeklagte 448 Mal ohne „Lappen“ auf Achse gewesen sein soll, ist das Verfahren alles andere als alltäglich. Ein Prozessbericht.

Oliver F. (60) bekam im Januar 2014 von seinem Leipziger Arbeitgeber einen Dienstwagen gestellt. Dabei besaß er schon zu dem Zeitpunkt keine gültige Fahrerlaubnis mehr. Der kaufmännische Angestellte führte auf seinen 448 Fahrten mit dem schwarzen Audi A5 zwar einen tschechischen Führerschein bei sich, den er 2008 erworben hatte. Doch in der Bundesrepublik war das Dokument für den Angeklagten wertlos.

Verschiedene Gerichte hatten den Verkehrssünder wegen einschlägiger Delikte mit Sperrfristen belegt. Dies hat zur Folge, dass sich Oliver F. auch mit einer gültigen ausländischen Fahrlizenz in Deutschland nicht hinters Steuer setzen durfte. „Ich besitze eine gültige Fahrerlaubnis, auch wenn es eine tschechische ist“, beteuerte der Angeklagte, dem Job und Dienstwagen zwischenzeitlich abhanden gekommen sind. Amtsrichter Marcus Pirk insistierte prompt: „Wie kommen Sie auf die Idee, dass Sie hier mit einem Stück Plastik aus Tschechien fahren dürfen?“ „Aber ich hab doch keine Sperrfrist“, erwiderte der Angeklagte mit patzigem Unterton.

Natürlich war Pirk im Recht. Der bestens vorbereitete Richter konfrontierte Oliver F. mit seinen neun Einträgen im Bundeszentralregister. Trunkenheit im Verkehr, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Körperverletzung, Diebstahl… Zuletzt verurteilte das Amtsgericht Goslar den Leipziger am 13. Mai 2013 wegen Fahrens ohne Führerschein. Auch damals verteidigte sich F. mit seinem tschechischen Führerschein – und bekam nicht Recht. Dennoch nutzte er das Dokument wider besseren Wissens weiter.

Dass er die 448 Fahrten zwischen Januar 2014 und Januar 2016, die er sorgsam in einem Fahrtenbuch dokumentiert hatte, nicht abstritt, wertete Pirk als Teilgeständnis. Folglich war an der Schuld des Angeklagten nichts zu rütteln. Beim Strafmaß folgte der Richter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, indem er den arbeitslosen Kaufmann zu 11 Monaten Haft auf Bewährung verurteilte. Weiterhin muss Oliver F. 1.000 Euro an ein gemeinnütziges Kinderhaus zahlen. Das Gericht verhängte darüber hinaus eine neue Sperrfrist. Die nächsten zwei Jahre darf F. kein Auto fahren. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

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