Mal wieder steht die Staatsanwaltschaft Leipzig in der Kritik. Am 13. Juli 2016 mussten die Ermittlungsbehörden den einstigen Chef der „Hells Angels“ Leipzig aus der Untersuchungshaft entlassen, da sich offenbar kein Tatvorwurf gegen ihn ergab, um ihn länger festzuhalten. Nun fahndet man öffentlich nach Marcus „Matze“ M. wegen der Schüsse, welche es beim Aufeinandertreffen von „Hells Angels“ und den „United Tribuns“ am 25. Juni 2016 gegen 15 Uhr gab. Der Vorwurf nach der Erschießung eines United-Tribuns-Mitgliedes an der Eisenbahnstraße, Ecke Neustädter Straße lautet nun „gemeinschaftlicher Mord“ – Marcus M. gilt wieder als tatverdächtig.

Es war ruhig geworden rings um die Ermittlungen vor allem gegen „Hells Angel“ Stefan S., der bislang als einziger mutmaßlicher Schütze im Fokus der Ermittlungsbehörden stand und sich seit dem 25. Juni 2016 bis heute in Haft befindet. Am 30. Juni 2016 war dann bekannt geworden, dass sich nach einer Razzia am 27. des gleichen Monats das Charter „Hells Angels Leipzig MC“ selbst aufgelöst hatte – mutmaßlich, um das Vereinsvermögen zu sichern und einer Auflösung durch Verbot zuvorzukommen.

Bereits im Zuge der ersten Ermittlungen zum Tatvorwurf des gemeinschaftlich begangenen Mordes an UT-Mitglied Veysel A. war nach Marcus M. gefahndet worden, bevor er sich am 27. Juni unter Begleitung seines Rechtsanwaltes selbst in der Polizeidirektion Leipzig stellte. Trotz seiner späteren Entlassung hatte die Staatsanwaltschaft Leipzig betont, auch weiterhin gegen den Presidenten der Leipziger „Höllenengel“ und weitere Tatverdächtige zu ermitteln. In einem Video, welches die Schüsse auf Veysel A. zeigt, war wochenlang im Netz zu sehen, wie sich der Schütze aus der Gruppe der „Hells Angels“ löst und ohne Vorwarnung schießt.

Nun „… wird der Beschuldigte Marcus M. unter dem dringenden Tatverdacht des gemeinschaftlichen Mordes gesucht“, so das Landeskriminalamt Sachsen. Welche genaueren Umstände oder neuen Erkenntnisse aktuell, Monate nach der Entlassung M.’ am 13. Juli 2016, die erneute Fahndung nach dem Tatverdächtigen rechtfertigen, ist noch offen. Bis heute sucht die Polizei nach Zeugen zur Schießerei und hatte dabei auch öffentlich zu Hinweisen aufgerufen. Mit der eingeleiteten Öffentlichkeitsfahndung bahnen sich erstmals neue Entwicklungen an.

+++ In der Fahndung des LKA Sachsen und der Staatsanwaltschaft Leipzig heißt es nun: „Gegen den Präsidenten des ehem. Hells Angels MC Leipzig Markus M., geb. XX.XX.XXXX in C., wurde ein europäischer Haftbefehl wegen des dringenden Tatverdachts des gemeinschaftlichen Mordes erlassen.

Wer kann Hinweise zum Aufenthaltsort des Beschuldigten Marcus M. geben? Hinweise nehmen das Landeskriminalamt Sachsen Regionalstelle Leipzig Schongauerstraße 13, 04328 Leipzig“ unter Telefon: +49 (0) 0800 855 2055 und per E-Mail unter lka@polizei.sachsen.de oder jede andere Polizeidienststelle entgegen.

Update 1: Für Hinweise bzw. für Informationen, die zur Ergreifung des Tatverdächtigen Marcus M. führen, hat das Landeskriminalamt Sachsen im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft eine Belohnung in Höhe von 10.000 € ausgesetzt.“+++

Weitere Auskünfte von der Staatsanwaltschaft Leipzig

Auf Nachfrage bei der Staatsanwaltschaft Leipzig äußerte sich heute Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz zu den veränderten Bedingungen zwischen der erstmaligen Verhaftung von Marcus M. und der nunmehr eingeleiteten Öffentlichkeitsfahnung. Auf die Fragen nach weiteren Zeugen und dem Verbleib der zweiten Waffe wurden Auskünfte mit Blick auf die laufenden Ermittlungen verweigert.

Die BILD – Zeitung spricht im Zusammenhang mit der nun eingeleiteten Öffentlichkeitsfahndung nach dem des Mordes Verdächtigen von einer „peinlichen Justizpanne“. Welche Gründe lagen für die Entlassung von Marcus M. vor?

„Die Aufhebung des Haftbefehls im Juli 2016 war keine „peinliche Justizpanne” sondern schlicht und ergreifend die Anwendung geltenden Rechts. Gemäß § 120 Abs. 1 S. 1 StPO ist ein Haftbefehl aufzuheben wenn die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen. Untersuchungshaft darf gegen einen Beschuldigten nur angeordnet werden, “wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht”, § 112 Abs. 1 S. 1 StPO.

Der dringende Tatverdacht setzt anstelle des sonst für die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ausreichenden Anfangsverdachts voraus, dass nach Aktenlage unter Berücksichtigung des aktuellen Ermittlungsstandes der Beschuldigte aufgrund bestimmter Tatsachen mit großer Wahrscheinlichkeit der Täter einer erheblichen Straftat ist.

Diese Voraussetzungen konnten zum damaligen Zeitpunkt durch die Staatsanwaltschaft mit den zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Ermittlungsergebnissen nicht weiter untersetzt werden, so dass mit Stand damals die Aufhebung des Haftbefehls geboten war. Diesen Antrag hat die Staatsanwaltschaft, welche unabhängig von der Person des Beschuldigten an Recht und Gesetz gebunden ist, im Juli 2016 gestellt und die Entlassung des Beschuldigten angeordnet, § 112 Abs. 3 StPO.“

Welche veränderten Umstände haben nun zur Fahndung nach Marcus M. geführt?

„Im Ergebnis der weiter durchgeführten Ermittlungen konnten nunmehr Erkenntnisse gewonnen werden, welche nach Auffassung der Staatsanwaltschaft den dringenden Tatverdacht begründen. Deshalb wurde ein neuer Haftbefehl beantragt und durch den Ermittlungsrichter erlassen. Zu Einzelheiten kann ich Ihnen im Hinblick auf die laufenden Ermittlungen keine Auskunft erteilen.

Nachdem der Haftbefehl nicht vollstreckt werden konnte, wurde durch die Staatsanwaltschaft ein gerichtlicher Beschluss zur Öffentlichkeitsfahndung erwirkt.“

Hinweis der Redaktion / Update 2: Der Fahndungsbeitrag wurde nachträglich abgeändert und nach der sehr wahrscheinlichen Verhaftung des Tatverdächtigen am 4. Januar 2017 presserechtlich angepasst. Der Nachname wurde demnach wieder anonymisiert, Fotos abgeändert, das Geburtsdatum gelöscht.

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