Zunächst sah es nach einer klaren Angelegenheit aus: Eine Anhängerin des 1. FC Lok soll im November 2015 einen Polizisten beleidigt und einem anderen ins Gesicht geschlagen haben. Lediglich die beiden Beamten waren als Zeugen geladen. Doch dann erhob die Angeklagte ihrerseits Vorwürfe gegen die Polizei: Es sei zu Provokationen, Bedrohungen und körperlichen Übergriffen gekommen. Nun will das Gericht sechs weitere Zeugen hören.

Es war ein Spieltag mit Brisanz: Während am 22. November 2015 der 1. FC Lok im Bruno-Plache-Stadion den SV Schott Jena zum Oberliga-Heimspiel empfing, trat gleichzeitig der BFC Dynamo zum Regionalliga-Duell bei der zweiten Mannschaft von RB Leipzig an. Die Polizei wollte verhindern, dass die Fans der ehemaligen DDR-Rivalen außerhalb der Stadien aufeinandertreffen und verbot den Lok-Anhängern deshalb zeitweise das Betreten des Hauptbahnhofs. Dort fand gegen 16 Uhr die Abreise der Berliner statt.

Nach Darstellung der Polizei hatten Lok-Fans dennoch versucht, in den Bahnhof zu gelangen. Die schon anwesenden Polizisten forderten daher die Unterstützung einer Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) an. Die Zeugen H. und O. gehörten dieser an jenem Tag an.

H. schilderte vor Gericht, dass sich die Angeklagte F. „in der ersten Reihe“ aufgehalten und die Beamten geschubst und beleidigt hätte. Dabei seien Sätze wie „Ihr habt hier nichts zu suchen“, „Verpisst euch“ und „Scheiß Bullen“ geäußert worden. Zudem hätte F. dem Kollegen O. ihren ausgestreckten Mittelfinger direkt vor das Gesicht halten. Die beiden BFE-Mitglieder entschlossen sich daraufhin, die Personalien der Angeklagten aufzunehmen. Diese hätte sich jedoch gewehrt, sei zu Boden gefallen und hätte H. gezielt ins Gesicht geschlagen.

Die Lok-Anhängerin, die mit ihren beiden minderjährigen Kindern erst beim Spiel und dann vorm Bahnhof war, stellte den Sachverhalt anders dar. Den „Stinkefinger“ wollte sie nicht ausschließen, einen gezielten Schlag hätte es aber nicht gegeben. Stattdessen seien zahlreiche Polizisten aggressiv aufgetreten, hätten andere Personen grundlos geschubst und Pfefferspray in eine Straßenbahn gesprüht.

Ihre damals 15-jährige Tochter hätte sich bei O. für dessen rabiaten Umgang mit Lok-Fans beschwert – daraufhin hätte er auch sie zu Boden geschubst. Zu der Angeklagten soll er anschließend gesagt haben: „Du kannst auch noch eine auf die Fresse bekommen.“ Den Vorwurf, H. bewusst ins Gesicht geschlagen zu haben, wies sie von sich. Im Gegenteil: Sie sei von Polizisten getreten und geschlagen worden. Bekannte hätten ihr hinterher erzählt, dass dabei auch ein Schlagstock zum Einsatz gekommen sein soll.

Richterin Gudrun Engelhardt möchte nun fünf Zeugen laden, die laut Verteidigung die Darstellung der Angeklagten bestätigen können. Zudem ist die Vernehmung eines weiteren Polizisten geplant. Dieser war laut F. am 22. November 2015 als Zivilbeamter im Einsatz. Einige Monate später hätte er auch die Beschuldigtenvernehmung durchgeführt und dabei selbst geäußert, dass sich die Beamten aggressiv verhalten hätten.

Die Verhandlung wird am 24. April fortgesetzt.

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