„Auf den sächsischen Straßen hat es im vergangenen Jahr deutlich weniger Verkehrstote gegeben. 162 Menschen kamen 2016 bei Verkehrsunfällen ums Leben. Ein Jahr zuvor waren es noch 192. Die Zahl der Unfälle insgesamt ist um ein Prozent auf 109.736 leicht gestiegen“, meldete das Sächsische Innenministerium (SMI) am 9. April. Aber was sagt das über sichere Straßen in Sachsen? Nichts, stellen Linke und Grüne fest.

Mehr Verkehrssicherheit im Straßenverkehr und eine signifikante Reduzierung der Zahl der schweren Unfälle – das sei eines der Ziele der CDU/SPD-Koalition laut gemeinsamen Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2014 gewesen. Lese man hingegen die aktuellen Antworten von Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf mehrere Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Meier (Grüne), ist noch einen Menge zu tun.

So hat sich die Zahl der schwer verletzten Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer von 3.784 Personen im Jahr 2013 leider auf über 4.000 jährlich erhöht. Gab es 2014 noch 4.064 Schwerverletzte in Sachsen, waren es 2015 immer noch 4.033 und 2016 sogar wieder 4.128. Auch die Zahl aller Unfälle mit Personenschäden hat nicht abgenommen. Lag diese 2013 noch bei 16.380 Unfällen, erhöhte sich diese auf 17.036 im Jahr 2014, 17.225 in 2015 und stieg im Jahr 2016 mittlerweile auf 17.462.

Glücklicherweise hat die Zahl der Getöteten abgenommen. Waren es 2013 noch 192, reduzierte sich die Zahl 2014 auf 184, stieg 2015 wieder auf 192, um 2016 auf 162 abzusinken. Die Landkreise mit den meisten Todesopfern in den letzten fünf Jahren waren der Landkreis Bautzen mit 104 Getöteten, gefolgt vom Landkreis Mittelsachsen mit 90 Toten und dem Erzgebirgskreis mit 87 Toten.

„Fast drei Viertel der Unfälle geschehen innerorts. Darum darf das Landesamt für Straßenbau und Verkehr (LASuV) nicht länger Anträge der Kommunen und Landkreise auf Geschwindigkeitsreduzierung zum Beispiel an Bundesstraßen so strikt ablehnen wie bisher“, fordert die Abgeordnete.

Linke fordert endlich wieder mehr Kontrollen

Und Enrico Stange, Innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion, fordert endlich wieder mehr Verkehrskontrollen durch die Polizei. Denn die wurden im Zuge des Personalabbaus drastisch zurückgefahren.

„Es ist überaus erfreulich, dass die Zahl der tödlich Verunglückten um 30 auf 162 Personen abgenommen hat. Dennoch besteht kein Anlass zur Entwarnung. Denn die Zahl der Verkehrsunfälle insgesamt hat wieder zugenommen, es sind 1.083 mehr geworden. Auch gab es mehr Unfälle mit Personenschäden, die Zahl stieg um 139 auf 13.643. Dabei sind neben den 162 Getöteten auch 17.300 Personen verletzt worden, 267 mehr als 2015“, greift Stange die Jubelmeldung des SMI auf. Und setzt dann mit Kritik nach: „Diese – abgesehen von der Zahl der Getöteten – steigenden Werte beruhen auch auf der Tatsache, dass die Kontrollzahlen der Polizei noch einmal auf ein Rekordtief abgesunken sind. Auch wenn sich die Zählweise etwas verändert hat und heute alle Anhaltekontrollen zu Geschwindigkeitskontrollen, Alkohol- und Drogenkontrollen sowie allgemeinen Verkehrskontrollen zusammengezählt werden, sind 2016 nur noch 458.883 Fahrzeuge angehalten und kontrolliert worden. Zehn Jahre zuvor wurden allein zu Geschwindigkeits- und Alkoholkontrollen in Sachsen 1.397.761 Fahrzeuge angehalten. Auch gibt es immer weniger Kontrollstunden zur Geschwindigkeitsüberwachung. 2006 wurden dafür noch 60.981 Stunden aufgewendet, 2016 waren es nur noch 23.664.“

Sein Fazit: „Die Verkehrssicherheitsarbeit der Polizei leidet akut unter dem Personalmangel bei der Polizei, den die CDU-geführten Staatsregierungen in Sachsen verursacht haben. Damit einher geht das Risiko, dass die Zahl der Unfälle und Verletzten steigt und die Sitten im Straßenverkehr verrohen. Auf der Prioritätenliste von Innenminister Ulbig steht die Verkehrssicherheitsarbeit offensichtlich weit unten, obwohl sich damit Leben retten lassen. Umsteuern ist angesagt!“

Kinder, Ältere und Radfahrer vermehrt betroffen

Es ist besorgniserregend, dass die Zahl der Verkehrsunfälle, bei denen Kinder unter 15 Jahren verletzt wurden, in den letzten Jahren zugenommen hat, geht Katja Meier auf einen besonderen Aspekt der Statistik ein. Waren 2013 noch 1.199 solcher Unfälle zu verzeichnen, stieg diese Zahl in den Folgejahren auf konstant über 1.300 an (2014: 1.308, 2015: 1.312, 2016: 1.324).

„Eine entscheidende Möglichkeit, die Verkehrssicherheit u. a. von Kindern deutlich zu erhöhen, wurde aktuell im Bundesrat mit der Änderung der Straßenverkehrsordnung (StVO) beschlossen. Kommunen dürfen endlich im Grundsatz Tempo 30 vor Kitas, Seniorenheimen, Schulen und Krankenhäusern anweisen“, freut sich Katja Meier, verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. „Hier erwarte ich von Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) ein deutliches Engagement bei der Umsetzung in Sachsen. Dazu muss die Staatsregierung für die Kommunen und Landkreise zügig eine Handreichung für die Umsetzung von Tempo 30 vor sozialen Einrichtungen zur Verfügung stellen und aufsuchende Beratung anbieten. Flankierende Maßnahmen wie z. B. entsprechende Beschilderung, Einengung der Fahrbahn oder die Neugestaltung von Einmündungen und Kreuzungen müssen gefördert werden.“

Wo mehr Menschen aufs Rad steigen, gibt es folglich auch mehr Opfer unter Radfahrenden.

„Leider keine neue Erkenntnis: Viele innerstädtische Staatsstraßen sind Unfallschwerpunkte für Radfahrer und Radfahrerinnen im Alltagsverkehr“, erläutert Meier. „Im Jahr 2016 verunglückten insgesamt 3.881 Radfahrerinnen und Radfahrer. Davon wurden 25 getötet und 837 schwer verletzt. Das sind immer noch viel zu viele! Radfahrende Verkehrsteilnehmer müssen durch sichere Radwege dringend besser geschützt werden.“

Temporeduzierung rettet Menschenleben

„Auch durch eine konsequente Temporeduzierung innerhalb von Ortschaften könnten zahlreiche Unfälle verhindert oder in ihrer Schwere reduziert werden. Niedrigere Geschwindigkeiten verbessern die Sicherheit von Fußgängerinnen und Fußgängern sowie Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrern. Vor allem Kinder, ältere und behinderte Menschen profitieren davon besonders“, erklärt Meier.

Eine Londoner Langzeitstudie hat die Effekte von 20-mph-Zonen (entspricht ca. 32 km/h) auf die Verkehrssicherheit über 20 Jahre untersucht. Die Geschwindigkeitsreduzierung führte zu einem Rückgang der Verkehrsopfer um 41,9 Prozent – besonders deutlich geschah dies bei Kindern sowie bei der Gruppe der tödlich und schwer verletzten Personen.

„Männer sind signifikant häufiger für Verkehrsunfälle mit Personenschäden, vor allem aber für Unfälle mit Todesopfern verantwortlich“, geht Meier noch auf die augenscheinlich besonders aggressive Fahrweise vieler Männer ein. „Verursachten Männer zwischen 2012 und 2016 durchschnittlich 67 Prozent aller Unfälle mit Personenschäden, haben männliche Kraftfahrer in dieser Zeit mehr als 81 Prozent aller Unfälle mit Todesopfern verursacht.“

Die Statistik zu Verkehrsunfällen 2016 in Sachsen.

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