Mit der Verhängung von zweieinhalb Jahren Gefängnis ging am Montag der Prozess um eine angeklagte Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu Ende. Der ehemalige Krankenpfleger Michael F. (31) hatte den Beischlaf mit einer 77-Jährigen Patientin zum Prozessbeginn über seinen Verteidiger eingeräumt.

Am 22. oder 23. Dezember 2016 hatte Michael F. die 77 Jahre alte Schlaganfall-Patientin Elisabeth B.* an seiner Arbeitsstelle in einer Bad Dübener Klinik zunächst gewaschen und ihr anschließend den Geschlechtsakt angeboten. Das perplexe Schweigen der betagten Dame habe der junge Mann als Zustimmung gewertet, heißt es in der Erklärung, die sein Anwalt Malte Heise am vergangenen Freitag vorgetragen hatte.

Michael F. habe sie daraufhin penetriert, allerdings von ihr abgelassen, als die an einen Harnkatheder angeschlossene Seniorin ihre Schmerzen kundtat. Anschließend habe er sie bettfertig gemacht, sich am nächsten Tag auch zu entschuldigen versucht. Allerdings offenbarte sich Elisabeth B. einer Mitarbeiterin der Einrichtung. Michael F. wurde festgenommen und kam am 28. Dezember 2016 in Untersuchungshaft.

Die Ermittlungen der Polizei zeichneten demgegenüber ein abweichendes Bild des Geschehens. So will Elisabeth B. dem Handeln des jungen Pflegers physisch wie verbal Widerstand geleistet haben, heißt es in den Vernehmungsprotokollen der Kripo. Zudem habe er sich am Folgetag sogar erkundigt, ob es ihr nicht „doch ein bisschen gefallen“ habe. Vor Gericht konnte das mutmaßliche Opfer selbst nicht erscheinen, da sich sein Zustand inzwischen weiter verschlechtert hat. Nach Angaben ihres Anwalts sitzt Elisabeth B. im Rollstuhl, ist räumlich wie zeitlich desorientiert und nicht befragungsfähig.

Übereinstimmend beschrieben die Verteidigung sowie der Sachverständige Michael F. als labilen Menschen, dessen Lebensweg von Schüchternheit, Sozialangst und Selbstzweifeln dominiert wurde. Schon zu Grundschulzeiten litt der gebürtige Wittenberger demnach unter dem Mobbing von Mitschülern, zeigte sich vorsichtig und kontaktscheu. Selbst bei Alltagsangelegenheiten wie dem Einkauf habe er Menschen nach Möglichkeit gemieden, eine Beziehung zu Gleichaltrigen nie aufbauen können. Erfüllung habe er vor allem im Beruf als Pfleger gefunden. „Das ist sein Traumberuf“, sagte Rechtsanwalt Heise.

Nach seiner Einstellung in Bad Düben im November 2014 habe er hier überraschend ein einvernehmliches Liebesverhältnis mit einer etwa 80 Jahre alten Patientin entwickelt. Dabei sei es auch zu Sexualkontakten gekommen. Zugleich wurde Michael F. jedoch schon knapp ein Jahr vor der angeklagten Tat auffällig, als zwei ältere Patientinnen der Klinik berichteten, er habe sie küssen wollen. Im Gespräch mit seinem Chef hatte der Angeklagte das als „humoristischen Motivationsversuch“ dargestellt.

Mit zweieinhalb Jahren Freiheitsentzug blieb das Schöffengericht unter Vorsitz von Ute Fritsch unterhalb der zwei Jahre und zehn Monate, die Staatsanwältin Yvonne Kobelt beantragt hatte. Eine verminderte Schuldfähigkeit, die der Sachverständige zuvor nicht ausschließen wollte, sah sie nicht gegeben. Verteidiger Malte Heise hatte hingegen eineinhalb Jahre auf Bewährung für seinen nicht vorbestraften Mandanten als ausreichend erachtet, dabei auch dessen Therapiebereitschaft und die günstige Sozialprognose ins Feld geführt.

Auch das Gericht verneinte eine Wiederholungsgefahr, bescheinigte Michael F. aber, die Hilflosigkeit der alten Frau und seine Position ohne Skrupel ausgenutzt zu haben. Der Angeklagte, der in seinem Schlusswort Bedauern geäußert hatte, nahm die Entscheidung reglos zur Kenntnis.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

*Name geändert.

Die neue LZ Ausgabe Juni 2017, ist seit Freitag, 16. Juni 2017 im Handel

Die Leipziger Zeitung Nr. 44: Über die Grenzen hinaus

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