Die fehlenden finanziellen Mittel für Investitionen in Kindertageseinrichtungen und Schulen sind das eine. Doch warum druckst die Stadt herum, wenn es um die Kommunikation mit den jungen Eltern geht? Familienpolitik kann doch nicht einfach nur Jubel über steigende Geburtenzahlen sein, kritisieren Leipzigs Grüne.

Lange Wartezeiten beim Jugendamt, fehlende Informationen bei der KiTa-Platz-Vergabe sprächen nicht für eine kinderfreundliche Politik. Das geschaffene Familieninfobüro der Stadt könne über diese Diskrepanz nicht hinwegtrösten.

Die Geburtenraten in Leipzig steigen. Und zwar nicht erst seit 2006 oder 2010. Sie tun es seit 1996. 1995 hatte es mit 2.377 Geburten den Tiefstpunkt gegeben – 1998 wurde die Marke von 3.000 Geburten überschritten, 2004 die der 4.000, 2008 die der 5.000. Da sei die Zeit gekommen, um deutliche Signale für eine tatsächliche kinderfreundliche Politik zu setzen, finden die Grünen.

“Die Stadt setzt zu sehr auf symbolträchtige Aktionen, mit Kinderfreundlichkeit hat dies nichts zu tun”, erklärt Jürgen Kasek, Vorstandsprecher des Kreisverbandes von Bündnis 90/Die Grünen. “Ein Familieninfobüro, welches selbstgestrickte Socken verteilt, ist nett. Eines, das bei akuten Belangen der Eltern falsche oder gar keine Informationen gibt, ist aber kein Aushängeschild für Familienfreundlichkeit. Dass die Stadt Eltern zudem ernsthaft empfiehlt, auf Umlandgemeinden auszuweichen, ist eine Unverschämtheit, passt aber ins Bild, welches das Jugendamt gerade abgibt.””Ein zentraler Wickeltisch, der nur bis mittags genutzt werden kann und am Wochenende gar nicht, ist exemplarisch für das Verständnis der Stadt in Sachen Familienfreundlichkeit – sehr halbherzig”, stellt Christin Melcher, Vorstandsmitglied des Kreisverbandes und zuständig für Familienpolitik, fest. “Die Stadt ruht sich zu sehr auf dem Engagement der Eltern aus und brüstet sich mit deren Arbeit. Es bedarf einer tatsächlichen Willkommenskultur für Kinder in Leipzig: Bevorzugung von Eltern auf Ämtern, Spielecken, Wickeltische in allen kommunalen Einrichtungen, ein Spielplatz im Zentrum und mehr verkehrsberuhigte Zonen in der Stadt könnten da erste konkrete Ansätze sein.”

Zudem widerspräche der Umgang des Jugendamtes mit Vätern, die das gemeinsame Sorgerecht ausüben wollen, entschieden dem immer wieder erklärten Ziel der Familienfreundlichkeit, kritisiert Carolin Waegner, die im Grünen-Vorstand für Gleichstellungsfragen zuständig ist. “Die langen Wartezeiten für einen Termin zur Vaterschaftsanerkennung fördern ein veraltetes, nicht mehr zeitgemäßes Familienbild. Durch dieses Agieren unterstützt das Jugendamt die seit langem gehandhabte Diskriminierung nicht verheirateter Väter”, sagt sie. Zahlreichen Vätern werde die Ausübung des Sorgerechts massiv erschwert oder sogar verwehrt. “Im Sinne einer diskriminierungsfreien Familienpolitik ist dies nicht länger hinnehmbar. Hier ist auch endlich das Jugendamt gefordert, seiner am Kindeswohl orientierten Pflicht nachzukommen”, so Waegner.

Wenn die Stadt ihre Einwohnerzahl stetig steigern wolle, bedürfe es eines deutlichen Umdenkens in der Politik. Für Eltern ist die Geburt ihrer Kinder das schönste Erlebnis im Leben, es werde Zeit, dass dies auch die Stadt Leipzig zum Anlass nimmt, um eine kinderfreundliche Offensive zu starten und den Eltern zu zeigen, dass “Familienfreundlichkeit” nicht nur eine Worthülse ist.

Die Grünen fordern deshalb, dass die Stadt ihren Lippenbekenntnissen zur Kinder- und Familienfreundlichkeit endlich Taten folgen lässt. Um die Wartezeiten zu reduzieren, müsste auch die Personalsituation im Jugendamt überprüft werden, um zumindest temporär Kapazitäten für eine zügige Bearbeitung der Fälle gewährleisten zu können.

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