Als vor knapp zwei Jahren die Hells Angels nach Leipzig kamen, schlugen die Wellen hoch. Disco-Krieg, Rocker-Krieg, Rotlicht-Verquickungen - die Schlagzeilen um den Leipziger Ableger des weltweit existierenden Motorradclubs rissen nicht ab. Als im letzten Jahr die Beteiligung der "Höllenengel" an einer Sammlung für den Verein "Straßenkinder" ruchbar wurde, distanzierten sich Spender und Verein, das Geld wurde abgelehnt.

Mittlerweile scheint es ruhiger geworden zu sein: mit den Rivalen der Bandidos wurde Frieden geschlossen, dessen Leipziger Ableger existiert nicht mehr. Und vor den Discos herrscht seit längerer Zeit Ruhe. Dennoch diskutiert die Innenminister-Konferenz ein Verbot der sogenannten “Motorcycle Outlaw Gangs”. Was verbirgt sich hinter der gefürchteten Rocker-Gang, wer sind die “Angels”, wie ticken sie? Der Versuch einer Aufklärung – im Interview mit dem Präsidenten des Leipziger Hells Angels-Charters, Maik Richter.

Er passt in keine Schublade, schon gar nicht in die, in welche man Rocker für gewöhnlich ablegt. Richter (47) liebt das Spiel mit der Überraschung, dem Unerwarteten, dem Außergewöhnlichen. Als Chef der Hells Angels Leipzig trägt er all die Insignien, die für den Club stehen: den Death Head, den geflügelten Totenkopf, die Jacke mit der Aufschrift “AFFA” (“Angels forever, forever Angels”), doch der Rest will nicht so recht passen. Er besucht regelmäßig das Gewandhaus, hört klassische Musik, liebt Oper, Kunst und alte Möbel, leidet unter “Rücken” und beschäftigt sich mit Philosophie und der “Geschichte des Seins”.

Andere Dinge wiederum passen scheinbar ins (vorgeurteilte) Bild: Ex-Hooligan, ehemaliger aktiver Boxer, Ärger mit der DDR-Justiz. Maik Richter verdient sein Geld im so vielzitierten “Rotlicht-Milieu”, nennt sich “Unternehmensberater” und residiert in einem großen Büro samt Billardtisch im “Angels Tabledance Club” in der Dessauer Straße. Er hat drei Kinder und – wie viele andere Männer auch – einen Auto-Tick. So hat sich die Öffentlichkeit einen Hells Angel wohl nicht vorgestellt – ein Bild voller Widersprüchlichkeiten.Wie passt das ins geläufige Bild der breiten Öffentlichkeit?

Wahrscheinlich ebenso wenig wie das der meisten anderen unserer Mitglieder. Bei uns sind viele gestandene Familienväter mit Kindern, die in allen möglichen Berufen arbeiten: Maler, Dachdecker, Stahlbauer, Zimmermänner – viele Handwerker in soliden traditionellen Berufen.

Also kein Rotlicht, keine Drogengeschäfte, keine Waffenschieberei?

Man sollte die Dinge sehr genau auseinanderhalten. Es gibt legale und illegale Dinge. Es wird häufig alles miteinander vermischt. Das sind eben genau die Klischees, die im Umlauf sind und derer man sich gern bedient, diese Schlagwörter, die immer wieder auftauchen. Wenn das alles stimmen würde, wären wir doch längst verboten. Wir sind die meistkontrollierten Menschen in Deutschland. Und zum Thema Drogen ist nur eines zu sagen: Wir haben diesbezüglich klare Regeln – wer mit Drogen erwischt wird, fliegt aus dem Club.

Was ist mit dem Thema Rotlicht und Zwangsprostitution, das so oft angesprochen wird?Einige Member, wie auch ich selbst, arbeiten im sogenannten Rotlicht-Gewerbe. Was ist eigentlich “Rotlicht”? Dass Menschen in diesem Segment Spaß und Zerstreuung suchen, ist doch nicht unsere Schuld. Die Nachfrage ist groß, also werden Dienstleistungen in diesem Bereich angeboten, absolut legal und im Rahmen der Gesetze. Die betreffenden Läden werden mit absoluter Transparenz geführt. Wir halten uns an die existierenden Vorschriften und zahlen unsere Steuern. Das meiste Geld hierbei verdient doch sowieso der Staat. Zudem schauen Behörden und Polizei bei uns doch ganz genau hin. Glauben Sie im Ernst, wenn hier nur das Geringste nicht stimmen würde oder Vorschriften und Gesetze verletzt würden, gäbe es diese Läden noch?

Wie kommt es dann zu dieser immer wieder kolportierten Darstellung, den Hells Angels gehe es um Vorherrschaft und Macht im Rotlichtgewerbe?

Ich glaube, es wird einfach gern verallgemeinert und vereinfacht. Das scheint ein zeittypisches Phänomen zu sein. Zudem macht sich kaum jemand die Mühe, mal selbst hinter die Kulissen zu schauen, verlässt sich auf die großen Schlagzeilen, die oft das Papier nicht wert sind, auf dem sie gedruckt werden. Fakt ist, dass einige Mitglieder von uns sowohl in Nachtclubs als auch als Türsteher arbeiten. Ihre Dienste werden von den Betreibern dieser Einrichtungen auch deshalb nachgefragt, weil die Betreffenden zuverlässige Partner sind, die vom Geschäft etwas verstehen und durch ihr professionelles Auftreten für Ruhe, Ordnung und Sicherheit sorgen. Das sieht übrigens auch die Leipziger Polizei so (Interview mit Polizeipräsident Horst Wawrzynski; Radio Mephisto vom 24.2.2009, die Red.). Rotlicht gibt es in Leipzig schon viel länger als die Hells Angels. Einen direkten Einfluss von uns gibt es nicht, das ist Unsinn.

Trotzdem halten sich die Vorwürfe hartnäckig, die den Hells Angels organisierte Kriminalität vorwerfen.Ich kann nur für unser Leipziger Charter sprechen, denn jedes Charter ist unabhängig von den anderen: Es gibt niemanden, der uns in Leipzig so etwas vorwirft. Ich glaube vielmehr, das ist momentan ein beliebtes Medienthema und eine gute Gelegenheit, um von aktuellen Problemen abzulenken. Keine Frage, es gibt überall schwarze Schafe, aber damit hat unsere Gemeinschaft als Ganzes nichts zu tun. Es handelt jeder für sich selbst, und wer Fehler macht, muss dafür gerade stehen und seine Strafe annehmen. Nur ein Beispiel: Wann gab es im Zusammenhang mit unserem Club 83 verletzte Polizisten, davon etliche Schwerverletzte, sowie Sachschäden in großer Höhe wie zuletzt bei den Ausschreitungen in Dresden?

Also muss man sich vor den Hells Angels nicht in Acht nehmen?

Natürlich nicht. Wir treten jedem mit Achtung und Respekt entgegen, der das uns gegenüber auch tut. Das sind unsere Werte: Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Respekt und Freiheit, unabhängig von Beruf oder Konfession. Das vertreten wir mit aller Konsequenz, nicht mehr und nicht weniger.

Dann mal konkret gefragt: Wieviele Mitglieder der Hells Angels Leipzig sind wegen Gesetzesverstößen verurteilt worden, sprich straffällig geworden?

Das ist auch wieder so ein Beispiel: der Fokus liegt immer auf uns, wir werden da sehr genau beobachtet. Aber es ist für uns kein Kriterium, wie viele Vorstrafen jemand hat. Es gibt definitiv kein Mitglied unseres Charters, das während seiner Mitgliedschaft bei den Hells Angels wegen irgendetwas verurteilt wurde. Sicher gibt es Member, die sich in der Vergangenheit etwas zuschulden kommen lassen haben. Sie haben ihre Strafe verbüßt und damit ist das nach deutschem Recht vergolten.

Betrifft Sie das auch?

Nein, ich bin nicht vorbestraft.

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