Am 25. Mai 2016 soll er starten, der 100. Katholikentag mit einem Gastgeber namens Leipzig. Die Stadt fühlt sich hörbar geehrt, sieht enorme Potentiale in der Außenwirkung und ist deshalb gern bereit, das Stadtsäckel zu öffnen und eine Million Euro beizusteuern. Geht es nach den Grünen zuviel, 300.000 Euro müssten auch genügen. Die Piraten stellen die Frage längst grundsätzlicher. Wieso zahlt in einem Land, in dem Kirche und Staat angeblich getrennt agieren der Steuerzahler über Bund, Land und Kommune gesamt 4,5 Millionen Euro in die Veranstaltungskasse einer katholischen Party in der Glaubensdiaspora Leipzig ein?

Nicht ganz 5 Prozent katholische Glaubensanhänger und eine gerade fertig werdende weitere Kirche vis á vis des Neuen Rathauses nennt die katholische Kirche in Leipzig aktuell ihr eigen. Auch hierbei hat der Steuerzahler bereits indirekt über Steuervergünstigungen und Uraltverträge, die Geldflüsse zwischen Staat und Kirche regeln, mitgewirkt, ob er wollte oder nicht. Doch für die Leipziger Katholiken ist der Katholikentag 2016 eher nicht gemacht, dass betont letztlich sogar der Veranstalter selbst. In einer Selbsteinschätzung der Verantwortlichen, welche die Stadt dem Stadtrat für den Beschluss, eine Million in die Veranstaltung zu investieren, vorlegt heißt es: “Die real vorhandene Diaspora-Situation in einer Stadt mit weniger als 5 % Anteil an Katholiken in der Bevölkerung wird von den Organisatoren als Herausforderung gesehen. Das definierte Ziel künftiger Katholikentage, sich nach außen zum Dialog mit evangelischen Christen aber auch konfessionslosen Mitmenschen zu öffnen, wird in Leipzig zur Grundbedingung erfolgreichen Wirkens.”

Man lobt seitens des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) die Infrastruktur bei den Anfahrtsmöglichkeiten, die Menge an Hotels, die gesamteuropäisch gute Lage in Mitteldeutschland und freut sich auf die durch Wave-Gotik-Treffen, Bachfest und Messen erprobte Gastfreundschaft der Messestädter. Und auf eine Million Euro von der Kommune, eine halbe vom Bund und weitere drei vom Freistaat Sachsen. Ob man sonst woanders zur Party geladen hätte?

Die Eigeneinschätzung der Verantwortlichen zur Art ihrer Festlichkeit: “Katholikentage haben sich gewandelt. Sie machen Glauben und Kirche erfahrbar in einer Welt, in der beides nicht mehr selbstverständlich ist. Sie bringen eine christliche Sicht der aktuellen Fragen in die öffentliche Diskussion ein, ohne selbst handeln zu können. Statt Einheit zu demonstrieren, stellen sie den Katholizismus als bunte, bewegte Vielfalt dar. Statt ausschließlich Vorträgen zu folgen, wird Raum geschaffen für Dialog – untereinander und nach außen. Was bleibt, ist die Auseinandersetzung mit der Welt im christlichen Geist.”

Die Art der Veranstaltung hat also durchaus alles, was sie als eine einer Glaubensrichtung auszeichnet. Es könnten also auch nüchtern betrachtet der Zentralrat der Juden, bei den Muslimen die Ahmadiyya-Gemeinde oder andere in Deutschland beheimatete Glaubensrichtungen mit kirchenähnlichem Status durchaus solche Anträge stellen, wie den über 1 Million Euro durch Dr. Stefan Vesper (Generalsekretär des ZdK) im Schreiben vom 19. März 2014 an die Stadt Leipzig.

Für die Leipziger Piraten ist allein wegen der Frage der Trennung Kirche und Staat jeder Euro an Zuwendungen falsch, wenn sie nun betonen: “Die Piraten stehen für eine klare Trennung von Kirche und Staat. Der Staat hat sich aus weltanschaulichen Bestrebungen jeder Art herauszuhalten. Sie sehen es daher nicht als Aufgabe der Allgemeinheit, eine religiöse Großveranstaltung finanziell zu unterstützen.” Aus diesem Grund lehnen die Piraten auch eine reduzierte Förderung, wie von der Grünenfraktion mit 300.000 Euro beantragt, ab.

Für die designierte Leipziger Stadträtin Ute Elisabeth Gabelmann stellt sich neben der Frage des fröhlichen Hand-in-Hand von Kirchen- und Steuergeld und der Vereinigung von Politik und Kirche in einem dafür gegründeten Verein auch die Frage der Verhältnismäßigkeit angesichts der allgemeinen Finanzlage in Leipzig. “Die Leipziger sind zu Recht empört darüber, einer derart umstrittenen und zudem sehr reichen Institution einen absurd hohen Betrag dafür zahlen zu müssen, dass diese so gnädig ist, ihr Treffen bei uns abzuhalten. Wir haben städtische Schulden von derzeit etwa 700 Millionen Euro, wir streichen bei Jugendprojekten und soziokulturellen Einrichtungen, wir können Schulkindern nicht mal ein anständiges Klo anbieten – das ist beschämend!” so Gabelmann.

Dass die Katholische Kirche ihre Festlichkeit überdies auch leicht im Alleingang finanzieren könnte, möchten die Piraten nicht unerwähnt lassen. So finde der Katholikentag 2016 schließlich im Bistum Dresden-Meißen statt, welches über einen eigenen Haushalt von 60 Millionen Euro verfügt. “Außerdem zahlt bereits der Freistaat Sachsen drei Millionen Euro an die Veranstalter. Es gibt einfach klare Prioritäten – ein Katholikentag gehört nicht dazu.”

Weshalb Gabelmann Widerstand von den Leipzigern einfordert: “Ich werde den Protest nach Kräften unterstützen und fordere die Leipziger auf, Position zu beziehen und den derzeit noch amtierenden Stadträten klar ihre Wünsche zum Ausdruck zu bringen. Man kann in den Fraktionen anrufen und fordern, dass die Stadträte entsprechend handeln. Ich freue mich über alle Leipziger, die solche Möglichkeiten wahrnehmen.”
Ob dies im Sinne des Piratenwunsches etwas bewirkt, ist äußerst fraglich. Das Prozedere ist nicht nur Tradition, es findet sich auch eine starke Lobby hinter dem Steuergeldeinsatz.

Am 26. Februar 2014 wurde für die rechtliche, organisatorische und finanzielle Abwicklung des Katholikentages ein eingetragener Verein unter dem Vorsitz des Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse Leipzig, Dr. Harald Langenfeld gegründet. Dem Verein gehören unter anderen an: Dieter Althaus, Ministerpräsident a.D. (CDU), Christine Ursula Clauß (CDU), Sächsische Staatsministerin für Soziales und Verbraucherschutz, Michael Czupalla (CDU), Landrat des Landkreises Nordsachsen, Bernhard Kaltefleiter, Verbundnetz Gas AG, Leiter Unternehmenskommunikation und Bettina Kudla (MdB/CDU).

Für die Piraten dennoch kein Grund, eine einfache Ansage nicht in den Raum zu stellen: “Wir zahlen nicht für eure Party”

Zum Artikel vom 15. Juli 2014 auf L-IZ.de

Mit Moses durch Leipzig: Der Katholikentag und das 11. Gebot

Zum Artikel vom 14. Juli 2014 auf L-IZ.de

Glaube, fehlende Nachhaltigkeit und eine Million Euro für Katholikentag 2016: Der Förderverein Naturkundemuseum ist sauer

Die Begründung der Verwaltung zum Zuschuss von 1 Million Euro

http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/69749437A18B32B9C1257CDD0028DE9E/$FILE/V-ds-3795-txt.pdf

Gründung des Trägervereins (Ergänzung zum Antrag)

http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/69749437A18B32B9C1257CDD0028DE9E/$FILE/v-ds-3795-text-erg%C3%A4nzung.pdf

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