Thomaskantor Professor Georg Christoph Biller hat den Oberbürgermeister um die Auflösung seines Dienstverhältnisses zum Ende des Monats Januar gebeten, teilt die Leipziger Stadtverwaltung mit. Georg Christoph Biller: "Meine gesundheitlichen Probleme lassen die lückenlose Erfüllung der vielfältigen Aufgaben, die dieses Amt beinhaltet, nicht mehr zu." In Absprache mit der Ev.-Luth. Kirchgemeinde St. Thomas Leipzig hat der Oberbürgermeister diesem Wunsch entsprochen.

“Der Thomanerchor prägt das Bild Leipzigs als Musikstadt ganz entscheidend”, sagt dazu Oberbürgermeister Burkhard Jung. “Herr Biller hat den Knabenchor an die Weltspitze geführt. Ich danke Herrn Professor Georg Christoph Biller auf das Herzlichste für seine Kraft, seine Ideen und seine Beharrlichkeit und seinen Dienst für die Stadt Leipzig und das Erbe Bachs.”

Und Kulturbürgermeister Michael Faber: “Thomaskantor Georg Christoph Biller ist ein energischer, kraftvoller Künstler, der den Chor mit Verve geleitet hat. Ich bedaure, dass er sich nun aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen muss. Während seines Kantorats sind entscheidende Grundlagen für die Zukunft des Chores gelegt worden: das Alumnat wurde saniert und ausgebaut und mit dem forum thomanum hat der Chor ein musikalisches Umfeld bekommen, von dem er in den nächsten Jahrzehnten profitieren kann.”

Dr. Stefan Altner, Geschäftsführer des Thomanerchors, fügt hinzu: “Thomaskantor Biller ist es gelungen, die Thomaner nicht nur an der Spitze der künstlerischen Leistungsfähigkeit zu halten, sondern den Chor auch stetig weiterzuentwickeln. Für die Thomaner ist er zu einer prägenden Bezugsperson geworden, nicht nur im musikalischen Sinne. Sein Rückzug ist für den Chor, aber auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine große Zäsur.”

“Mit dem Abschied von Thomaskantor Biller geht eines der ganz großen Thomaskantorate zu Ende. Einen Knabenchor über Jahre hinweg auf Weltniveau zu halten und den Jugendlichen darüber hinaus eine innere Beziehung zu ihrer Aufgabe zu vermitteln, verdient allergrößten Respekt”, fasst Pfarrerin Britta Taddiken den Dank der Kirchgemeinde St. Thomas zusammen.

Thomaskantor Biller übergibt den in städtischer Trägerschaft stehenden Thomanerchor, den er 22 Jahre lang geformt und geprägt hat, in einer glänzenden musikalischen Verfassung. Die Stadt Leipzig und der Thomanerchor danken dem Kantor für seine so überaus erfolgreiche Arbeit und wünschen Georg Christoph Biller persönlich alles Gute.

Als Nachfolger von Thomaskantor Hans-Joachim Rotzsch, der sein Amt 1991 in den politisch schwierigen Zeiten nach der Friedlichen Revolution abgeben musste, wurde Georg Christoph Biller zum 1. August 1992 als 16. Thomaskantor nach Johann Sebastian Bach in das Thomaskantorenamt berufen. Die feierliche Einführung in sein Amt fand in der Leipziger Thomaskirche am 1. Advent 1992 (29.11.1992) statt.
Geboren am 20.09.1955 in Nebra (Unstrut), war Biller von 1965 bis 1974 unter den Thomaskantoren Erhard Mauersberger und Hans-Joachim Rotzsch selbst Thomaner. Er studierte von 1976 bis 1981 Orchesterdirigieren bei Rolf Reuter und Kurt Masur sowie Gesang bei Bernd Siegfried Weber an der Hochschule für Musik “Felix Mendelssohn Bartholdy” in Leipzig.

Im Jahr 1976 gründete er den Leipziger Vokalkreis, aus dem später das Leipziger Vocalensemble hervorging.

Georg Christoph Biller wurde 1980 Chordirektor des Leipziger Gewandhauses und lehrte als Dozent für Chorleitung an der Kirchenmusikschule Halle. An der Leipziger Hochschule für Musik und Theater “Felix Mendelssohn Bartholdy” hat er eine Professur inne, seit 1994 lehrt er im Fach Chordirigieren und seit 2009 auch im Fach Orchesterdirigieren. Außerdem wirkte er als Dozent für Chordirigieren an den Musikhochschulen Detmold und Frankfurt am Main. Für sein Schaffen erhielt er namhafte Preise. Als Gastdirigent konnte er mit bedeutenden Chören und Orchestern gastieren, z. B. gemeinsam mit den Thomanern bei den New Yorker Philharmonikern und dem Sydney Symphony Orchestra. Als Lied- und Oratoriensänger gastierte er im In- und Ausland.

Regelmäßige Engagements mit dem Thomanerchor als Thomaskantor und zuvor als Gesangssolist führten ihn nach Asien, Australien, Südamerika, in die USA und in zahlreiche europäische Länder.

Als Thomaskantor pflegte Georg Christoph Biller die große Chortradition der musica sacra von den gregorianischen Anfängen bis zur Moderne und widmete sich engagiert dem zeitgenössischen Chorschaffen. Es ist ihm gelungen, die “Motetten” (in der Thomaskirche Leipzig eine Form des musikalischen Gottesdienstes) wieder liturgisch bestimmt einzuordnen.

Mit Beginn seiner Amtszeit 1992 begann Georg Christoph Biller die gesamten erhaltenen geistlichen Bach-Kantaten mit dem Thomanerchor, dem Gewandhausorchester Leipzig, Solisten, dem Thomasorganisten, zyklisch in chronologischer Reihenfolge aufzuführen. Zahlreiche Kantaten liegen in Live-Mitschnitten auf CD vor.

Er war und ist mit vielen Komponisten eng verbunden. Auch ist er selbst kompositorisch tätig, was sich in den Programmen des Thomanerchores vielfältig niedergeschlagen hat. Das umfangreiche “Das Neue Thomasgraduale” ist zuletzt beim Phonus Verlag in Leipzig erschienen. Unter seiner Leitung konnte der Thomanerchor Ton- und Ton-/Bildaufnahmen für zahlreiche Rundfunk- und Fernsehsender wie auch für die Labels “Universal/Philips Classics”, “Rondeau Production”, “EuroArts”, “Accentus” “Verlagsgruppe Kamprad” u. a. aufnehmen.

Für sein gesellschaftliches Wirken und seine Verdienste um Sachsen und besonders um Leipzig hat Bundespräsident Joachim Gauck den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland (1. Klasse) an Thomaskantor Prof. Georg Christoph Biller verliehen, den er am 26.11.2014 vom Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, Stanislaw Tillich in der Sächsischen Staatskanzlei in Dresden überreicht bekommen hat.

Große Verdienste hat sich Thomaskantor Biller für den noch im Aufbauprozess befindlichen Bildungscampus forum thomanum erworben; er hat sich unermüdlich für diese zukunftsfördernde Einrichtung engagiert. Neben der Bewahrung und Fortführung der großen Tradition nahm der Thomaskantor den gemeinsamen 800-jährigen Fortbestand von Thomanerchor, Thomaskirche und Thomasschule oft zum Anlass, die bewährte Zusammenarbeit zukunftsweisend immer wieder zeitgemäß auszurichten und auszubauen.

Der Termin zur öffentlichen Verabschiedung soll noch bekanntgegeben werden.

www.thomanerchor.de

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