"Zeitverschwendung" nennt der Student_innenRat der Universität Leipzig den nun schon einige Jahre lang ausgefochtenen Streit über die Anbringung der Kanzel aus der alten, 1968 gesprengten Universitätskirche St. Pauli im neuen Paulinum. Am Montag, 2. Februar, stimmte die Expertenkommission nun mehrheitlich dafür, die Kanzel außerhalb des eigentlichen Kirchen-/Andachtsraumes anzubringen.

In der fünften und letzten Sitzung der Expert_innenkommission zur Klärung der Frage nach der Installation der historischen Kanzel im Innenraum des Paulinums empfahl am Montag, 2. Februar, eine Mehrheit der Kommissionsmitglieder die Anbringung der Kanzel in der Aula der Universität Leipzig. Die Abschlussstatements der einzelnen Kommissionsmitglieder entsprachen inhaltlich denen, die bereits in der ersten Sitzung abgegeben wurden. Es hat sich also an den Positionen nichts geändert – und auch die probeweise Anbringung des Kanzelmodells im Aula-Raum hat die Gemengelage nicht verändert.

„In der heutigen Sitzung wurde abermals deutlich, wie wenig zielführend die Einsetzung dieser Kommission war. Das Staatsministerium der Finanzen (SMF) muss sich fragen, ob diese Zeitverschwendung tatsächlich notwendig war. Es war von vornherein klar, wie sich die Beteiligten verhalten werden“, konstatiert Kerstin Stengel, Referentin für Umbau und Datenschutz des Student_innenRates (StuRa).

Ihr zur Seite stand Marcel Wodniock, Geschäftsführer des StuRa. „Klar war, dass die Landeskirche und die Theologie für eine Anbringung der Kanzel votieren und argumentieren würden. Spannend war nur, welche zum Teil befremdlichen Argumente diesmal ins Feld geführt werden“, sagt er zum Ergebnis.

Aus seiner Sicht sprach sich die Mehrheit der der Kommission angehörenden Universitätsmitglieder gegen die Anbringung der Kanzel im Aularaum aus.

„Externe sogenannte Expert_innen nehmen damit massiven Einfluss auf das Universitätsgeschehen. Hoffentlich wissen die Mitglieder des Senats, wie sie mit dem Votum dieser Kommission umgehen sollen“, kommentiert Kerstin Stengel die Abstimmung. „Zudem wird durch das Abstimmverhalten des SMWK und SMF erneut die fehlende Neutralität und somit die Nähe zur christlichen Kirche deutlich. Eine eindeutige Positionierung zur Welt- und Religionsoffenheit bezüglich eines multifunktionalen Aularaumes an einer Universität wäre wünschenswert gewesen.”

So sprachen sich beide Vertreter des Sächsischen Finanzministeriums, der Vertreter des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst und die Vertreterinnen der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche und des Landesamtes für Denkmalspflege für eine Anbringung in der Aula aus. Aus der Universität selbst sprachen sich nur der Dekan der Theologischen Fakultät, Prof. Gert Pickel, und der erste Universitätsprediger, Prof. Peter Zimmerling, für die Anbringung der Kanzel aus. Von Rektorat, StuRa, Baukommission und Kustodie gab es eine Ablehnung. Das kann schon den starken Eindruck erwecken, dass das Land hier massiv Einfluss nimmt, während die Universität selbst am kurzen Hebel sitzt.

Marcel Wodniock: „Nutzende Institution ist außerdem schlussendlich vornehmlich die Universität Leipzig als Ganzes und nicht nur die Theologische Fakultät und der Universitätsprediger.“

Nun läge es in den Händen der Universität, wie mit der Empfehlung weiter verfahren werde. Die Empfehlung stehe zudem unter dem Vorbehalt, dass ein dreisemestriges Klima- und Nutzungsmonitoring durchgeführt wird, auf welches sich die Mitglieder in der Sitzung im Mai 2014 einhellig einigen konnten.

Die provisorisch angebrachte Test-Kanzel im Aula-Bereich des Paulinums. Foto: Ralf Julke
Die provisorisch angebrachte Test-Kanzel im Aula-Bereich des Paulinums. Foto: Ralf Julke

Die Entscheidung ist aber eine recht deutliche Empfehlung an das Rektorat der Universität Leipzig.

Was die Sache noch beschränkt: Voraussetzung für die Anbringung der wertvollen Kanzel in der Aula ist ein positives Ergebnis des Monitorings im Paulinum – Aula/Universitätskirche St. Pauli, das die raumklimatischen Bedingungen und ihre Auswirkungen auf die Kanzel nach der Eröffnung des Gebäudes untersucht. Rektorin Prof. Dr. Beate Schücking dankte den Experten am Montag für ihre Arbeit. Deren Einschätzung sei ein wichtiger Baustein in der Entscheidungsfindung. Am Schluss werde nun ein Votum des Senats der Universität stehen.

“Das weitere Vorgehen ist klar: Wir brauchen zunächst die Klimamessung, für die sich die Kanzelkommission im Mai vergangenen Jahres ausgesprochen hat. Sie wird wie besprochen stattfinden, wenn das Paulinum – Aula/Universitätskirche St. Pauli eröffnet ist, und zwar innerhalb der ersten drei Semester nach der Inbetriebnahme. Wir werden später auf der Basis aller vorliegenden Informationen einen Gremienbeschluss treffen, an dem alle Statusgruppen der Universität beteiligt sein werden”, betont Schücking. In der Zwischenzeit komme die Restaurierung gut voran. Bereits in diesem Jahr sollen die Leipziger erste restaurierte Stücke betrachten können. Eine entsprechende Zwischenlösung sieht vor, die restaurierte Kanzel Schritt für Schritt an einem Interimsstandort im Museum für Musikinstrumente zu präsentieren und sie damit möglichst schnell der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Die Aufstellung der Kanzel im Museum für Musikinstrumente der Universität Leipzig ist ab dem vierten Quartal 2015 angestrebt, wo sie voraussichtlich bis Ende 2017 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann.

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