So ist es einfach. Ganz zum Schluss geht der Deckel zu. Trotzdem ist es wichtig, Kinder darauf vorzubereiten, ihnen liebe Menschen zu verlieren. Sonst können Traumata auftreten. In Leipzig geht Claudia mit einer Kollegin in die Kindergärten um gerade dies zu tun – ehrenamtlich, jedoch mit jahrelang angelerntem Know How. Tanner fragte nach.

Hallo Claudia. Da hast Du mir ja wirklich interessante Sachen erzählt. Kannst Du bitte den Lesern noch mal sagen, was Ihr da genau bei dem Projekt „Juna und Norwin reisen durchs Leben“ (Hospizium bildet Kinder) macht?

Hallo Volly, vielen Dank das du uns und mir die Möglichkeit gibst, über das Projekt zu sprechen. Es ist ein Präventionskonzept für Kitas speziell für Vorschulkinder. Durch eine Vielzahl von unterschiedlichen Methoden erhalten die Kinder die Möglichkeit, Gefühle bei sich und anderen zu erkennen und auszudrücken. Sie werden lernen, den Kreislauf des Lebens besser zu verstehen –  am Modell „Werden und Vergehen“. Weiterhin soll auch die eigene Körperwahrnehmung und Körpersprache gefördert werden sowie die Sprachentwicklung. Des Weiteren, und das finde ich in der heutigen „Ellbogengesellschaft“ ganz wichtig, soll die emotionale und soziale Kompetenz gefördert werden.

Ich bin selbst sehr gespannt. Ich habe durch meine ehrenamtliche Tätigkeit im Hospiz Advena davon erfahren und war sofort begeistert und bin sehr gespannt, wie es mir selbst in der Durchführung damit gehen wird. Es sind fünf bzw. sechs Projekttage mit der Vorschulgruppe einer Kita geplant. Wir, meine Begleiterin und ich, werden fünf Wochen hintereinander an einem Tag in der Kita sein. Und auf spielerische Art mit unseren Stars des Projektes Juna und Norwin nehmen wir die Kinder mit auf eine Reise und führen an den entsprechenden Tagen zu den Themen „Gefühle“, „Werden und Vergehen“, „Krankheit“, „ Sterben und Trauer“ sowie „Trost und Trösten“ unsere Methoden durch.

Wie muss ich mir denn die fünf Projekttage genau vorstellen? Ich meine den Aufbau, die Thematiken und die pädagogischen Ansätze. Geh ruhig etwas in die Tiefe.

Okay, also pass auf: es gibt fünf Hauptthemen. Die Kinder bekommen dazu auch von uns ein eigenes, entwickeltes Arbeitsheft, das wir gemeinsam mit ihnen bearbeiten werden. Wie gesagt, wir werden einmal in der Woche in der Kita sein. Geplant ist das von 08:30 bis 11:30 Uhr. Dabei werden natürlich die Rituale wie der Morgenkreis der Kleinen berücksichtigt und auch integriert. Auf unserer Reise begegnet uns auch immer wieder ein Regenbogen als so als eine Art Brückenbauer. Wir haben die Tage auch farblich unterteilt. Vielleicht kriege ich es sogar hin, mich am entsprechenden Tag auch farblich zu kleiden um vielleicht auch noch mal einen Anreiz zu schaffen. Aber das wird sich zeigen.

Also: der erste, der rote Tag, beinhaltetet die Gefühle. Die Kids müssen uns erst mal kennenlernen und wir sie. Es muss Vertrauen aufgebaut werden. Es wird auch die ganze Zeit die Erzieherin der Vorschulgruppe anwesend sein. Doch sie soll auch mehr im Hintergrund agieren. Wir wollen ja wissen, wie die Kleinen ticken und wo wir dann ansetzen können um das Projekt auch weiter zu entwickeln. Es wird zunächst einen Begrüßungsteil geben. Wir als „Projektmitarbeiter“ haben Namensschilder für die Kinder, die wir an sie verteilen. Wir werden fragen „Ist denn … da?“ und dann bekommen sie das Namensschild von uns angesteckt. So können wir uns alle gleich ganz gut kennenlernen. Anschließend werden wir uns selbst kurz vorstellen und die Gruppenregeln erklären.

Dann stellen wir das Projekt noch mal kurz vor und verweisen auf die Tagesfarbe. Als Nächstes werden wir mit den Kindern unser Begrüßungslied singen. Wir zeigen ihnen dann unseren mitgebrachten Koffer. Natürlich ist der Koffer auch jeweils in der aktuellen Tagesfarbe und dann stellen wir den Kindern noch unsere Stars des Projektes vor. Juna und Norwin – unsere eigens gefertigten Sockentiere, die auch ihren Beitrag in Form eines selbst geschriebenen „Theaterstückes“ leisten und von uns zum Leben erweckt werden. Es wird Spiele geben, in denen die Kinder mehrfach gefordert sind. Es sind u.a. Bewegungsspiele. Wir werden alle durch den Raum laufen und verschiedene Tiere darstellen z. B. nach dem Motto: „Sei schüchtern wie eine Maus!“ oder „ … stark wie ein Löwe!“.

Ich sage dir, für mich selbst wird das auch noch mal eine ganz großartige Erfahrung werden. Zwischendurch gibt es dann immer noch die Dialoge mit Juna und Norwin. Und diesem Muster entsprechend werden alle Projekttage aussehen. Eigentlich sind es sechs Tage, wenn wir im Projekt dann etwas vorangeschritten sind und den Kindern Möglichkeiten und Informationen zur Behandlung von Krankheiten gegeben haben und sie wissen, wann ein Mensch lebt und wann er tot ist. Dann wollen wir mit ihnen einen Friedhofsbesuch machen. Wir werden dabei auf die Bedeutung des Friedhofes eingehen die Kinder lernen, dass der Friedhof eine Ruhestätte ist.

Von wem ging denn die Initiative Juna und Norwin auf die Welt zu bringen aus?

Die Idee zu diesem Projekt entstand an der hauseigenen Akademie der Hospizium Leipzig GmbH, ein Konzept für Kinder anzubieten. Es gab erste Überlegungen bezüglich eines Projektes „Hospiz macht Schule“. Doch dafür gab es kaum personelle Ressourcen um das Projekt an Schulen anzubieten.  Dann hat sich an der Akademie eine achtköpfige Arbeitsgruppe aus professionellen Mitarbeitern (Seelsorge, Hospizarbeit, Präventionsarbeit, Erziehern und einer Ärztin aus dem SAPV Team) gegründet. Es gab dann ein Jahr lang regelmäßige Treffen, in denen das Konzept entstand und dann startete das Pilotprojekt am 6. Mai letzten Jahres in einer Kita.

Tja und um das Projekt weiter auszubauen gab es jetzt im Januar eine Weiterbildung, an der ich teilgenommen habe und mich als Multiplikator und Brückenbauer habe schulen lassen. Und jetzt werde ich mit einer weiteren Teilnehmerin ehrenamtlich das Projekt in einer Kita durchführen. Soweit ich das natürlich neben meinen Verpflichtungen umsetzen kann. Aber mir ist viel daran gelegen, denn als ich davon erfahren habe, war ich sofort Feuer und Flamme. Ich denke, es wird auch für mich ein ganz guter Ausgleich zum Alltag sein. Andere powern sich beim Sport aus oder haben andere Hobbys. Für mich ist es wichtig, dass mir eine neue, nachhaltige Energiequelle schaffe, von der ich dann im Alltag zehren kann.

Die Kulturkreise unterscheiden sich ja eklatant auch im Umgang mit dem Sterben und Vergehen. Bezogen auf den hiesigen Kulturkreis mit seiner Fokussierung auf das Lebensende – wie schätzt Du das ein, ganz persönlich?

Da fragst du mich was. Nun, ich finde es ehrlich gesagt schade, dass der Tod in unserer Gesellschaft dieser Art tabuisiert wird. Natürlich gehört zu einer gewissen Entwicklung auch Fortschritt und Forschung. So ist es ja auch mit dem Leben. Im Laufe unseres Lebens entwickeln und erlernen wir auch immer mehr Fähigkeiten und dann, am Lebensende, wenn wir vor dem „großen Ganzen stehen“ nützt es uns gar nichts. Sterben müssen wir nun mal. Deshalb finde ich es schade, dass in der heutigen Medizinischen Entwicklung der Tod teilweise als „Versagen“ angesehen wird. Als ich mich damals entschlossen habe, meine Ausbildung zur Pflegefachkraft im Hospiz fortzusetzen reagierte mein privates Umfeld auch mit einer gewissen Skepsis. Aber ich war mir selten so sicher in einer Entscheidung, wie in dieser. Ich war und bin fasziniert wie viele Möglichkeiten die Paliativmedizin bietet, um ein würdevolles Lebensende zu ermöglichen. Für mich als damals Anfang Zwanzigjährige hat sich dann auch Vieles relativiert im Bezug auf mein eigenes Leben aber auch auf mein eigenes Ende.

Ich habe eine Weile behauptet: ich habe keine Angst vor dem eigenen Tod. Doch das ist falsch. Ich weiß ja gar nicht, ob ich Angst haben muss. Natürlich besteht auch bei mir die „Angst“ vor dem ungewissen Ausgang. Ich akzeptiere die aber. Ich habe gewisse Vorstellungen für mein eigenes Ende und ich hoffe, dass diese dann auch entsprechend umgesetzt werden. Während meiner Ausbildung habe ich auch zweimal kurz nacheinander die schmerzliche Erfahrung gemacht, wie es ist, einen geliebten Menschen nicht mehr um sich zu haben. Davon abgesehen, ob man weiß, dass der Tod kommt bzw. kommen wird, so kommt er doch immer im falschen Moment – trotz meiner angehenden Professionalität damit umzugehen.

Da ist für mich auch eine Welt zusammengebrochen. Ich bin dann stiller geworden. Ich habe mich noch mehr mit dem Werden und Vergehen auseinandergesetzt. Und das war gut so und ich bin froh, dass ich die Zeit dazu bekommen habe und dass mir die Zeit gelassen wurde. Ich denke, es ist wichtig, dass man sich einfach bewusst macht, dass der Tod unweigerlich zum Leben dazu gehört –  genauso wie der erste Kuss oder Kinderkriegen. Er ist halt nur negativ behaftet und wird von der Gesellschaft eben ausgrenzt. Aus Angst – aber warum? „Die einzige Sicherheit im Leben ist das Sterben.“

Sicherlich habe ich durch die Arbeit im palliativen Bereich einen anderen Bezug zum Tod. Aber ich denke auch, es ist wichtig und richtig, dass man jemanden, der gerade einen Verlust erfahren hat, nicht alleine lässt, dass man ihm seine Anteilnahme zeigt und für ihn da ist. Natürlich muss man auch schauen, was braucht denn derjenige gerade? Thema Trost und Trösten: das werden wir auch beleuchten und dabei gehen wir auch darauf ein, dass etwas was dir gut tut mir noch lange nicht gut tun muss. Dieses Verständnis und Bewusstsein dafür zu haben finde ich wichtig. Ich finde es keine Schwäche, wenn man traurig ist über eine gewisse Zeit. Es hat alles seine Zeit im Leben und auch das Leben jeglicher Art ist nun mal nicht darauf konzipiert, dass es „unsterblich“ ist.

Insofern gehören Trauer und Tränen genau so zum Leben, wie Freude und Sonnenschein. Natürlich bin ich auch lieber gut drauf aber … geht ja eben nicht immer. Wichtig ist, dass man nicht alleine ist. Man kann ja auch professionelle Hilfe zur Trauerbewältigung in Anspruch nehmen. Wie gesagt, ich bin der Meinung, es ist keine Schande im Leben und in verschieden Situationen Schwäche zu zeigen und Ängste zu haben. Schon seltsam, wie du auch sagst, in anderen Kulturkreisen steigen richtige Partys und bei uns …?!? Ich glaube, ich für meinen Teil kann aber auch nicht richtig beurteilen, wie es sich anfühlt darüber froh zu sein oder den Tod eines geliebten Menschen freudig gegenüberzustehen. Da ich so erzogen worden bin bzw. nicht in so einem Kulturkreis lebe. Deshalb ist es meiner Meinung nach aber nicht falsch, das Lebensende auch so zu begehen.

Ihr macht das ja ehrenamtlich. Der Bedarf ist jedoch flächendeckend – sollte doch jeder Mensch die Möglichkeit haben (ganz besonders die Kleinen) sich mit dem Leben, dem Sein und dem Vergehen als natürlichen Zustand auseinanderzusetzen. Denkst Du, dass sich das auch flächig ausbreiten kann und wird?

Ja! Das hoffe ich und würde das ich mir sehr wünschen. Einfach schon deswegen, weil ich zum Einen die Initiatoren unseres Projektes persönlich kenne und weiß, was sie da für wundervolle Arbeit geleistet haben, die somit entsprechend honoriert werden sollte. Ich selbst sehe da einfach auch eine großartige Möglichkeit, sich einzubringen und mit dem Leben und dem Sein und Vergehen auseinanderzusetzen. Ich weiß auch, dass es bereits eine Warteliste gibt von Kitas, die das Projekt mit uns auch gern bei sich durchführen wollen würden.

Wie kann man Eure Arbeit denn unterstützen? Ganz schlicht muss Eure Tätigkeit ja auch finanziert werden, erzähl mal bitte …

Wir würden uns natürlich riesig über Spenden freuen, wenn man uns unterstützen will verweise ich an dieser Stelle einfach mal schlicht und einfach auf die Internetseite von Hospizium Leipzig www.hospizium-leipzig.de. Dort kann man auch nachlesen, wie man die Mädels und Jungs von Hospizium noch unterstützen kann. Des weiteren sind dort auch alle Kontaktdaten der Verantwortlichen.

Danke, liebe Claudia.

Ich danke Dir, dass Du Dir die Zeit für mich genommen hast. Ich hoffe, ich konnte Dir und den Lesern das Projekt etwas näher bringen. Vielen Dank.

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