Gehört der Islam zu Sachsen? Nein, findet der sächsische Ministerpräsident, Muslime aber seien willkommen. Das islamisch geprägte "Forum für interkulturellen Dialog e.V." (FID) lud am heutigen Mittwoch zusammen mit dem evangelischen Forum "Glaube – Theologie – Leben" zu dieser Frage nun zu einer Diskussionsveranstaltung in die evangelischen Fakultät. Der Regionalleiter des FID Tayyar Kocak setzte sich für islamischen Religionsunterricht und interreligiöse Begegnungen ein.

“Der Islam gehört zu Deutschland. Gehört der Islam auch zu Sachsen?” Auf diese Frage eines Journalisten von “Welt am Sonntag” hatte der sächsische Ministerpräsident Tillich so geantwortet: “Ich teile diese Auffassung nicht. Muslime sind in Deutschland willkommen und können ihre Religion ausüben. Das bedeutet aber nicht, dass der Islam zu Sachsen gehört.”

Gehört der Islam nun zu Sachsen oder nicht? Vielleicht ist die Fragestellung falsch. Denn tatsächlich geht es ja darum, dass Menschen sich als Teil der Gesellschaft empfinden. Wenn sich einzelne von der Gesellschaft entfremden, muss das die Gemeinschaft alarmieren.

“Ob vermeintlich oder tatsächlich: das Gefühl, nicht anerkannt und nicht akzeptiert zu werden, erzeugt generell Frustration.” Viele junge Deutsche muslimischen Glaubens machen die Erfahrung, dass ihrem Glauben mit Misstrauen begegnet wird. Damit können allerdings die meisten Muslime ganz gut umgehen. Anfeindungen werden ignoriert. Sie haben Strategien entwickelt, ihren Glauben als Teil der Gesellschaft zu leben.

Manche verbergen ihren Glauben, manche ziehen sich zurück und isolieren sich von der Gesellschaft

“Dramatisch wird es, wenn zu dieser Enttäuschung ein fehlender Rückhalt in der Familie oder im Freundeskreis hinzutritt.” Perspektivlosigkeit und wachsende Beziehungslosigkeit führt zur Entfremdung von einer Gesellschaft, deren Teil man ursprünglich sein wollte. In dieser Situation gelingt es dann radikalen Kreisen, individuelle Erfahrungen einem anonymen Feind zuzuschreiben: “Die Enttäuschung, die Frustration, die Verbitterung des einzelnen wird so im schlechten Sinne nutzbar gemacht und gegen die Gesellschaft, gegen das Grundgesetz, gegen unsere Wertvorstellungen gerichtet.”

Den Schlüssel zur Vermeidung von gesellschaftlicher Entfremdung und Radikalisierung sieht Tayyar Kocak in staatlich organisierter religiöser Bildung für muslimische Kinder und Jugendliche, also ein islamischer Religionsunterricht: ” Wir müssen es möglich machen, dass Menschen, die ihre Wurzeln entweder im islamischen Glauben haben oder ihre Identität in selbigem suchen, nicht auf die falschen Versprechungen und vermeintlich klar verständlichen Botschaften in Webblogs oder auf Youtube-Kanälen hereinfallen.” Kocak ist davon überzeugt, dass der Islam – in rechter Weise verstanden – Werte vertrete, die ohne Schwierigkeiten mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar sind. Das Feld sollte nicht jenen überlassen werden, die im Namen des Islam “Menschenverachtung, Hass und Ablehnung” verbreiten.

“Muslimische Jugendliche haben eine andere Religion, aber keine andere Heimat.” Daher haben sie ein Interesse daran, ein Teil der Gesellschaft zu sein und ihre eigenen Erfahrungen in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen. Menschen unterschiedlicher Religion begegnen sich in Sachsen im Alltag eher kaum. Das führt zu verzerrten Wahrnehmungen. Missverständnissen und Intoleranz sollte so offensiv begegnet werden. Wichtig ist daher, Begegnungsmöglichkeiten zu schaffen. Dafür steht das Forum für interkulturellen Dialog (FID): “Das FID  bemüht sich, Austausch, Dialog und Zusammenarbeit aller Menschen, insbesondere Muslimen,  mit Institutionen und Einrichtungen der Gesamtgesellschaft zu fördern und entwickelt hierzu entsprechende Angebote.”

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