Tanner genießt gern. Er mag Licht, Lust und Leibspeisen - und heiße Waffeln. Und so nahm er einen Flyer mit, auf dem solch eine Waffel abgebildet war. Bei näherem Hinschauen ging es jedoch um ein interkulturelles Familiencafé, welches in der Nähe vom Anker auf der Georg-Schumann-Straße geboren werden möchte. Initiatorin ist Maike Steuer. Was, wieso und wie dies alles ins Laufen kommen soll erzählte sie ihm natürlich gerne.

Hallo Maike Steuer. Du möchtest in der Georg-Schumann-Straße ein interkulturelles Familiencafé eröffnen. Was genau soll das denn sein? Da müssen ja Ideen und Bilder in Deinem Kopf herumwuseln – reiche diese doch mal bitte an uns weiter.

Da hast du völlig Recht. Ich bin ein wandelndes Kino mit non-stop-Film im Kopf. Der läuft seit Anfang des Jahres, seit ich mich zu diesem Projekt entschlossen habe. Ich kenne dein Wohnzimmer nicht, aber ich wette, du findest es mega-gemütlich und hast kein Problem damit, einen verregneten Sonntagnachmittag komplett auf der Couch zu verbringen, oder? Dieses Gefühl möchte ich in meinem Café zum Leben erwecken.

Genau deshalb trage ich seit Monaten alte Holzmöbel und Geschirr zusammen, die mir liebe Menschen schenken, denn jedes dieser Geschenke hat eine Geschichte dabei und sorgt für eine gemütliche Atmosphäre, weil mit ihnen schon gelebt wurde. Ich möchte einen Ort schaffen, wo sich Menschen aus aller Welt auf ein Käffchen treffen können. Ob mit oder ohne Nachwuchs, ob aus Indien, Spanien oder einfach nur aus Gera spielt dabei keine Rolle. Wo es im wahrsten Sinne “Raum für Ideen” gibt und Kurse, die von internationaler Krabbelgruppe über Stricktreff, Vorlesenachmittag bis hin zu Salsakursen reichen oder was auch immer den Leuten einfällt. Der Name meines Babys “homeLE” drückt dieses “Zuhause-Gefühl” aus: Sich heimisch fühlen in Leipzig, ein bisschen weniger fremd in einer neuen Stadt. Ich weiß, wie das ist, wenn man immer wieder sozial bei Null anfangen muss.

Wie kommt es denn zu dieser Idee? Ich meine, ich weiß ja, dass Du viel gereist bist – das sind mittlerweile ja viele Menschen – trotzdem machen die nicht alle ein interkulturelles Familiencafé auf. Warum aber Du? Was war die Zündung für Dein Engagement?

So richtig gezündet hat´s Anfang des Jahres, denn das Bild, was sich mir von meinem Leben noch im Januar bot, war gar nicht meins: Elternzeit vorbei, der bis dahin gemachte Job ohne hübsche Aussicht und die Bewerbungsgespräche alle mit dem gleichen Ergebnis: Leider müssen wir ihnen mitteilen, tralala. Denn ich bin Mama und wollte Teilzeit arbeiten – gleich zwei Sachen, die für viele Chefs immer noch Undinge zu sein scheinen. Ok, dachte ich mir, wenn die mich nicht wollen, mach ich halt mein eigenes Ding. Klingt jetzt sehr naiv und spontan, aber genau so war´s. In dem Moment, als ich meine eigenen Zweifel ausgeräumt hatte und selbst davon überzeugt war, dass ich mich verselbständigen muss, um glücklich zu werden, nahm die Sache direkt Fahrt auf.

Kannst Du da bitte etwas genauer werden?

Schuld an meiner Idee mit dem interkulturellen Familiencafé und auch an der Wahl der Location waren vor allem Indien und mein Sohn. Ich habe insgesamt über zwei Jahre in Bangalore, Mumbai und Delhi gelebt. Eine sehr beeindruckende Zeit, die mich vieles gelehrt hat und mir in gewisser Weise auch das Rüstzeug mitgegeben hat für dieses Projekt. Einfach mal machen, statt alles zu zergrübeln, sich zurücklehnen statt durch die Decke zu gehen, aus nichts das Beste machen und ja, sich einfach mal trauen, auf seinen Bauch zu hören, das ist alles “indisch” gedacht und mittlerweile die Art, wie ich Dinge angehe.

Ja und mein Sohn ist mein größter Antrieb. Wer selber Kinder hat, weiß, welche Kräfte die in einem freisetzen. Ich möchte etwas Eigenes für uns aufbauen und ihm vorleben, dass man für seine Träume kämpfen muss, damit sie überhaupt wahr werden können. Ich habe eine große Abneigung gegen Menschen, die kreuzunglücklich nach dem Prinzip: “Ich würde ja gerne, aber…” leben, deshalb mache ich.

Wer soll denn Dein Angebot nutzen?

Ich möchte all die Menschen anziehen, die Bock auf (inter)kulturelles Miteinander haben. Die sich über neue Bekannte/Freunde freuen oder Neu-Leipzigern gern dabei helfen möchten, sich in dieser wunderbaren Stadt heimisch zu fühlen. Es gibt immer mehr sogenannte “Expats” in Leipzig – Menschen, die der Job an die Pleiße verschlägt und die meistens ihre Familien im Schlepptau haben. Auch die Zahl an Menschen, die ihre Heimat fluchtartig verlassen mussten, steigt. Ganz gleich der Grund: Ich freu mich auf alle!

Das Angebot im “homeLE” wird ein bisschen wie das Wetter: Immer anders und oft auch überraschend. Denn im “homeLE” ist ein ganzer Raum für Ideen jeglicher Art reserviert. Ob jetzt jemand seine Leidenschaft fürs Klöppeln weitergeben will, eine Selbsthilfegruppe für Schokoholics machen möchte oder hawaiijanischen Stammestanz in Leipzig etablieren will – die Tür steht offen!

Ich selbst hab mir Indien über das Salsatanzen erschlossen. Seit zehn Jahren laufe ich im Grundschritt und freu mich drauf, meine Gäste tänzerisch zu missionieren.

Du ziehst genau gegenüber vom Anker in die Georg-Schumann-Straße 206 – warum dorthin? Rein wirtschaftlich scheint mir dies eine schwierigere Ecke als wenn Du zum Beispiel im kulturell fein durchmischten Süden oder im aufbrausenden Osten Dein Café installieren würdest. Erzähl mal bitte.

Stimmt, so etwas auf der “Schumi” zu starten, klingt für viele erst einmal nach Himmelfahrtskommando, denn es ist wirklich nicht die hippste Ecke der Stadt. Das stört mich aber gar nicht. Im Gegenteil: Ich find´s “da draußen” viel spannender und vor allem kann ich mich so richtig schön ausbreiten, ohne jemand anderem auf die Füße zu treten. Während der Elternzeit habe ich in Gohlis-Süd gewohnt und fand´s immer sehr schade, dass es nirgends ein “richtiges” Cafe gibt. Ich mein: Hallo? Die “Schumi” ist über vier Kilometer lang, das kann doch nicht sein! Ja, es gibt ein paar Bäcker, ein wirklich nettes Eiscafé und so, aber eben nix, “cafe-iges”, so wie man das aus der City, der KarLi oder auf der Karl-Heine-Straße kennt.

Das stimmt, Maike, der Bedarf ist immens dort.

Ich glaub, das mit der “Schumi” und mir passt auch deshalb so gut, weil ich auch ein bisschen “komisch” gestrickt bin. Es war noch nie so mein Ding, einfach nur mitzulaufen oder nur deshalb etwas zu tun, weil das halt so ist. Auch nicht ganz unwichtig: Der Hauseigentümer mag, was ich da tue und unterstützt mein Projekt, das darf man nicht unterschätzen. Ich habe schon von einigen tollen Projekten gehört, die gescheitert sind, weil der Herr Hausbesitzer plötzlich andere Pläne hatte. Da nutzt einem dann auch die beste Lage nichts.

Und warum Crowdfunding? Und für was genau? Und was bekommen die Crowdtropfen zurück? Crowdfunding funktioniert ja mit einem Hin&Hergeben…

Ich möchte nicht nur einfach ein Café aufmachen und dann sagen: Ok, kommt vorbei oder lasst es, sondern wollte von Anfang an die Leute mit einbeziehen. Deshalb die Möbel-Sammlung und deshalb jetzt auch die Crowdfunding-Kampagne. Nüchtern betrachtet ist es schlicht ein Versuch, auf diesem Weg an eine größere Summe Geld zu kommen, die ich persönlich selbst nicht auf der hohen Kante liegen habe. Kaufen möchte ich davon das Herzstück eines jeden guten Cafés: Eine ausgewachsene Siebträgermaschine. Wem das nichts sagt: Das sind diese monströsen Geräte, die aussehen wie kleine Raumschiffe und köstlichsten Kaffee produzieren, wenn man sie zu bedienen weiß. Im Gegenzug hab ich mir ein paar nette Dinge ausgedacht. Ich bastele aus Kaffeebohnen zum Beispiel Ohrstecker, gebe privaten Salsaunterricht oder hänge mir für ein gewisses Sümmchen auch gern dein Foto bei mir im Café an die Wand.

Ich habe hier einen Flyer mit einem Waffelherz gefunden. Was steckt dahinter?

Die bewaffelten Flyer sind ein Versuch, die Kunde von meiner Crowdfunding-Kampagne auf charmante Weise auch in der realen Welt zu verbreiten. Ich persönlich finde die Dinger zum Anbeißen und hoffe, dass sie diesen Effekt auch auf andere Leipziger mit einem großen Herz für neue Cafés und guten Kaffee haben. Nicht jeder tummelt sich ja in den sozialen Netzwerken. Noch dazu ist es ein sehr lokales Projekt, das hier in dieser Stadt passieren soll. Heißt: Möglichst viele Leute müssen davon erfahren, denn nur wenn die gesamte Summe, die ich haben möchte, zusammenkommt, gehört die Kohle mir. Ansonsten ist alles futsch und ich muss stattdessen doch Krümelkaffee aus dem Glas anbieten.

Wir drücken Dir jedenfalls alle Daumen.

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