Da radelt der Tanner mit Gattin und Töchterchen doch gern mal am Wagner-Hain entlang und nimmt ein Stück Kuchen im ZierlichManierlich und erfreut sich an der Lockenpracht der Betreiberin. Das diese dann auch noch eine wirkliche Erfolgsautorin ist und gerade ihren neuen Roman bei C. Bertelsmann herausgebracht hat, bekam er erst mit, als der Verlag ihm das Buch zuschickte - und sein alter Busenfreund Elia van Scirouvsky meinte: Tanner, ich hab die Rebecca Maria Salentin auf dem durstigen Pegasus! Was für ein Dorf, dieses Leipzig - doch lest selber.

Hallo Rebecca Maria Salentin. Schön, dass ich Dich mal interviewen darf. Dein Verlag – der wirklich in der ersten Reihe mitspielende C. Bertelsmann Verlag – hat mir Deinen neuen 500-Seiten-Roman “Schuld war Elvis” zugesandt. An was war denn Elvis schuld?

Tja, der arme Elvis, der muss da wirklich ganz schön für was herhalten. Die Hauptfigur des Romans ist ja Hebron, ein Mädchen, in deren Familie so einiges schiefläuft. Nun ist man ständig versucht, jemandem die Schuld an diesem Unglück zu geben, und da liegt es ja jedem gerne nahe, den Eltern alles zuzuschieben. Nur haben die es selber nicht leicht – Meggy, Hebrons Mutter, hat immer Pech mit den Männern und Samuel, Hebrons Vater, wurde während der Flucht seiner jüdischen Eltern vor den Nazis in einem Wald geboren und litt unter der distanzierten Kälte seiner Erziehung.

Also ist man versucht, eine Generation weiterzugehen, mit dem Bedürfnis, jemandem die Schuld zu geben. Aber auch da merkt man schnell, dass Hebrons Großeltern im Grunde selber Gefangene ihres Schicksals sind. Und dann kommt der gute alte Elvis daher und beeindruckt Hebron so sehr, dass sie sich vom Fleck weg in ihn verliebt und nur seinetwegen zu lesen beginnt.

Im Handbuch Literaturlandschaft Sachsen (herausgegeben vom Sächsischen Literaturrat) habe ich gelesen, dass Du in Eschweiler geboren wurdest. Nun lebst Du ja hier in Leipzig. Wie kam das denn? Du bist ja weit vor dem Hype hergekommen. Also, der legendäre Artikel in der New York Times war’s wohl nicht.

Ich war schon immer eine Leseratte und habe mich ganze Nachmittage in der kleinen Buchhandlung meiner Heimatstadt in der Eifel rumgetrieben. Dort wurde ich über einen Klappentext auf das Deutsche Literaturinstitut Leipzig aufmerksam und wusste sofort: da will ich hin. Weil ich damals aber auch schon Mutter zweier Söhne war, wollte ich, dass sie sich erst in der neuen Umgebung einleben, bevor ich mit dem Studium beginne. Also bin ich 2003 erst nach Leipzig gezogen, bevor ich mich am DLL beworben habe. Und dann wurde ich dort nie angenommen….

Zwischenzeitlich habe ich mich aber so was von in diese Stadt verliebt, dass ich gar nicht mehr weg mag, zumal ich 2009 das Sommercafé ZierlichManierlich im Richard-Wagner-Hain eröffnet habe und mich somit richtig fest an Leipzig gebunden fühle.

Du veröffentlichst ja seit 10 Jahren Texte in Anthologien und eigenen Büchern. Dazu betreibst Du den wundervollen Zirkuswagen im WagnerHain – das ZierlichManierlich – dann hast Du noch Söhne (aufgrund Deines Alters noch nicht Ausgewachsene). Du machst Lesungen undundund … Wie organisierst Du Dich? Wie kommst Du zu Atem?

Nun sind meine Kinder ja schon ziemlich groß und selbständig und überragen mich um Haupteslänge. Tatsächlich fand ich den Alltag einfacher, als sie kleiner waren. Da hieß es immer, wenn die Lütten im Hort waren: Ab an den Schreibtisch und Romane vollschreiben. Jetzt teile ich mein Leben in eine Kaffee- und eine Schreibsaison. Von April bis Oktober lebe ich meinen Hang zu fröhlichen Schwätzchen im Wagner-Hain aus und von November bis März ziehe ich mich in mein stilles Schreibkämmerlein zurück. Ich kann mir ein Leben nicht mehr ohne das Eine oder das Andere vorstellen.

Am 1. Juni bist Du bei Elia van Scirouvsky in der Moritzbastei und liest auf dem durstigen Pegasus, Europas ältester monatlicher Lesebühne (seit 1975 – da warst Du noch nicht mal auf der Welt!). Was wirst Du denn da vortragen? Den ganzen Roman? Das würde ja eine recht lange Veranstaltung werden. Wie suchst Du aus? Worauf dürfen wir uns freuen?

Ich denke, ich werde ein paar lustige kleine Passagen raussuchen. Denn bei aller Tragik um Hebrons Lebensgeschichte ist “Schuld war Elivs” ein witziges, skurriles und groteskes Buch. Mir war es wichtig, dieser Geschichte, die ich seit zehn Jahren mit mir in Gedanken herumgetragen habe, die Schwere zu nehmen, indem ich alles überzogen und meiner Phantasie mehr als nur freien Lauf gelassen habe. Mir hat das Schreiben dieses Romans wahnsinnig viel Spaß gemacht, und das ist es, was ich mir für die Leser ebenso wünsche: einen Heidenspaß.

In Deiner Vita stand etwas von Auslandsaufenthalten in Nigeria, Kanada, Israel, Neuseeland, Polen, Russland etc. Huihuihui. Auch Frau Bendixen ist dauernd on the road. Muss man, wenn man heute Literatin sein möchte, alle Welt gesehen haben? Ich hab oft das Gefühl, dass dieses Dauerunterwegssein die Sicht auf die Geschichten aus der Nachbarschaft verstellt. Wie siehst Du das? Anders?

Ach, bei mir hat das ganz profane Gründe: erstens sind meine Eltern verschiedener Nationalität –  mein Vater ist Israeli – und zweitens sind viele Geschwister meiner Mutter in die weite Welt ausgewandert, und so kommt man bei uns schon allein durch Verwandtenbesuche ziemlich viel rum. Und dann bin ich ein Mensch, den gerne und oft das Reisefieber packt. Am meisten genieße ich am Reisen aber das Wissen bzw. die Gewissheit, danach wieder nach Leipzig zurückkommen zu können. Hier ist mein Zuhause. Und dann ist es so, dass aus der Distanz das Vertraute schärfere Konturen bekommt. Das mag paradox klingen, fühlt sich für mich aber sehr logisch an.

Wie fühlt sich das eigentlich an, wenn das eigene Buch in allen großen Buchhandlungen liegt? Kommst Du vor Stolz eigentlich noch zum Schlafen??

Um ehrlich zu sein, denke ich abends eher darüber nach, welchen Kuchen ich am nächsten Tag für mein Café backe. Rhabarber? Apfel? Oder doch lieber eine Erdbeertarte? Das sind doch die  wahrhaft wichtigen Entscheidungen des Lebens!

Wir wünschen Dir natürlich weiterhin einen beweglichen Geist und eine immer gut geölte Tastatur. Danke für Deine Antworten.

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