Bei eisiger Kälte informierten am Montagabend Bewohner der Zeltanlage am Deutschen Platz über die Zustände in ihrer Unterkunft. Security-Mitarbeiter und Polizisten sollen sich abfällig und einschüchternd geäußert haben. Für bessere Lebensbedingungen soll auch ein am Freitag veröffentlichtes Positionspapier Leipziger Asyl-Aktivisten sorgen.

Etwa 60 Menschen haben den Legida-freien Montagabend genutzt, um vor der Gemeinschaftsunterkunft in der Straße des 18. Oktober für bessere Lebensbedingungen von Geflüchteten zu demonstrieren. Einige der rund 400 Bewohner der Zeltanlage nahe der Deutschen Nationalbibliothek informierten die Anwesenden über die konkreten Bedingungen vor Ort und erhoben dabei schwerwiegende Vorwürfe.

Insbesondere die Mitarbeiter der zuständigen Security-Firma sollen sich wiederholt abfällig gegenüber den Asylsuchenden geäußert haben. Beschwerden über Missstände seien mit einem „Wenn es euch hier nicht gefällt, könnt ihr ja nach Hause zurückkehren“ beantwortet worden. Eine Unterstützerin der Zeltbewohner war eigenen Angaben zufolge vor einigen Tagen zu Besuch und machte die Geflüchteten auf Hilfsangebote in Leipzig aufmerksam. Im Anschluss an den Besuch sollen Security-Mitarbeiter den persönlichen Bereich eines Bewohners durchsucht und Flyer der Gruppe „Atari on Sunday“ an sich genommen haben. Diese besteht unter anderem aus geflohenen Menschen und setzt sich für deren Belange ein.

Auch der Polizei wird Fehlverhalten vorgeworfen. Beamte hätten die Geflüchteten vor einer Teilnahme an der Kundgebung gewarnt, mit dem Hinweis, dass sich mögliche Zwischenfälle negativ auf das Asylverfahren auswirken könnten. Aus Angst würden sich deshalb nur wenige Geflüchtete trauen, die Missstände zu schildern, erzählten diejenigen, die sich vor den Eingang zum Zeltlager getraut hatten. Ein ehemals hier eingesetzter Security-Mitarbeiter nahm zu einigen Vorwürfen Stellung und erklärte etwa das Verbot, verderbliche Lebensmittel mit in den persönlichen Bereich nehmen zu dürfen, mit negativen Erfahrungen in anderen Unterkünften. Auch werde stets der Notarzt gerufen, sollte entsprechender Bedarf bestehen.

Etwa 60 Personen sprachen und informierten sich über die Zustände im Zeltlager. Foto: René Loch
Etwa 60 Personen informierten sich und sprachen über die Zustände im Zeltlager. Foto: René Loch

Es ist nicht das erste Mal, dass in Leipzig lebende Geflüchtete die Unzufriedenheit mit ihrer Situation in die Öffentlichkeit tragen. Im vergangenen September errichteten hunderte Bewohner der mittlerweile nicht mehr für die Erstaufnahme genutzten Halle 4 der Neuen Messe ein Protestcamp auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Sie klagten unter anderem über nicht behandelte Krankheiten, zu wenig Essen, schlechte hygienische Bedingungen und die hohe Lautstärke in der riesigen Halle.

Die zuständige Landesdirektion reagierte, indem sie kurz darauf Journalisten zu einem Rundgang einlud. Einige der von den Geflüchteten und ihren Unterstützern erhobenen Vorwürfe konnten dabei entkräftet werden. Sie stellten sich vor allem als Missverständnisse aufgrund sprachlicher Barrieren dar. Andere, wie etwa der eingeschränkte Zugang zu Nahrungsmitteln oder der belastende Geräuschpegel, blieben bestehen. Ob und inwiefern der Zustand der Halle während des Presserundgangs den Bedingungen entsprach, die die Geflüchteten einige Tage zuvor zum Protest veranlasst hatten, ließ sich nicht nachprüfen

Nach einigen Wochen brachen sie ihre Zelte wieder ab. Zuvor hatten etwa 300 Personen in der Leipziger Innenstadt für die Einhaltung grundlegender Menschenrechte demonstriert.

Vor einigen Tagen meldete sich auch der „Initiativkreis: Menschen.Würdig“ mit einem Positionspapier zur Aufnahme und Unterbringung geflüchteter Menschen zu Wort. Darin kritisieren die Verfasser das derzeitige Asylrecht in Deutschland sowie rassistische Ansichten in der Bevölkerung, die häufig als „Kritik“ oder „Ängste“ verharmlost würden. „Insbesondere, weil es einem Großteil der Menschen in Deutschland finanziell gut geht, muss es selbstverständlich sein, dass alle Menschen, die Hilfe benötigen, hier ohne Vorbehalte willkommen sind,“ heißt es in dem Papier. Flucht sei weder eine Gefahr noch eine Belastung.

Konkret verlangt der Initiativkreis eine freie Einreise aller Menschen, unabhängig von den individuellen Fluchtgründen, sowie eine einschneidende Veränderung im Asylverfahren, das die Ankommenden in Deutschland durchlaufen müssen: „Wir fordern die Beweislast umzukehren, sodass in Zukunft der Staat einer Person nachweisen muss, dass ihr Fluchtgrund nicht legitim gewesen sei.“ Auch sogenannte „Wirtschaftsflüchtlinge“ würden aus „nicht minder schwerwiegenden Gründen ihre Heimat und ihre Familien verlassen und sich auf einen meist lebensgefährlichen Weg begeben“ wie jene, die vor Krieg, Folter und politischer Verfolgung fliehen.

Darüber hinaus sollten Geflüchtete ihren Wohnort selbst wählen können, sich frei in Deutschland bewegen dürfen und von Beginn an eine Arbeitserlaubnis erhalten. Aktuell werden sie nach einer festen Verteilquote den einzelnen Bundesländern zugewiesen, unterliegen dort einer „Residenzpflicht“ und dürfen erst nach einigen Monaten eine bezahlte Arbeit aufnehmen. Auch der Zugang zu medizinischer Versorgung und Bildung ist eingeschränkt.

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Überall das gleiche Bild. Wir hatten hier auch Fälle, wo nach Beschwerden einfach Hausverbote an die Helfer verteilt wurden und die Bedingungen für die Bewohner danach noch schlechter waren. Als Strafe sozusagen. Und die Storys aus den Nachbarstädten sind auch teilweise gruselig. Ist also kein Einzelfall.

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