Das selbsternannte Volk steht am Scheideweg. Nachdem der bisherige Orgachef von Legida in der Nacht auf Samstag seinen Rückzug vom Vereinsvorsitz erklärte, ist unklar, wer in Zukunft das Ruder in die Hand nehmen soll. Ein Kandidat wäre Szeneanwalt Arndt Hohnstädter.

Um 2:17 Uhr zündete Markus Johnke die Bombe: „Ich muss euch heute leider bekanntgeben, dass ich ab sofort nicht mehr der Vereinsvorstand von Legida sein kann“, erklärte der bisherige Orgachef in der Nacht auf Samstag auf seiner Facebookseite. Neben persönlichen und beruflichen Gründen führt Johnke dabei auch „politische und organisatorische Differenzen mit Pegida“ an. In Zukunft wolle er sich zurückziehen, bei Bedarf aber auch als „freier Unterstützer“ verschiedener Bewegungen zur Verfügung stehen. „Als Redner habe ich schon fest für den 7. Mai in Berlin zugesagt“, heißt es am Ende des Textes.

Jene Veranstaltung dürfte einer der Gründe für die Verwerfungen innerhalb der Pegida-Familie sein. Das Bündnis „Wir für Deutschland“ möchte an diesem Tag zum zweiten Mal gegen die Politik von Angela Merkel demonstrieren. An der ersten Kundgebung vor einer Woche hatten 3.000 Personen teilgenommen, darunter zahlreiche Neonazis, Hooligans und sogenannte Reichsbürger. Pegida hatte vor der Teilnahme an dieser Veranstaltung ausdrücklich gewarnt. Johnke hingegen war vor Ort und hatte auch auf seiner Facebookseite dafür mobilisiert. Seine Ankündigung stieß unter anderem bei Jörg Hoyer, dem Verantwortlichen für das ursprüngliche Legida-Programm, auf Kritik.

Johnke entspringt der Mahnwachenbewegung von 2014, die inhaltlich zahlreiche Anknüpfungspunkte für antisemitische und verschwörungstheoretische Positionen bot. Auf den Legida-Kundgebungen hetzte er dann nicht nur gegen Geflüchtete, sondern mahnte auch an, die angeblich wahren Verantwortlichen der Krise ins Visier zu nehmen: Seiner Ansicht nach sind das vor allem die USA und die Banken. Nach seiner Rückkehr von der Demo in Berlin bekräftigte er öffentlich seine Position, dass es „Eliten“ gäbe, die versuchen würden, Europa zu destabilisieren.

Im Kampf gegen diese „Eliten“ sucht Johnke offenbar ein breites Bündnis, das auch Neonazis mit einschließt. Auf seiner Facebookseite wechselte er nach seiner Abschiedsankündigung warme Worte mit Alexander Kurth, dem sächsischen Landesvorsitzenden der Partei „Die Rechte“. Bei Pegida sieht man Neonaziparteien und ihre Vertreter kritischer – aber nicht etwa wegen ihrer Inhalte, sondern weil es sich dabei angeblich um „Verfassungsschutzparteien“ handeln würde. Kurth arbeitet mittlerweile eng mit Silvio Rösler, Johnkes Vorgänger als Legida-Chef, zusammen. Somit scheint derzeit nicht einmal ausgeschlossen, dass Johnke und Rösler in Zukunft wieder gemeinsame Sache machen.

Das sehen auch die Verantwortlichen von „No Legida“ so. Auf ihrer Facebookseite schreiben sie: „Johnke sehnt sich nach mehr Einheit zwischen den völkisch-nationalistischen Bewegungen und will weiterhin Teil dessen sein. Er geht den Silvio-Rösler-Weg. Wir werden ihn also früher oder später woanders wiedersehen.“

Als möglicher Nachfolger von Johnke käme Anwalt Arndt Hohnstädter in Betracht. Dieser hielt sich bislang eher im Hintergrund, moderierte aber schon den vergangenen „Legida-Livetalk“. Johnke hatte sowohl dort als auch bei der letzten Legida-Demo gefehlt.

Die nächste Legida-Demo ist für den 4. April geplant. Ob es dabei bleibt und wer durch den Abend führen soll, scheint offen. Pegida hat sich zur Personalveränderung bei Legida noch nicht geäußert.

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