Drei Podiumsdiskussionen, 33 Workshops und 800 Teilnehmer – so lautet die Bilanz der Initiative „Welcome 2 Stay“, die am Wochenende in Leipzig zu einem Kongress zusammenkam. Den Abschluss bildete eine dreistündige Versammlung am Sonntagvormittag. Hier zogen die Teilnehmer ein Fazit und diskutierten darüber, wie es weitergehen soll. Eine Entscheidung ist bereits gefallen: Das nächste Treffen soll im September in Berlin stattfinden.

„Wir waren tatsächlich die Zusammenkunft der Solidarität und der Bewegungen.“ So lautet das grobe Fazit, das die Organisatoren des „Welcome 2 Stay“-Kongresses zum Auftakt der Abschlussversammlung am Sonntagvormittag zogen. Ziel war es, über das Wochenende in Leipzig zahlreiche Engagierte aus unterschiedlichen Willkommensbewegungen zusammenzubringen, zu vernetzen und gemeinsam mit ihnen eine Strategie gegen den Rechtsruck in der Gesellschaft zu erarbeiten. Etwa 800 Teilnehmer sollen es laut den Veranstaltern insgesamt gewesen sein. Noch am Samstag hatte man deren Zahl auf etwa 500 geschätzt.

Zu Beginn der finalen Runde präsentierten drei „Beobachterinnen“ zunächst ihre Erkenntnisse, die sie aus den 33 Workshops rund um die Themen Asyl, Flucht, Migration und Rassismus gezogen haben. Diskutiert wurde in den Seminaren etwa darüber, inwiefern die seit vergangenem Sommer andauernde Solidaritätswelle eine soziale Bewegung darstellt und welche Aktionsformen – von „seicht“ bis militant – geeignet und gerechtfertigt sind, um die Ziele durchzusetzen. Deutlich wurde dabei auch, dass die Arbeit mit Geflüchteten sowie deren Sichtbarmachung und -werdung erst am Anfang stehen. So berichtete eine der Beobachterinnen, dass ein von Geflüchteten organisierter Workshop fast ausschließlich von anderen Geflüchteten besucht wurde. Zudem sei der Anteil geflohener Menschen an der Gesamtbesucherzahl gering gewesen, insbesondere was Frauen betrifft.

Ein Geflüchteter aus dem Irak, der sich seit neun Monaten in Deutschland aufhält, brachte diese verhältnismäßig geringe Beteiligung in Zusammenhang mit eingeschränkten Möglichkeiten beim Spracherwerb. Er selbst hätte bislang – trotz Interesse – keinen Deutschkurs besuchen können. Er betonte: „Ohne Sprache und Integration können wir an solchen Kongressen gar nicht teilnehmen.“ Die meisten seiner Bekannten hätten vom „Welcome 2 Stay“-Wochenende vorab nichts gewusst.

Darüber hinaus wurde diskutiert, welchen Weg die selbsternannten „Bewegungen des Willkommens, der Solidarität, der Migration und des Antirassismus“ nun gemeinsam gehen können. Als konkreter nächster Schritt wurde ein Treffen am 4. September in Berlin angekündigt. Dies ließe sich gut mit einer Demonstration des Bündnisses „Aufstehen gegen Rassismus“ am Vortag verbinden. Voraussetzung sei jedoch, dass sich mehr Menschen in die Vorbereitung einbringen als dies beim zurückliegenden Wochenende der Fall gewesen sei. „Wenn wir es nicht machen, dann macht es niemand“ lautete einer der dabei vorgebrachten Sätze.

Während die Frage, ob sich die verschiedenen Willkommensinitiativen stärker vernetzen wollen, zunächst mit „Ja“ beantwortet scheint, bleibt die genaue Ziel- und Schwerpunktsetzung des neuen Bündnisses noch unklar. Eine Resolution oder ähnliches soll es zunächst nicht geben. Jedoch existiert bereits eine klare Forderung – die nach den gleichen Rechten für alle Menschen – und eine gemeinsame Erkenntnis: Gegner sind nicht bloß AfD, Pegida und andere völkische Rassisten, sondern auch die Asyl- und Migrationspolitik von Union, SPD und Grünen.

In Erinnerung dürfte vielen Zuhörern eine kurze, aber bedrückende Geschichte eines Teilnehmers bleiben, der vor einigen Monaten zu Gast auf einem antifaschistischen Kongress war. Dort hätte ein älterer Mann von seinen persönlichen Erfahrungen zur Zeit des Nationalsozialismus berichtet und konkrete Schritte für die nahe Zukunft gefordert. Solche seien jedoch nicht beschlossen worden. Anderthalb Monate später sei er gestorben, wohl in der Angst, dass der überwunden geglaubte Faschismus wieder erstarken könnte.

Dies zu verhindern, wird eine der großen Aufgaben sein, vor denen nicht nur die Besucher des „Welcome 2 Stay“-Kongresses in den kommenden Monaten und Jahren stehen. Wahrscheinlich schaffen die Bewegungen der Solidarität das nur gemeinsam.

In eigener Sache

Jetzt bis 8. Juli für 49,50 Euro im Jahr die L-IZ.de & die LEIPZIGER ZEITUNG zusammen abonnieren, Prämien, wie zB. T-Shirts von den „Hooligans Gegen Satzbau“, Schwarwels neues Karikaturenbuch & den Film „Leipzig von oben“ oder den Krimi „Trauma“ aus dem fhl Verlag abstauben. Einige Argumente, um Unterstützer von lokalem Journalismus zu werden, gibt es hier.

Überzeugt? Dann hier lang zu einem Abo …

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

René Loch über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar