Wie feiert man eigentlich eine Hängepartie? Eigentlich gar nicht. Man zuckt die Schultern und lässt die Stadt einfach weiterwursteln in ihrem Versuch, für eines der attraktivsten Gebäude der Stadt einen Investor zu finden. Und feiert einfach ein Doppeljubiläum fürs Leipziger Stadtbad: 100 Jahre Haus und 10 Jahre Förderverein. Denn ohne Herz gäb’s das Haus heute schon nicht mehr.

Deswegen lädt die Förderstiftung Stadtbad im September ein, das Doppelte zu feiern. Dass dann Bauarbeiter das imposante Gebäude blockieren könnten, ist nicht zu befürchten. Der seit zwei Jahren avisierte Investor ist weit und breit nicht in Sicht.

Am 14. Juli 1916 eröffnete das einst erste Wellenbad Europas seine Tore den Leipzigerinnen und Leipzigern und feiert damit in diesem Jahr sein 100-jähriges Jubiläum. Das wird zwar nun nicht am morgigen 14. Juli gefeiert. Die badenden Leipziger sind ja jetzt alle auf Mallorca oder an der Costa Cospuda. Aber im September, wenn alle wieder da sind, ist eine gute Gelegenheit, den 100. Geburtstag des Hauses zusammen zu feiern mit dem 10-jährigen der Förderstiftung Leipziger Stadtbad.

So lange kämpft die Stiftung schon um den Erhalt des Hauses, das 2004 seinen Betrieb einstellen musste.

Die Geschichte des Stadtbads

Das Leipziger Stadtbad wurde nach den Plänen vom damaligen Stadtbaurat Otto Wilhelm Scharenberg im Stil des Historismus erschaffen. Nach 10-jähriger Planungs- und Projektierungsphase sowie einer Bauzeit von knapp drei Jahren konnte es am 14. Juli 1916 feierlich eröffnet werden. Herren, Damen und Hunde –  so lautete 1916 die Rangfolge im neuen Hallenbad. Die Besonderheit des in erster Linie als Waschhaus konzipierten Denkmals war neben der Frauenschwimmhalle die große Männerschwimmhalle, in welcher bis in die 1920er Jahre allein den Herren die ein Meter hohen Wellen der Undosa-Wellenanlage Badevergnügen bereitete.

Historische Aufnahme der Männerschwimmhalle in den 20er Jahren. Foto: Förderstiftung Leipziger Stadtbad
Historische Aufnahme der Männerschwimmhalle in den 20er Jahren. Foto: Förderstiftung Leipziger Stadtbad

Das ehemalige Hundebad im Kellerbereich war ebenso ein Unikat des Gebäudes.

Das Stadtbad lockte auch mit einer Vielzahl von medizinisch-therapeutischen Angeboten, wie Wannen- und Schwitzbädern, orthopädischem Turnen, galvanischen und Vierzellenbädern oder Inhalationen. Eingerahmt von Arkadengängen konnte man sich in den Ruheräumen der Saunen erholen. Herzstück der Badeanstalt war die Damensauna im maurischen Stil, die heute unter Denkmalschutz steht. Prächtige Säulen und Bögen, filigrane Muster mit Goldverzierungen und dekorative Wandmosaiken versprühten ein orientalisches Flair aus 1001 Nacht.

Trotz umfangreicher Rekonstruktionsarbeiten in den 1980er Jahren, die unter anderem die orientalische Damensauna im neuen Glanz erstrahlen ließ, wurde die Bausubstanz in den letzten Jahren zunehmend maroder. Im Juli 2004 musste der Badebetrieb wegen des schlechten baulichen Zustands eingestellt werden.

Um einen weiteren Verfall des Gebäudes zu stoppen, gründete sich dann die Förderstiftung, die nicht nur Spenden zum Erhalt des Hauses einsammelte, sondern auch ein anspruchsvolles Veranstaltungsprogramm auf die Beine stellen konnte, das das vom Vergessenwerden bedrohte Haus im Bewusstsein der Leipziger wach hielt.

Förderstiftung und erste Sanierungsschritte

Seit 2006 kümmert sich die Förderstiftung Leipziger Stadtbad um die Sanierung und die Wiederbelebung des Traditionsbads. Die Förderstiftung Leipziger Stadtbad wurde im Jahr 2006 auf Initiative der Leipziger Wasserwerke als unselbstständige Stiftung gegründet. Im Dezember 2009 erfolgte die Umwandlung in eine selbstständige Stiftung. Ziel der gemeinnützigen Förderstiftung ist es, mittelfristig einen tragfähigen Ansatz zum Erhalt des Leipziger Stadtbades zu erarbeiten und Gelder für die Sanierung zu sammeln.

Ehemalige Männerschwimmhalle als Veranstaltungsort zur Weihnachts-Dinnershow „Aloha he!“ 2012: Foto: Westend Public Relation GmbH
Ehemalige Männerschwimmhalle als Veranstaltungsort zur Weihnachts-Dinnershow „Aloha he!“ 2012: Foto: Westend Public Relation GmbH

Erste Etappenschritte auf diesem langen Weg konnten durch Partner und Unterstützer bereits erreicht werden. Die partielle Wiedereröffnung des Stadtbades als Veranstaltungsort im Jahre 2008 war der erste Meilenstein. In den Jahren 2010 bis 2012 konnte durch die energetische Dachsanierung der Gewölbedecke für rund 2,25 Millionen Euro aus dem „Konjunkturpaket II“ die Zugänglichkeit für die Allgemeinheit sowie die Erweiterung der Veranstaltungslocation mit der Männerschwimmhalle erreicht werden. Darüber hinaus konnte die Stiftung 922.000 Euro an Sach- und Finanzspenden einsammeln. Insgesamt kann die Förderstiftung auf über 600 Veranstaltungen seit der Wiedereröffnung des Stadtbades als temporäre Veranstaltungslocation im Jahre 2008 zurückblicken.

„Wir sind glücklich, dass wir das Leipziger Stadtbad mit den zahlreichen Veranstaltungen und Events wiederbeleben konnten. Dabei haben wir erfolgreich gezeigt, dass das Stadtbad auch ohne Wasser einen Besuch wert ist“, sagt dazu der Vorstandsvorsitzende Dirk Thärichen. „Dem Wunsch vieler Leipzigerinnen und Leipziger folgend, wollen wir weiter daran arbeiten, das denkmalgeschützte Gebäude nicht nur langfristig zu erhalten, sondern auch in einer badähnlichen Nutzung der Öffentlichkeit wieder zugänglich zu machen. Dafür bedarf es einer engen Abstimmung mit der Stadt Leipzig als Eigentümer der Immobilie.“

Wo bleibt der Investor?

Mehrfach in den letzten Jahren bekam das Leipziger Liegenschaftsamt für seine Verkaufspolitik in Sachen Stadtbad Kritik. Es gibt zwar mittlerweile ein Betreiberkonzept der Firma Kannewischer, das dem Haus durchaus auch wieder ein vielseitiges Erholungs- und Rehaangebot zutraut. Aber trotzdem findet die Stadt keinen Investor, der die Sache schultern möchte.

Mike Demnig hatte im Herbst 2015 zuletzt eine offizielle Einwohneranfrage gestellt. In der Antwort gestand die Verwaltung dann zu, dass man noch immer keinen Investor gefunden hätte und „derzeit die weitere Vorgehensweise“ prüfe.

Stefan Kannewischer hatte 2013 ziemlich deutlich gemacht, dass man in diesem denkmalgeschützten Haus ohne weitere Fördermittel nicht einen Schritt weiterkommen würde. Die Förderstiftung ist sowieso mit im Boot und jeder Investor wäre wahrscheinlich gut beraten, Teile des Ensembles auch künftig für öffentliche Veranstaltungen bereitzuhalten. Die Schwierigkeiten fangen dann eher an, wenn man die alten kleinteiligen Raumstrukturen jenseits der beiden Schwimmhallen für neue Nutzungen anpassen will. Und selbst wenn man die durch das Kannewischer-Konzept vorgeschlagenen Nutzungen schafft, bedeutet das noch nicht, dass das Projekt schon bald Geld abwirft.

Die Anfrage von Mike Demnig.

In eigener Sache

Dein Leipzig. Deine Zeitung. Deine Entscheidung. Werde Unterstützer!
Viele gute Gründe gibt es hier.
Überzeugt? Dann hier lang zum Kombi-Abo „LZ & L-IZ.de“ für 59,50 EUR/Jahr

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar