Manchmal haben wir da ein paar Gastleser wie den Herrn G., der uns doch tatsächlich kraft seiner Fähigkeit, ein Lexikon zu lesen, fragt, welche Sanktion wir denn nun meinten, wenn wir von der Sanktionshauptstadt Leipzig schreiben. Aber Herr G. ist sichtlich so ein klassischer Neuzeit-Leser. Er kommt nicht über den ersten Absatz hinaus.

„Das meint Wikipedia“, meint Herr Carsten G. doch tatsächlich, ‚Eine Sanktion (frz.sanction; lat. sanctio, Heilung, Anerkennung, Bestätigung, Billigung, Strafandrohung‚ heiligen, durch Weihe unverbrüchlich festsetzen, gesetzlich bekräftigen, bei Strafe verbieten) dient dazu, Verbindlichkeit herzustellen. Der Begriff hat in verschiedenen Wissenschaften unterschiedliche Bedeutung.‘

Das schreiben Sie u.a.: ‚…die im Lauf der Jahre mit einer zunehmenden Zahl von Sanktionen konfrontiert wurden. Sanktionshauptstadt ist ja bekanntlich Leipzig. Und da über das eh schon knapp kalkulierte Lebensminimum sanktioniert wird, taucht natürlich die Frage auf: Wo holen sich die oft mehrfach Sanktionierten eigentlich das, was ihnen zum Leben dann fehlt…‘

Aber welche der oben aufgeführten, teils recht unterschiedlichen Bedeutungen sind von Ihnen gemeint…?“

Das ist das Pech von Leuten, die einfach nicht weiterlesen. Lexika sind ja deshalb Lexika, weil sie nicht nur alle möglichen Deutungen anführen, sondern auch im Einzelnen Verweise aufführen, wo es weitergeht. Siehe Wikipedia, wo man im selben Artikel auch den Hinweis findet: „Im Sozialrecht existieren Sanktionen in Form von Leistungskürzungen (z. B. Sperrzeit im Arbeitslosengeld, Sanktionen im Arbeitslosengeld II).“

Dass die nichts mit Heiligsprechung zu tun haben, dürfte sich eigentlich herumgesprochen haben.

Wie in Leipzig mit dieser Art sozialer Sanktion operiert wird, darüber haben wir schon ziemlich oft geschrieben. Dass es keine Heilungen, Anerkennungen oder Bestätigungen sind, wissen zumindest die Leute, die betroffen sind. Dass manchmal einer aus dem zehnjährigen Himmelsorbit wieder auf die Erde zurückkommt und sich so ganz offiziell dumm stellt, erstaunt schon. Wo waren Sie die ganze Zeit, Herr G.?

Natürlich kennen unsere Jobcenter keine positive Form der Sanktion. Außer dass die emsigen Normerfüller („Straße der Besten“) vielleicht intern besonders schöne Prämien dafür bekommen, wenn sie ihre Sanktionsquote übererfüllen. Angewendet werden ja nur negative Sanktionen. Wikipedia sagt dazu: Bestrafungen. Steht noch ein bisschen weiter unten. Wäre ja auch ein Unding, wenn Leute zum Jobcenter gehen und dort Trost, Rat und Hilfe bekämen. Wo kämen wir da hin?

Vielleicht zu einer Einrichtung, die Menschen tatsächlich hilft, aus ihrem Erwerbslosenschlamassel herauszukommen? Und zwar ehrlich, und nicht mit dieser scharfrichterlichen Selbstgerechtigkeit: „Wer nicht pariert, muss fühlen!“

Wir jedenfalls haben so etwas wie Mitgefühl mit den Menschen, denen man auch noch das kärgliche Sümmchen kürzt, mit dem sie über den Monat kommen müssen, ohne dass absehbar ist, dass der 99. Vorstellungstermin und das 102. Beratungsgespräch irgendetwas bringen. Aber Mitgefühl – das haben wir ja durch einige mächtig gewaltige Politiker jetzt lernen dürfen – ist eine Sache, die man wahlweise spendiert, manchmal auch nur tröpfeln lässt, ansonsten aber lieber schamvoll versteckt. Könnte ja jemand auf die Idee kommen, das für eine deutsche Tugend zu halten. Wo kämen wir da hin?

Richtig.

Und wenn Sie die Suchfunktion da oben rechts nicht so gern benutzen, weil das zu anstrengend ist, hab ich ihnen ein paar Artikel zum Thema unterm Text verlinkt. Vielleicht hilft’s ja.

Der angesprochene Artikel:

Mit Sanktionen und Crystal Meth haben die Einbruchszahlen mehr zu tun als mit einer ominösen Einbruchsmafia

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