Bereits im April wollte die Stadt über eine geplante Asylunterkunft in Meusdorf informieren. Damals musste die Veranstaltung wegen Überfüllung abgebrochen werden. Nun trafen Verwaltung und Bürger doch noch aufeinander. Nimmt man den Abend im „Pavillon der Hoffnung“ als Maßstab, drohen den Geflüchteten problematische Verhältnisse.

Informationsveranstaltungen zu geplanten Unterkünften für Geflüchtete sind für Sozialbürgermeister Thomas Fabian und Sozialamtsleiterin Martina Kador-Probst mittlerweile Routine. Schon dutzende Male erklärten sie interessierten, besorgten und teils auch hasserfüllten Bürgern, wie das deutsche Asylsystem funktioniert und welche Rahmenbedingungen für konkrete Vorhaben bestehen. Doch die Infoveranstaltung, die am Donnerstagabend im „Pavillon der Hoffnung“ auf der Alten Messe stattfand, hat eine hässliche Vorgeschichte.

Bereits im vergangenen Oktober ging auf Facebook eine Seite mit dem Titel „Meusdorf sagt Nein zum Asylantenheim“ online. Die Anzahl der Beiträge blieb jedoch bis heute überschaubar. Im Januar versuchten mehrere Personen, an der ehemaligen Schule in der Höltystraße 51 in Meusdorf einen selbstgebauten Sprengkörper zu zünden. Der Versuch, die geplante Asylunterkunft zu verhindern, scheiterte jedoch, weil der Sprengsatz nicht zündete. Da sich am selben Wochenende die Anschläge in Sachsen häuften, sprach Leipzigs Polizeipräsident Bernd Merbitz anschließend von einer „Pogromstimmung“.

Die am Donnerstagabend, 1. September, durchgeführte Infoveranstaltung sollte eigentlich schon im April in Probstheida stattfinden. Aus Platzgründen erhielten damals jedoch zahlreiche Personen keinen Zutritt. Weil nach Polizeiangaben eine größere Gruppe lautstark störte, brach die Stadtverwaltung zudem die Veranstaltung nach 20 Minuten ab.

Hass, Häme, Aggressionen und die soziale Frage

Im für mehrere hundert Personen ausgelegten „Pavillon der Hoffnung“ fanden hingegen alle Interessierten einen Platz – etwa 250 waren es an diesem Abend. Die Bezeichnung des Veranstaltungsortes stand jedoch im krassen Gegensatz zur Stimmung im Saal: Die war über weite Strecken hasserfüllt, hämisch und stellenweise sogar aggressiv.

Während Sozialbürgermeister Fabian noch in Ruhe über das Verteilungssystem in Deutschland, den Betreuungsschlüssel in Leipzig und das Patenprogramm des Flüchtlingsrates weitgehend ungestört informierte, hatte Sozialamtsleiterin Kador-Probst von Beginn an einen schweren Stand. Bereits die Ausführungen, dass über einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren etwa 220 Plätze in der Unterbringung vorgesehen seien, sorgten für zynisches Gelächter. Dieses setzte sich nahtlos fort, als sie über die Kosten sprach: einmalig 2,7 Millionen Euro für die Errichtung und jährlich 800.000 Euro für die Bewirtschaftung, inklusive Mitarbeitern.

Viele Anwesende beklagten sich immer wieder darüber, dass angeblich Geld für die Geflüchteten da sei, aber nicht für andere Bedürftige. Indirekt auch immer gemeint – die eigenen Bedürfnisse. Dem hatten Fabian und Kador-Probst wenig entgegenzusetzen, liegt die Verantwortung für prekäre Lebensverhältnisse doch größtenteils beim Bund. Neben sozialen Belangen spielten auch die angebliche Unterwerfung unter eine fremde Kultur und Entrechtung der Bevölkerung sowie ein fehlendes Bauschild an der geplanten Unterkunft eine Rolle.

Humanität als Auslaufmodell?

Als ein junger Mann es wagte, Partei für die Geflüchteten zu ergreifen, drohte die Situation kurzzeitig zu eskalieren. Er beklagte, wie über Menschen geredet werde, die aus Kriegsgebieten fliehen mussten – was höhnisches Gelächter zur Folge hatte – und stellte an die Adresse der Nörgler und Rassisten klar: „Ich schäme mich, dass ich gemeinsam mit Ihnen in Leipzig lebe.“ Daraufhin kam es zu Wortgefechten. Die anwesende Security musste sich in Stellung bringen. Letztlich blieb es aber bei verbalen Auseinandersetzungen und zahlreichen Buh-Rufen.

Im Vorfeld der Veranstaltung hatte das Bündnis „Refugees Welcome“ zu einer gemeinsamen Anreise aufgerufen: „Wir wollen bei den Infoveranstaltungen vor Ort sein, rassistischer Hetze entschlossen widersprechen und uns für einen solidarische Umgang mit Geflüchteten einsetzen.“ Vor Ort waren die Antirassisten jedoch deutlich in der Unterzahl – der Plan des Bündnisses muss daher als gescheitert betrachtet werden. Für die Geflüchteten, die ab Februar 2017 in Meusdorf leben sollen, verspricht der Abend wenig Gutes.

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Es gibt 2 Kommentare

Ich kann das ganze nicht verstehen! Wir sollten doch froh sein, dass wir in einem friedlichen Land ohne Krieg und Verfolgung leben. Menschen, die Hilfe benötigen, den muss auch geholfen werden. Natürlich müssen die Kriminellen, die auch darunter sind, bestraft und abgeschoben werden, denn wenn ich Hilfe brauche, so beiße ich nicht in die Hand, die mir hilft.

Das ist alles so ekelhaft. Was machen diese armen Menschen nur, wenn man ihnen irgendwann mal alle Feindbilder wegnimmt? Die ersticken doch an dem ganzen Hass.
Ich bin ehrlich dankbar, solchen Hass und Neid noch nie gefühlt zu haben, mit keinem einzigen von denen würd ich tauschen wollen. Was für ein erbärmliches Leben…

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