Wie nennt man das? Eine logische Klemme im Kopf? Oder einen blinden Fleck? Die Linksfraktion im Leipziger Stadtrat wollte eigentlich nur wissen, wie hoch der Anteil von Migranten in der Leipziger Stadtverwaltung, in den Eigenbetrieben und Beteiligungsbetrieben ist. Und es gibt darauf keine Antwort, weil das niemand amtlich registriert. Das Sächsische Datenschutzgesetz verbietet es.

So teilt es jetzt das Verwaltungsdezernat auf die Anfrage der Linken mit. „Gemäß § 37 Abs. 1 des Sächsischen Datenschutzgesetzes (SächsDSG) dürfen Daten von Beschäftigten nur erhoben, gespeichert und genutzt werden, soweit dies zur Eingehung, Durchführung, Beendigung oder Abwicklung des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses oder zur Durchführung organisatorischer, personeller und sozialer Maßnahmen erforderlich ist oder ein Gesetz, ein Tarifvertrag oder eine Dienstvereinbarung dies vorsieht“, heißt es da.

Bei der Einstellung zähle nur die Befähigung für den Job.

„Die Grundsätze für die Eingehung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses im Öffentlichen Dienst sind in der Bundesrepublik Deutschland verfassungsmäßig in Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes festgeschrieben. Danach richtet sich der Zugang allein nach der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung. Für die Eingehung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses ist ein eventueller Migrationshintergrund nicht von Belang und darf damit auch gemäß § 37 SächsDSG nicht erhoben und gespeichert werden.“

Der zitierte Absatz im Grundgesetz lautet: „Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.“

Nur: Was heißt das eigentlich für eine Stadt wie Leipzig, in der der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund an der Bevölkerung wächst? Sollte nicht jede kluge Verwaltung bemüht sein, diese Vielfalt auch in der eigenen Belegschaft sichtbar zu machen? Und zwar nicht als Alibi, sondern als bewusste Widerspiegelung der Stadtgesellschaft?

Man habe dazu keinen wirklichen Hebel, betont der Verwaltungsbürgermeister: „Hinsichtlich der Maßnahmen für mehr Bedienstete mit Migrationshintergrund, wird auf den unter Nr. 1 erläuterten verfassungsmäßig in Art. 33 Abs. 2 GG geschützten Grundsatz der Bestenauslese im Öffentlichen Dienst verwiesen. Das Anforderungsprofil einer Stelle entscheidet bei einer Ausschreibung, welche Qualifikation und Befähigung die/der potentielle Mitarbeiter/-in mitbringen muss. Bei Stellenausschreibungen für Stellen mit häufigem Kontakt mit Einwohner/-innen mit Migrationshintergrund werden in das Anforderungsprofil regelmäßig Fremdsprachenkenntnisse und interkulturelle Kompetenz bzw. interkulturelles Verständnis aufgenommen. Dies ist eine Möglichkeit innerhalb der verfassungsmäßig geschützten Grenzen, um Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund anzusprechen. Dies betrifft insbesondere Stellen im Ordnungsamt, im Amt für Jugend, Familie und Bildung und im Sozialamt.“

Aber das sind nur die Stellen, ohne die es gar nicht geht. Aber wie sieht es im normalen Verwaltungsdienst aus?

Eigentlich mau, stellt der Verwaltungsbürgermeister fest. Alle Kampagnen fruchten nichts. Augenscheinlich bewerben sich Leipziger mit Migrationshintergrund einfach nicht – auch nicht auf die Ausbildungsstellen.

Oder mit den Worten aus dem Verwaltungsdezernat: „Seit mehreren Jahren gibt es umfängliche Bestrebungen, um Auszubildende mit Migrationshintergrund für eine berufliche Ausbildung in der Stadtverwaltung zu gewinnen. Hierzu werden die Stadträtinnen und Stadträte regelmäßig in den Vorlagen zur beruflichen Ausbildung (zuletzt am 11.11.2015; VI-DS-01617) informiert.“

Ein Schwerpunkt „Werbung um Migranten“ kam da freilich nicht vor.

Aber trotzdem weiß man im Rathaus, dass die Vielfalt im Haus fehlt. Immer wieder werden Plakatkampagnen gestartet. Ohne Erfolg.

Das Verwaltungsdezernat: „Die Kampagne wurde in den Folgejahren fortgesetzt. Aufgrund der geringen Resonanz wurden die Maßnahmen in diesem Jahr intensiviert, weiterentwickelt und mit neuen Formaten ergänzt.“

Die Linksfraktion lag also gar nicht so falsch mit der Anfrage. Leipzig hat ein echtes Problem, Leipziger mit Migrationshintergrund zur Arbeit in der Verwaltung zu motivieren.

Was tun, fragte sich der Verwaltungsbürgermeister.

„Im Juni 2016 hat der Beigeordnete für Allgemeine Verwaltung 21 Migrantenvereine und -verbände erstmalig zu einem ‚Runden Tisch‘ eingeladen. Es fand ein Austausch dazu statt, wie es zukünftig noch besser gelingen kann, Migrantinnen und Migranten in die Stadt Leipzig und insbesondere auch in die Stadtverwaltung zu integrieren. Im Ergebnis sollen die Zusammenarbeit intensiviert und hierfür neue Formate entwickelt werden. Die Stadtverwaltung wird, so das Angebot, auch vor Ort in den Verbänden und Vereinen über die Möglichkeiten der beruflichen Ausbildung informieren. Es ist beabsichtigt den Dialog mit Eltern, der gemeinsam als hilfreich angesehen wird, und mit Schülern zu führen.“

Und man hat es auch dieses Jahr wieder mit einer Plakatkampagne versucht und in der 32. und 36. Kalenderwoche 2016 nochmals City-Light-Plakate an den Litfaßsäulen in der Innenstadt angebracht.

„Sie verdeutlichen, dass alle Nationalitäten willkommen sind“, meint das Dezernat.

Vier arme Hascherl stehen da und zeigen etwas krampfhaft auf den Betrachter. Fast hätte man den alten Slogan „Auch Du bist Leipziggg!“ erwartet. Stattdessen steht da: „Ausbildung bei der Stadt Leipzig. Leipzig braucht Vielfalt.“

Ehrlich?

Dröger geht es nicht. Wer solche Plakate entwirft, will nicht, dass sich irgendjemand für eine Ausbildung bei der Stadtverwaltung bewirbt. Das Plakat signalisiert genau das, was die Verwaltung auch sonst so über die Menschen da draußen denkt: „Für Spaß sind wir nicht zu haben. Wenn du wirklich nichts anderes findest, kannst du dich zur Not auch hier bewerben.“

Dass irgendetwas in einem Job bei der Stadt spannend, herausfordernd und attraktiv sein könnte, ist hier nicht zu sehen.

„Die von der Stadt Leipzig am 23. und 24. September 2016 stattfindende Ausbildungsbörse wird durch die Versendung von Flyern bei den verschiedenen Migrantenvereinen und den Schulen mit hohem Migrantenanteil beworben“, meint das Verwaltungsdezernat noch. „Zudem wurden Flyer mit Informationen zu den entsprechenden Ausbildungsberufen in die englische Sprache übersetzt, um für die Werbung von Migranten/-innen als Zielgruppe auch die Familien verstärkt ansprechen zu können. – Zukünftig sollen, neben der Verteilung der Informationen mittels Flyer etc., verstärkt Möglichkeiten der direkten Ansprache von Migranten/-innen, die aus verschiedenen Gründen die Stadt Leipzig kontaktieren, genutzt werden, um auf die Ausbildungsmöglichkeiten der Stadt Leipzig aufmerksam zu machen. Folgende Ämter sind aufgrund ihrer Aufgaben hierfür besonders prädestiniert: Ordnungsamt, Sozialamt, Standesamt, Amt für Jugend, Familie und Bildung, Bürgerämter, Referat für Migration und Integration.“

Vielleicht sollte Leipzigs Verwaltung einfach mal den Mumm haben, nicht alles bürokratisch richtig zu machen, sondern auch mal ausgelatschte Pfade zu verlassen. Warum lässt sie die Plakate für eine Werbekampagne nicht von jungen Leuten entwerfen, die noch wissen, wie es ist, jung zu sein? Die mit dieser banalen Wir-Mentalität nichts anfangen können, sondern noch davon träumen, sich selbst im Leben zu verwirklichen? Und die vor allem gar nicht wissen, was es in einer langweiligen Verwaltung alles für Jobs gibt.

Vielleicht ist das wirklich das Problem einer traditionsbedachten Verwaltung, dass sie nicht den Mut hat, die eigenen Büros mental zu verlassen.

Anfrage der Linksfraktion „Anteil von Migrantinnen und Migranten in der Stadtverwaltung, in den Eigenbetrieben und Beteiligungsunternehmen der Stadt Leipzig“.

Antwort des Verwaltungsdezernats.

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