Zum ersten Mal hat die Stadtverwaltung unter den in Leipzig lebenden Migranten eine ausführliche Befragung durchgeführt. Die am Dienstag im Rathaus vorgestellte Auswertung zeigt, dass sich die mehr als 500 Teilnehmer mehrheitlich in Leipzig wohlfühlen. Dennoch sind viele von ihnen nicht ganz zufrieden: Häufig wünschen sie sich vereinfachte Behördengänge, mehr Toleranz gegenüber Migranten und ein besseres Angebot an Arbeitsplätzen.

Migranten sind eine wachsende Gruppe in Leipzig. Betrug ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung vor einem Jahr noch zwölf Prozent, ist er mittlerweile auf 13 Prozent gestiegen. Dennoch wusste die Stadt bislang relativ wenig über ihre Ansichten, Probleme und Wünsche. Eine speziell auf sie zugeschnittene Befragung sollte dies ändern. Nun liegt die Auswertung vor.

„Die Ergebnisse sind ermutigend“, erklärt Kanwal Sethi, der Vorsitzende des Migrantenbeirats. Mehr als 80 Prozent der Befragten äußerten sich mit ihrer Lebenssituation zufrieden. Nur drei Prozent sind unzufrieden. Deutliche Unterschiede zeigen sich jedoch in den befragten Gruppen: Während unter den Westeuropäern und US-Amerikanern 91 Prozent zufrieden sind, liegt die Zufriedenheit bei Menschen aus Nordafrika und dem Nahen Osten lediglich bei 71 Prozent. In der Gesamtbevölkerung sind laut Kommunaler Bürgerumfrage 2015 knapp 79 Prozent der Leipziger mit ihrer Situation zufrieden.

Weitere Ergebnisse: Das Bildungsniveau der befragten Migranten liegt deutlich über dem Durchschnitt in ihren Herkunftsländern. Der Akademikeranteil beträgt 47 Prozent und ist damit fast doppelt so hoch wie in der Leipziger Gesamtbevölkerung. Allerdings verdienen Migranten im Schnitt deutlich weniger Geld: nur 863 Euro netto pro Monat.

Probleme zeigen sich häufig bei Behördengängen: Knapp 40 Prozent der Befragten klagen über Verständigungsschwierigkeiten und nur gut jedem Fünften der Betroffenen sei ein Dolmetscher angeboten worden. Institutionen wie Verkehrsbetriebe, Bürgeramt, Hochschulen, Stadtbibliothek und Jobcenter sind einem Großteil der Migranten bekannt. Flüchtlingsrat, Migrationsreferat oder das Antidiskriminierungsbüro Sachsen hingegen sind nur wenigen ein Begriff. Besonders diskriminiert fühlen sich Migranten bei der Arbeitssuche. Hier hätten bereits 29 Prozent mindestens einmal eine Benachteiligung wegen Merkmalen wie Herkunft, Aussehen, Sprache oder Namen erfahren. Städtische Behörden, Schulen und Universität haben bei den Diskriminierungserfahrungen ähnliche Werte.

Dementsprechend wünschen sich viele Migranten mehr Toleranz ihnen gegenüber, aber auch vereinfachte Behördengänge, ein besseres Angebot an Arbeitsplätzen, mehr Sicherheit und Verbesserungen in der Infrastruktur.

„Die Migrantenbefragung hat gezeigt, dass wir es mit einer heterogenen Gruppe zu tun haben“, erklärt Sethi. „Bislang gab es oft ein eindimensionales Bild. Das hat dazu beigetragen, Ängste zu schüren.“ Ruth Schmidt, die Leiterin des Amtes für Statistik und Wahlen, ist ebenfalls zufrieden: „Wir haben jetzt ein gutes Wissen für weiteres Handeln.“

Die Stadt hat die Befragung im vergangenen Frühjahr bei 548 Personen durchgeführt. Die Ergebnisse sind nicht repräsentativ.

Die Migrantenbefragung 2016 zum Download

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