Am Mittwoch, 14. Oktober, veröffentlichte die Barmer GEK den "Gesundheitsreport 2014" für Sachsen. Mit einigen doch alarmierenden Erkenntnissen zur sächsischen Arbeitswelt, die die Beschäftigten heute vor allem psychisch unter Druck bringt. Bei rund 30 Prozent aller Erwerbspersonen wird, laut "Barmer GEK Report 2014", mindestens einmal im Jahr eine psychische Erkrankung diagnostiziert.

Depressionen gehören zu den häufigsten und hinsichtlich ihrer Schwere am meisten unterschätzten Erkrankungen. Jeder fünfte Bundesbürger erkrankt einmal im Leben an einer Depression. Insgesamt leiden in Deutschland derzeit ca. 4 Millionen Menschen an einer behandlungsbedürftigen Depression. Neben der gedrückten Grundstimmung leiden depressive Menschen in der Regel an einem verminderten Antrieb. Betroffene haben die Fähigkeit verloren, Freude zu empfinden. Hinzu können außerdem Konzentrationsstörungen, Schuld- und Minderwertigkeitsgefühle, Schlafstörungen oder Appetitmangel kommen.

Die Ergebnisse des gestern vorgestellten Gesundheitsreports der Krankenkasse Barmer GEK sind alarmierend: Jeder vierte Berufstätige im Freistaat Sachsen erleidet im Laufe seines Berufslebens eine psychische Erkrankung. Sie sind die dritthäufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit und dauern pro Krankheitsfall im Schnitt 70 Tage.

Lediglich 6 Prozent der Arbeitnehmer werden aber tatsächlich aufgrund der Erkrankung arbeitsunfähig und nur 1 Prozent wurde im Krankenhaus behandelt. Betroffen sind merklich öfter Frauen als Männer, Ältere als Jüngere und Arbeitslose als Berufstätige. Mit rund 11 Prozent zählt die Diagnose Depression bei Erwerbstätigen zu den häufigsten psychischen Leiden.

Die Diagnose wird von den Arbeitgebern meist unterschätzt

Wenn die Betroffenen mit psychischen Erkrankungen krankgeschrieben werden, dann fallen sie durchschnittlich für 52 Tage aus, bei Depressionen sogar mehr als 70 Tage. Psychische Erkrankungen sind für fast 20 Prozent der bundesweiten Fehltage verantwortlich.

„Noch immer werden sie von Arbeitgebern unterschätzt. Nur wenige Firmen haben bereits Maßnahmen zur psychischen Gesundheit im Arbeitsalltag integriert“, sagt Paul Friedrich Loose, Landesgeschäftsführer der Barmer GEK in Sachsen und verweist auf die Umfrageergebnisse des regelmäßig seit 2008 von der Kasse durchgeführten Firmenkundenmonitors Gesundheit. In der Befragung 2014 schätzte die Mehrheit der Arbeitgeber den Anteil von psychischen Erkrankungen, gemessen an allen Fehlzeiten im Unternehmen kleiner 10 Prozent ein.

Der aktuelle „Barmer GEK Gesundheitsreport 2014“ stellt fest, dass Depressionen, als häufigste Diagnose unter den psychischen Erkrankungen, zu den längsten Ausfallzeiten führen. Bei rund 2 Prozent der Erwerbspersonen haben sie innerhalb eines Jahres zu durchschnittlich 71 Fehltagen geführt. „Depression ist eine ernstzunehmende, aber auch gut zu behandelnde Erkrankung. Arbeitergeber können einen wertvollen Beitrag im Umgang mit psychischen Erkrankungen leisten, indem sie Führungskräfte und Mitarbeiter für Depression sensibilisieren und Betroffene unterstützen, sich professionelle Hilfe zu suchen“, sagt Privatdozentin Dr. Christine Rummel-Kluge, Geschäftsführerin der Stiftung Deutsche Depressionshilfe.

Sachsen leicht unter dem Bundesdurchschnitt

In Sachsen wurden bei 28,1 Prozent der Erwerbsfähigen psychische Erkrankungen diagnostiziert. „Das sind erfreulicherweise weniger als im Bundesdurchschnitt, denn da waren es fast 30 Prozent“, sagt Loose. Die Diagnose Depressionen haben davon bundesweit rund 11 Prozent, in Sachsen jedoch nur 8,7 Prozent erhalten. Zwischen den einzelnen Kreisen im Land jedoch gibt es merkliche Unterschiede. So findet man in Leipzig (10,3 Prozent) und Bautzen (10,1 Prozent) sachsenweit die meisten an Depressionen erkrankten Arbeitnehmer/innen, dagegen im Vogtlandkreis (7,1 Prozent) und im Erzgebirge (7,3 Prozent) die wenigsten.

Am häufigsten wird eine psychische Störung im Alter zwischen 55 und 59 Jahren diagnostiziert. Altersübergreifend sind rund 23 Prozent der männlichen und fast 38 Prozent der weiblichen Erwerbspersonen betroffen. Auffällig ist, dass fast 21 Prozent der 16- bis unter 20-Jährigen ein psychisches Leiden aufweisen, und dass in dieser Altersgruppe auch die meisten Krankenhausbehandlungen aufgrund einer psychischen Störung erfasst werden. Bei den jungen Männern ist hierfür maßgeblich der Alkoholmissbrauch verantwortlich.

Am seltensten wird eine psychische Störung bei Erwerbspersonen aus technisch-naturwissenschaftlichen Berufen diagnostiziert (24,4 Prozent), am häufigsten (32,6 Prozent) bei Erwerbspersonen in Sozial- und Erziehungsberufen und Seelsorgern. Aus dieser Berufsgruppe leiden 13,2 Prozent explizit unter einer Depression, sie bekommen am häufigsten Psychopharmaka verordnet und befinden sich relativ häufig in therapeutischer Behandlung (4,5 Prozent).

Eine merklich höhere Diagnoserate als Berufstätige weisen Arbeitslosengeld-I-Empfänger auf, so die Barmer GEK. 41,7 Prozent haben eine psychische Störung, eine Depression wurde bei 20,7 Prozent diagnostiziert und 6 Prozent erhalten eine Therapie.

Die Grundlage der Studie: Das Göttinger Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (AQUA) hat im Auftrag der Barmer GEK die pseudonymisierten Daten aus dem Jahr 2013 von rund 3,6 Millionen Versicherten der Krankenkasse ausgewertet. Davon lebten rund 148.000 in Sachsen. Die Barmer GEK hat einen Versichertenanteil von rund 10 Prozent gemessen an der Gesamtbevölkerung Sachsen.

Grüne fordern menschenwürdige Arbeitskultur in Sachsen

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Des Themas angenommen hat sich die grüne Landtagsfraktion. Für die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grüne-Landtagsfraktion, Petra Zais, ist es höchste Zeit, dass sich die Politik dieses Themas annimmt: „Gute Arbeitsleistungen über die gesamte Dauer eines Erwerbslebens entstehen nur in einer menschenwürdigen Arbeitskultur. Arbeit unter erheblichem Druck, an der Grenze der Leistungsfähigkeit und unter der ständigen Angst um den Arbeitsplatz mache krank. Unternehmen und Staat müssen der gesundheitlichen Prävention und der menschengerechten Gestaltung des Arbeitsumfelds deutlich mehr Bedeutung zumessen als bisher.“

„Wir Grüne haben uns bereits im vergangenen Jahr für einen Aktionsplan ‘Stressfrei arbeiten in Sachsen’ eingesetzt und einen entsprechenden Antrag gestellt. Mit diesem Aktionsplan werden die gesetzlich vorgeschriebenen Aufgabenbereiche Arbeitsschutz und -sicherheit, Gesundheitsförderung, Sozialberatung sowie betriebliches Gesundheitsmanagement im Sinne eines Handlungskonzeptes miteinander verknüpft. Das Ziel ist die Reduzierung psychischer Erkrankungen durch Stress am Arbeitsplatz.“

„Leider wurde dieser Antrag von der damaligen CDU/FDP-Koalition abgelehnt. Die SPD hat das Anliegen hingegen stets unterstützt. Ich hoffe, dass sich daher jetzt eine stärkere Beachtung des Themas Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung im Koalitionsvertrag wiederfindet.“

Der Grünen-Antrag: „Stressfrei arbeiten in Sachsen“ (Drs. 5/11382): www.gruene-fraktion-sachsen.de/fileadmin/user_upload/Antraege/5_Drs_11382_1_1_3_.pdf

Quelle: Barmer GEK

Erfahrungsaustausch für Betroffene und Angehörige: www.diskussionsforum-depression.de

Für junge Leute: www.fideo.de

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