Irgendwie muss es doch herauszubekommen sein, dachte sich Susanne Schaper, Sprecherin für Sozial- und Gesundheitspolitik der Linksfraktion im sächsischen Landtag. Vor zwei Jahren wurde in Sachsen ganz offiziell und breit über den bestehenden oder auch nur drohenden Ärztemangel diskutiert. Dutzendweise schlossen 2010, 2011 und 2012 die Hausarztpraxen, wie 2013 eine Auskunft des Sozialministeriums ergab. Und wie sieht es heute aus?

Doch im Juli 2015 wich Sozialministerin Barbara Klepsch der Beantwortung einer solchen Fragestellung aus. Darüber, wie viele Hausarztpraxen ohne Nachfolger schließen würden, lägen der Staatsregierung keine Angaben vor. Und sie verwies die neugierige Abgeordnete der Linken auf deren eigene Anfrage aus dem Juni, in der sie nach den praktizierenden Ärzten in Sachsen gefragt hatte.

Das ist nicht unbedingt dasselbe. Denn am 31. Januar 2012 hatte die sächsische Landesregierung noch selbst gemeldet: “Im Freistaat Sachsen fehlen nach Informationen der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen bereits heute 356 Hausärzte. Insbesondere im ländlichen Bereich ist der Bedarf an ambulanter ärztlicher Versorgung nicht mehr im notwendigen Umfang gewährleistet.” Eine Feststellung, mit der die Landesregierung schon 2010 arbeiten musste. Damals gründete sie extra eine Arbeitsgruppe, die Maßnahmen gegen den drohenden Ärztemangel erarbeiten sollte. 20 solcher Maßnahmen hatte die Arbeitsgruppe 2012 herausgearbeitet, ein Teil davon floss 2012 in das Versorgungsstrukturgesetz ein.

Aber die Warnung der damaligen Sozialministerin Christine Clauß steht bis heute im Raum: “Der Bedarf an niedergelassenen Ärzten im ländlichen Raum ist auf Grund der Altersstruktur der Ärzte größer als der potentielle Nachwuchs. Diese Besonderheit Ostdeutschlands hat nun auch den Westen Deutschlands eingeholt. Daher wird es immer schwieriger, medizinischen Nachwuchs für die Arbeit im ländlichen Raum zu gewinnen.”

Es wäre also nur zu verständlich, wenn die Staatsregierung auch ein Augenmerk auf die Hausarztpraxen im Land haben würde. Hat sie aber irgendwie nicht, jedenfalls hat sie – so Barbara Klepsch – keine Zahlen. Nur die zu praktizierenden Ärzten im Land, darunter auch den Hausärzten, aufgegliedert nach Kreisen und Kreisfreien Städten.

Danach gab es in Sachsen 2014 insgesamt 2.689 registrierte Hausärzte. Ob es auch niedergelassene Hausärzte waren, kann das Ministerium nicht verifizieren. Auf den ersten Blick sind es mehr als noch 2009, als die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) für Sachsen 2.626 Hausärzte registrierte. Wobei zu bemerken ist, dass die KBV damals für die meisten sächsischen Regionen eine Hausarztversorgung von 100 Prozent ermittelte. Im benachbarten Sachsen-Anhalt und in Brandenburg war die Lage deutlich verschärfter. Und das Problem der sächsischen Hausarztpraxen war vor allem die starke Überalterung der Ärzte, die oft auch noch nach ihrem 60. Lebensjahr weiterpraktizierten, einem Alter, in dem ihre Kollegen in Westdeutschland schon längst die Praxis übergeben hatten an einen Nachfolger.

Aber über alle diese Effekte gibt die reine Ärztestatistik natürlich keine Auskunft. Danach sieht es eher so aus, dass die Zahl der Hausärzte in Sachsen wieder zunimmt: 98 Abgängen standen im Jahr 2014 immerhin 108 Neuzugänge gegenüber. Leipzig hat mit 380 Hausärzten sogar eine bessere Ausstattung als die ähnlich große Landeshauptstadt Dresden mit 342. Und das Wort “Ärztemangel” ist in den Verlautbarungen der sächsischen Landesregierung in den vergangenen zwei Jahren erstaunlich selten geworden. Mögliche Erklärung: Junge Ärzte meiden den Freistaat nicht mehr, sondern sehen durchaus Chancen für eine gut laufende Praxis in einem Bundesland, in dem es nicht nur drei wachsende Großstädte gibt, sondern dessen Bevölkerung nun seit einem Jahr auch nicht mehr schrumpft, sondern wieder (leicht) wächst. Da drohen dann also auch die Patienten nicht verloren zu gehen, die man nun einmal braucht, wenn man eine Praxis unterhält.

Selbst die Landkreise Leipzig (182 Hausärzte, +4) und Nordsachsen (128 Hausärzte, +2) verzeichnen wieder Zuwachs bei den Hausärzten. Ob es auch einzelne Praxen sind, kann die Ministerin nicht sagen. Es könnten auch mehr Ärzte in Gemeinschaftspraxen sein. Das würde zwar die Versorgung in den ländlichen Räumen sichern, aber trotzdem weite Wege für die Patienten bedeuten.

Vielleicht muss sich Susanne Schaper nun doch ein paar andere Fragen ausdenken. Vielleicht findet sich dann jemand, der antworten kann.

Die jüngste Antwort von Sozialministerin Barbara Klepsch zum Thema.

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