Es gab nun schon mehrere Vorstöße der Grünen im Landtag, die sächsische Regierung für das Thema Glyphosat zu sensibilisieren. Doch die sitzt das Thema lieber aus, hat auch keine große Lust, die Landwirtschaft damit ernsthaft zu behelligen. Und flächendeckende Messungen gibt’s auch nicht. Jetzt haben die Grünen selbst ein paar Messungen beauftragt. Und siehe da: Das Pestizid ist auch in einem großen See bei Leipzig nachweisbar.

Wahrscheinlich hätten Messungen in allen sächsischen Fließgewässern und Badeseen ganz ähnliche Ergebnisse gezeitigt. Während jeder Vorstoß von Wissenschaftlern und Umweltschützern, die Gefährlichkeit von Glyphosat für die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu thematisieren, in einer breiten Front der Abwiegelei zerstaubte, haben die Nutzer des Pestizids einfach munter weitergemacht. Wahrscheinlich nach dem Motto: Solange es das Zeug noch zu kaufen gibt, kommt’s auf den Acker. Für Wolfram Günther,  umwelt- und landwirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, ein Spiel mit Gesundheit und Leben anderer Leute.

Jedenfalls kommt es fast überall vor, wo man gemessen hat. Und das betrifft auch Gewässer, die eigentlich zum Baden gedacht sind. Die Gedankenlosigkeit der einen wird zur Gefahr für alle anderen.

Die Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag hat jetzt ihre Studie zur Pestizidbelastung von Kleingewässern vorgelegt. In lediglich fünf der 17 beprobten Gewässer wurden laut der vom Umweltinstitut Leipzig e.V. durchgeführten Studie keine Funde über der Nachweisgrenze festgestellt. In sechs Gewässern wurden Einzelgrenzwerte überschritten.

In zwölf Gewässern und damit besonders häufig wurde zudem das umstrittene Pflanzengift Glyphosat sowie dessen Abbauprodukt AMPA nachgewiesen. Glyphosat wurde von der Krebsforschungsagentur der WHO (IARC) als „wahrscheinlich krebserregend“ für Menschen eingestuft. Seit dieser Einstufung feilschen die Politiker wieder darum, ob die Wortwahl vielleicht zu eindeutig ist. Immerhin geht es um die Interessen eines großen amerikanischen Konzerns, der mit dem Pestizid weltweit mehrere Milliarden Dollar jedes Jahr umsetzt.

2014 wurden in Deutschland über 100.000 t Pflanzenschutzmittel mit knapp 35.000 t Wirkstoffen eingesetzt. Dabei gab und gibt es immer wieder Diskussionen über die Auswirkungen auf die Flora und Fauna, die Biodiversität, die Abbaubarkeit und Anreicherung im Boden oder in der Nahrungskette der Menschen. (Der Weltmarkt für Pflanzenschutzmittel betrug im Jahr 2014 42,7 Milliarden Euro, in Deutschland 1,6 Milliarden Euro.)

Für die Studie der Grünen wurden 12 Gewässersysteme mit insgesamt 17 Einzelgewässern ausgewählt, die sich in den Regionen Leipzig, Mittelsachsen, Nordsachsen, Chemnitz, Dresden und der Lausitz befinden und damit über die gesamte Fläche des Freistaates Sachsen verteilt sind. Die Gewässer sind im Einzelfall entweder naturschutzfachlich besonders wertvoll oder dienen als offizielle Badegewässer der Nutzung durch den Menschen. Diese Gewässer wurden jeweils auf eine Liste von 12 in der konventionellen Landwirtschaft besonders häufig eingesetzte Pestizide bzw. deren Abbauprodukte geprüft: Glyphosat, AMPA, Terbuthylazin, Desetyhlterbutylazin, Metolachlor, Nicosulfuron, Prosulfuron, Tebuconazol, DEET (Diethyltoluamid), Terbutryn, Boscalid und Carbendazim.

„Die Ergebnisse der Studie lassen darauf schließen, dass eine Vielzahl sächsischer Kleingewässer mit Glyphosat bzw. dessen Abbauprodukt belastet ist“, zieht Wolfram Günther die Summe aus den Messergebnissen, die natürlich nur punktuell ein Bild vermitteln, wie es vor Ort aussieht. Aber die Fundorte lassen darauf schließen, wie sehr sich da Pestizid und seine Abbaustoffe schon in sächsischen Gewässern verteilt haben.

Mit vier verschiedenen Substanzen in einem Gewässer fällt das Probeergebnis des Dippelsdorfer Teiches bei Moritzburg (Lkr. Meißen) besonders negativ aus. In dem unter Naturschutz stehenden Badeteich wurden Rückstände von Glyphosat, AMPA, Terbuthylazin und Diethyltoluoamid gefunden.

„Zwar sind die gefundenen Konzentrationen im Einzelnen nicht hoch, doch welche Wirkungen die Kombination verschiedener Pestizide auf Gesundheit und Ökosystem haben, ist bisher noch nicht ausreichend erforscht worden. Diese Substanzen haben deshalb in Badegewässern nichts zu suchen“, fordert Günther. „Außerdem ärgert es mich maßlos, dass ein unter Schutz stehendes Gewässer durch Schadstoffeinträge aus der Landwirtschaft verunreinigt wird. Damit werden Vögel sowie Insekten und Amphibien geschädigt.“

Die höchste Glyphosat-Belastung wurde mit 0,66 μg/l im Schlossteich Königsfeld im Nordwesten des Landkreises Mittelsachsen nachgewiesen.

„Der Schwellenwert für Pflanzenschutzmittel und Biozidprodukte liegt laut Grundwasserverordnung bei 0,1 μg/l“, erläutert Günther. „Dieser Grenzwert wird im Schlossteich um mehr als das sechsfache überschritten.“

Die höchste Konzentration des Glyphosat-Abbauproduktes AMPA, welches ebenfalls menschliche Zellen schädigen kann, wurde mit 1,7 μg/l in der Großen Röder nahe Radeburg nachgewiesen.

„Wenn sich schon in einem Fließgewässer derart hohe Konzentrationen des Glyphosat-Abbauproduktes AMPA finden lassen, dann ist zu befürchten, dass die Konzentration in zahlreichen stehenden Gewässern noch höher ist“, schlussfolgert der Abgeordnete. Das Gebiet gehört zur Moritzburger Kleinkuppenlandschaft, die mit der Zugehörigkeit zum Landschaftsschutzgebiet „Friedewald und Moritzburger Teichgebiet“, dem Landschaftsschutzgebiet „Moritzburger Kleinkuppenlandschaft“ und dem Landschaftsschutzgebiet „Wilschdorfer Sandhügelland“ zu einem großen Teil Schutzstatus besitzt.

„Die Moritzburger Kleinkuppenlandschaft ist von herausragender Bedeutung für den Naturschutz in Sachsen. Hier hat eine Flora und Fauna überlebt, die sonst in weiten Teilen Deutschlands verdrängt wurde. Insbesondere für zahlreiche Vogelarten ist das Gebiet ein wichtiger Rückzugsraum. Deshalb wurde es 2004 zum Vogelschutzgebiet erklärt. Um diese Rolle auch weiterhin erfüllen zu können, muss die Moritzburger Kleinkuppenlandschaft frei von Ackergiften bleiben“, fordert Günther. „Naturschutz auf der einen und intensive Landwirtschaft auf der anderen Seite vertragen sich nicht. Hier muss dringend etwas geschehen!“

Und dann schaut man sich die größte Fundstelle im Leipziger Südraum an. Das ist der Zwenkauer See, der eigentlich mal zum Bade- und Erholungssee werden soll. Zum Motorbootsee auch, wie man ja aus dem Kreis der Motorschiff-Kommunen hört, die so viele Motorboote genehmigen wollen, so lange die Wasserqualität nicht auffällig leidet. Dabei ist das Wasser schon jetzt beeinträchtigt. Zwei Messstellen hat das Umweltinstitut Leipzig untersucht. Während eine ohne Befund blieb, wurden an Messstelle 3 sowohl Grenzwertüberschreitungen für Glyphosat als auch für das Abbauprodukt Aminomethylphosphonsäure (AMPA) gefunden.

Da der See aber keinen natürlich Zufluss hat, steht natürlich die Frage, wo die Giftbelastung herkommt. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand in Seenähe Glyphosat eingesetzt hat – ob im Kleingarten oder zur Unkrautvernichtung auf Straßen und Wegen oder auf dem Feld – ist hoch. Wer auf der Website der Stadt Zwenkau das Wort Glyphosat sucht, bekommt null Treffer.

Als Konsequenz aus den Untersuchungen fordert der Grünen-Abgeordnete nun Umweltminister Thomas Schmidt (CDU) auf, Kleingewässer in der Agrarlandschaft regelmäßig und in repräsentativer Zahl auf Vorkommen wassergefährdender Stoffe untersuchen zu lassen.

„Zudem muss der Schutz der Kleingewässer vor Pestizideinträgen aus der Landwirtschaft verstärkt und die zunehmende Beeinträchtigung und Zerstörung der Kleingewässer gestoppt werden“, sagt Günther. „Die Kontrollen der Landwirtschaftsbetriebe bei der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln soll zudem verstärkt werden.“

Wirklich Zukunft hat aus seiner Sicht sowieso nur eine Landwirtschaft, die auf chemische Gifte verzichten kann. Günther: „Der Ökolandbau mit seinem Verzicht auf chemische Pflanzenschutzmittel verdient eine intensivere Förderung in Sachsen.“

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