Wenn Wirtschaftspolitik den Menschen zum reinen Kostenfaktor degradiert, dann entsteht eine Arbeitswelt, die Menschen kaputt macht. Nicht mehr so körperlich kaputt, wie das vor 100 Jahren die Norm war. Dafür leidet heute die Seele, weil Stress, Dauerbereitschaft und permanenter Leistungsdruck die aufs Effektive getrimmte Arbeitswelt dominieren. Die DAK meldet eigentlich Alarm.

Nicht zum ersten Mal. Denn die Erkrankungen durch steigende psychische Belastungen am Arbeitsplatz hat die Krankenkasse seit Jahren auf dem Kieker. Aber 2016 haben die Zahlen noch einmal die Werte der Vorjahre übertroffen. In Sachsen wohlgemerkt, dem Land, dem Alexander Krauß (CDU) so eine Art Boom der Wirtschaft attestiert – doch ein Großteil dieses Booms geht auf Knochen und Psyche der Beschäftigten. Selbst wenn die Jobs ein bisschen besser bezahlt werden als noch in den Hochzeiten der Billiglohnpolitik – den psychischen Belastungen angemessen werden sie meist nicht bezahlt.

Der Druck auf die Beschäftigten steigt weiter – trotz steigender Beschäftigungszahlen.

Klares Fazit für die DAK für das Jahr 2016: Noch nie gab es so viele Ausfalltage im Job wegen psychischer Erkrankungen: Mit rund 246 Fehltagen je 100 Versicherte waren Seelenleiden 2016 auf dem Höchststand. Die Zahl der Fehltage hat sich in den letzten 20 Jahren damit mehr als verdreifacht (1997: 77 Tage). Vor allem Frauen waren betroffen. Wegen keiner anderen Erkrankungsgruppe fehlten sie im vergangenen Jahr so lange am Arbeitsplatz. Was vor allem auf eines hindeutet: Dass gerade typische Frauenberufe derzeit massiv unter Spar- und Effizienzdruck stehen. Soziale Berufe zumeist – vom Lehramt bis zu den Pflegeberufen.

Das zeigt die aktuelle Analyse der DAK-Gesundheit zum Krankenstand 2016. Insgesamt meldeten sich Deutschlands Arbeitnehmer allerdings seltener krank. Der Gesamtkrankenstand sank von 4,1 auf 3,9 Prozent.

Psychische Erkrankungen hatten 2016 einen Anteil von 17 Prozent am Gesamtkrankenstand – ein Plus von einem Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Während die Fehltage mit rund 246 Tagen pro 100 Beschäftigte einen noch nie dagewesenen Höchststand erreichten, ging der Anteil der Betroffenen im Vergleich zum Vorjahr allerdings leicht zurück. Das heißt: Es fehlten zwar weniger Menschen aufgrund von psychischen Erkrankungen im Job, die einzelnen Krankheitsfälle dauerten aber länger an. Im Schnitt waren es 38 Tage (2015: 35 Tage).

Die meisten Fehltage entfielen auf Depressionen mit 114,4 je 100 Versicherte, gefolgt von Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen mit 45,5 Tagen. Burn-out stagnierte bei 4,3 Tagen. Die Diagnose hatte 2010 mit 10,2 Tagen je 100 Versicherte ihren Höchststand und wurden seither deutlich weniger festgestellt.

Beim Blick auf die Geschlechter wird deutlich: Bei Frauen wurden rund 60 Prozent mehr Fehltage wegen psychischer Erkrankungen diagnostiziert als bei Männern (311 zu 191 Ausfalltage je 100 Versicherte). Damit kamen bei Frauen seelische Leiden erstmals auf Platz eins, gefolgt von Muskel-Skelett-Erkrankungen mit 308 Fehltagen. Bei Männern lagen wie im Vorjahr die Muskel-Skelett-Erkrankungen mit 329 Fehltagen je 100 Versicherte an der Spitze.

Insgesamt ließen sich mehr als die Hälfte aller Fehltage 2016 auf drei Krankheitsarten zurückführen.

An erster Stelle standen Rückenleiden und andere Muskel-Skelett-Erkrankungen. Mehr als jeder fünfte Fehltag wurde damit begründet (22 Prozent). Danach folgten psychische Erkrankungen mit 17 Prozent Anteil am Gesamtkrankenstand (plus ein Prozent). Rund 15 Prozent gingen auf das Konto von Schnupfen und Co. Der Anteil von Krankheiten des Atmungssystems lag im Vergleich zum Vorjahr um rund zwei Prozentpunkte niedriger (2015: 16,6 Prozent), da es keine starke Erkältungswelle gab. Die Ausfalltage sanken hier sogar um 15 Prozent. Insgesamt dauerte eine Krankschreibung 2016 im Schnitt 12,9 Tage – 0,8 Tage länger als im Vorjahreszeitraum. Und: Der Anteil der Beschäftigten mit mindestens einer Krankmeldung war mit 45 Prozent so niedrig wie zuletzt vor zehn Jahren.

Schöne neue Arbeitswelt. Und unübersehbar ist das Beschäftigungswachstum in Ostdeutschland eines, das die Arbeitnehmer mit besonderen Belastungen konfrontiert. Auch das zeigt die Statistik.

Wie bereits 2015 war der Krankenstand in den östlichen Bundesländern höher als im Westen. Er lag bei 4,9 Prozent, im Westen bei 3,8 Prozent. Konkret bedeutet das: Im Osten wurden 28 Prozent mehr Ausfalltage dokumentiert als im Westen (Ost: 1.784 Fehltage pro 100 Versicherte/West: 1390 Fehltage pro 100 Versicherte).

Für die aktuelle Krankenstands-Analyse hat das Berliner IGES Institut die Daten von 2,6 Millionen erwerbstätigen DAK-Versicherten für das Jahr 2016 ausgewertet.

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