Cottbus ist für Fußballfans gewiss kein Traumziel. Ab Leipzig erreicht man die Universitätsstadt in der Lausitz binnen zwei Stunden mit der Regionalbahn. Ans Fernverkehrsnetz ist Chósebuz, wie die Stadt auf Sorbisch heißt, nicht angeschlossen. Es gibt auch in Brandenburg Ecken, die von der Politik vergessen scheinen. Die fahlen Fassaden, die Gästen in Bahnhofsnähe entgegenschlagen, gehören in keinen Touristenführer.

Das “Stadion der Freundschaft” erreicht man fußläufig in 20 Minuten. Etwa 500 Meter vor der Arena werden die Gäste durch die Polizei von den Einheimischen getrennt. Die Cottbuser präsentieren sich von der fanfreundlichen Seite. Rucksäcke und Gürteltaschen müssen draußen bleiben. Und die Security schaut den Besuchern sogar in die Schuhe. Das Catering lässt nichts zu wünschen übrig: Der FC Energie bietet seinen Gästen vier warme Speisen an. Vegetarier schauen in die Röhre. Die Stadionwurst schmeckt nicht wirklich doll. Oder sind die Leipziger durch ihre größere Nähe zur Thüringer Wurst-Quelle verwöhnt? Das Brötchen schaut traurig drein.

Was unterscheidet den Gästeblock von einem Gefängnis? – Man darf kommen und gehen wie man lustig ist. Der Blick aufs Spielfeld aber ist ob zahlreicher Gitter und Fangnetze stark beschränkt. Weil im Nachbarblock einige Kletterkünstler auf den Sitzen stehen, bekomme ich vom Strafraum-Geschehen vor der Tribüne kaum was mit. Macht aber nichts. Beim FC St. Pauli läuft diesmal eh nichts zusammen. Wollte der Vorstand diese Saison nicht um den Aufstieg mitspielen? Das Team wirkt so verplant wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen, verliert mit 0:2. Direkt nach Abpfiff geht’s im Eilschritt zum Bahnhof. Abhaken und Heeme fohrn.Szenenwechsel: Mit zwanzigminütiger Verspätung verlässt mein ICE den Leipziger Hauptbahnhof. Fahrtziel diesmal: Berlin. Nach halbstündigem Aufenthalt bringt mich die Bummelbahn nach Neustrelitz. Nach vier Stunden erreiche ich die mecklenburgische Fußball-Provinz. Wo sich Hase und Igel “Gute Nacht” sagen, mauserte sich binnen der letzten Jahre ein Kleinstadtverein zum Regionalligisten.

Am Bahnhof angekommen, von Fußball keine Spur. Doch: Zwei Polizisten halten wohl nach rot-weißen Fans Ausschau, erblicken aber nur ein paar Rucksacktouristen. Der Zirkus “Probst” gastiert in der Stadt. Eine Jugendherberge gibt’s wohl auch. Bis zur Müritz ist es nicht weit.

Der kürzeste Weg zum Liga-Neuling führt über einen Schotterweg, der sich an Schrebergärten und Tierpark vorbei durch den Wald schlängelt. Das Parkstadion entpuppt sich als Sportplatz mit Tribüne davor. Meterhohe Zäune stehen nur vor dem Gästeblock. Die Stimmung ist entspannt. Geschätzte 250 Fans haben aus der Messestadt den Weg nach Mecklenburg gefunden. Zwei Busse waren restlos ausgebucht. Einige Unentwegte fuhren mit Wochenendticket, andere nutzten die Gelegenheit zum Kurzurlaub.

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Die Gäste-Unterstützung für die reisenden Rasenballer fällt somit etwas mickrig aus. Auf der Tribüne kommen die Gesänge aus der Leipziger Ecke nur leise an. Die Gastgeber präsentieren sich von der fairsten Seite, verzichten sogar auf Anti-RB-Pöbeleien. Obwohl die Residenzstädter knapp mit 1:2 verlieren, sind die Gastgeber begeistert.

Leipziger und Neustrelitzer freuen sich nach Abpfiff gleichermaßen über ein gelungenes Fußballfest, das nur von einigen Regenschauern getrübt worden ist. Und die Wurst? Die schmeckt hier.

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