"Diese Riesenhallen und der gigantische Kühlschrank", erinnert sich Thomas-Pfarrerin Britta Taddiken an ihren Besuch in der Foodbank, einer Essensausgabe ähnlich den deutschen Tafeln, in Houston. Die Stadtverwaltung hatte zu der Reise in die Partnerstadt eingeladen. Seit dem Jahr 1999 werden sie angeboten. Taddiken hat sowohl an der einwöchigen Reise Ende November vergangenen Jahres teilgenommen als auch ein paar Tage zuvor an der Universität Val Paraiso im Bundesstaat Indiana verbracht. Von ihren Eindrücken berichtete sie im Rahmen des Gesprächsabends "Gott und die Welt", welcher jeden zweiten Montag im Monat stattfindet.

Taddiken zeigte eine Auswahl ihrer rund 6.000 geschossenen Fotos. Im Anschluss diskutierten die Teilnehmer. Einige von Ihnen waren ebenfalls mitgereist. “Wir konnten hinter die Kulissen schauen” resümiert einer von ihnen. Die Foodbank war ein bewegendes Erlebnis. “Sie versorgt rund 400.000 Menschen und die meisten davon sind nicht obdachlos”, erzählt Taddiken. In diesem Staat des absoluten Überflusses gibt es Menschen, die es nicht aus eigener Kraft schaffen und die Armut wird fast schon industrialisiert. “Wie könnte man in so einer Gesellschaft noch solidarischer werden?”, fragt Taddiken. Hartmut Keil gibt zu bedenken, dass sich die Sozialsysteme einzelner US-Staaten mitunter extrem unterscheiden. Der emeritierte Professor für Amerikanistik beschäftigt sich mit den Vereinigten Staaten seit er selbst Gastschüler dort war, in den 1960er Jahren. “Texas verfügt über ein relativ schwaches Sozialsystem, während man jene in Ohio, Michigan oder Wisconsin auf eine Stufe mit unseren europäischen Systemen stellen kann”, so Keil.

Die Reisegruppe besuchte in Houston auch das Opernhaus, eine jüdische Gemeinde, das Rathaus, die Küste bei Galveston am Golf von Mexiko, sowie die Rhys Universität. Dort gab der Thomanerchor zwei Konzerte. Taddiken zeigt Fotos von Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung, zusammen mit Houstons Bürgermeisterin Annise Parker und dem deutschen Generalkonsul in Houston, Klaus-Joch Gühlcke. “Annise Parker ist mit einer Frau verheiratet und macht in der Öffentlichkeit daraus keinen Hehl. Erstaunlich in so einen konservativen Staat”, findet Taddiken.
Beim Rathausbesuch sprach die Gruppe mit einer Stadträtin, die sie über die Zuwanderung nach Houstons aufklärte. Es werde wohl bald ganze Stadtteile geben, in denen nur Spanisch gesprochen wird, so die Ratsfrau. Alle Ratsmitglieder Houstons sind unabhängig, es gibt keinen Fraktionszwang. “Der Freiheitsgedanke ist sehr wichtig”, erklärt Teta Moehs, US-Generalkonsulin in Leipzig. Sie kam als Kind mit ihren Eltern von Deutschland in die USA. “Es herrschen dort gleiche Chancen für alle. Man ist sehr stolz darauf, durch eigenen Fleiß hochzukommen.” Mit dieser Einschätzung liegt sie nahe bei der von Ex-Thomaspfarrer Christian Wolff. “Die Reise hat mir gezeigt, dass es in den USA enorme soziale Unterschiede gibt, doch dass das System durchlässig ist. Man kann leichter wechseln. Hier in Deutschland scheint mir alles festgefügt zu sein.”

Positiv beeindruckt scheint die Reisegruppe von dem friedlichen Miteinander der Religionen zu sein. Die Rice Universität bietet Gebetsräume für die unterschiedlichsten Glaubensrichtungen an. “Die Universitätskirche in Val Paraiso ist eine der größten ihrer Art”, ergänzt Britta Taddiken. “Toleranz wird großgeschrieben”, meint dazu Teta Moehs. Und Hartmut Keil berichtet, wie er im Jahre 2006 in Houston Zeuge einer Feier vor dem Houstoner Rathaus wurde, bei dem das Ende des islamischen Fastenmonats Ramadan gefeiert wurde. “Der Imam zitierte aus der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und wechselte dabei zwischen Englisch und Arabisch hin und her. Und alle Stadträte waren dabei”, so Keil. Es entspricht so gar nicht dem Klischee vom tiefchristlichen US-Süden.
An anderer Stelle haben die Reisenden, “alle Klischees mitgenommen”, wie einer von ihnen sagt. “Wir waren untergebracht bei Familien aus der Mittelschicht. Es scheint, dass die Leute dort sehr reich werden können, doch sie geben auch etwas ab”, sagt er. Und schlägt den Bogen zurück zur Foodbank, die rein aus privaten Spenden finanziert wird. “Man sucht eher nach Lösungen im Kleinen als den Staat zu bemühen”, sagt US-Konsulin Moehs. Die Städtepartnerschaft zwischen Leipzig und Houston hält sie für sehr lebendig. “Das habe ich schon oft so erlebt.” Und die Reise hat sie darin bestärkt.

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