Fahrten nach Mecklenburg riechen immer nach Bade- oder Angelurlaub. Wer berichtet schon von den schönen Städten des Bundeslands? Dabei gibt es einige, die sogenannte touristische Höhepunkte sogar in den Schatten stellen. Unser Redakteur Marko Hofmann hat drei Städte besucht.

Das wäre geschafft. Es ist eine etwas andere Freude, die mich überkommt, als ich das Schloss Rheinsberg verlasse. Nicht die Freude, endlich über alles, was sich zwischen diesen Schlossmauern getan hat, im Bilde zu sein, sondern eher die Freude, endlich alle Räume gesehen zu haben und am Ende des Rundgangs zu sein. Um es kurz zu machen: Die Gemächer des Kronprinzen Friedrich, dem späteren Stolz preußischer Tradition und des Prinzen Heinrich von Hohenzollern wären die Reise nach Mecklenburg nicht wert gewesen. Es gibt kaum noch originale Ausstellungsstücke, die Räume entfalten – auch aufgrund der Umnutzung des Schlosses nach dem 2. Weltkrieg zu einem Sanatorium – kaum herrschaftliches Fluidum. Der Audioguide beschränkt sich auf detaillierte Angaben zu Lüstern, Putten und Deckengemälden. Die familiären Verbindungen zwischen dem Kronprinzen Friedrich, später der Große genannt, und Prinz Heinrich klärt er nicht auf. So ist es auch immer wieder die Begegnung mit Fremden, denn auch die Verbindungen zu den porträtierten Personen lässt der Audioguide im Dunkeln. Schade eigentlich.
Lohnenswerter ist da das Tucholsky-Literaturmuseum direkt im Nachbareingang und ebenfalls im Schloss untergebracht. In wenigen Räumen erfährt der Besucher fast alles über Kurt Tucholsky, Theobald Tiger, Kaspar Hauser oder auch Ignaz Wrobel. Die letzten drei sind allesamt Pseudonyme des umtriebigen Schriftstellers und kritischem Geist. Sein Charakter wird im Museum mit den Worten umschrieben: “Außen jüdisch und genialisch.” Ja, den Eindruck bekommt man recht schnell. Tucholskys Karriere wird anhand von Artefakten und wesentlichen biografischen Fakten umfassend nachgezeichnet, seine zum Großteil unglücklichen Liebschaften thematisiert. Über den Vitrinen Zitate des gebürtigen Berliners, der Rheinsberg mit seinem Buch “Rheinsberg. Ein Bilderbuch für Verliebte” ein literarisches Denkmal gesetzt hat. Sätze wie “Es kommt nicht darauf an, daß der Staat lebe – Es kommt darauf an, daß der Mensch lebe” liest man dort. Offenbar zeitlos treffend. Der erfrischende Aufenthalt im Tucholsky-Museum lässt die bezahlten 10 Euro für Kombikarte für Schloss und Tucholsky-Museum letztendlich annehmbar erscheinen. Den Spaziergang im weitläufigen Park gibt es kostenlos dazu inklusive Blick auf Wasser und Schloss.

Schloss Rheinsberg samt gemütlicher Stadt finden sich in jedem guten Reiseführer zu Mecklenburg. Aber wer fährt schon in Erwartung touristischer Sensationen nach Grabow nahe Ludwigslust? “Grabow kommt in Reiseführern viel zu kurz”, klagt auch die Inhaberin eines gemütlichen Wohncafés am Grabower Markt. Zwischen allerhand Wohn-Krimskrams für daheim kann man hier Platz nehmen und hausgemachten Kuchen zu moderaten Preisen verzehren. Zwei ältere Damen schnarchen derweil durch das wilde Laden-Ambiente. “Ich bin ursprünglich aus Düsseldorf und war mal zufällig in Grabow und sofort begeistert”, erzählt mir die Chefin. Kein Wunder: Die kompakte Innenstadt ist ein einziges Fachwerkhaus, der Großteil von ihnen saniert. Die Damen schwärmen: “In den letzten Jahren ist hier wirklich viel passiert.” Und so kann man gar nicht lange genug durch die engen Gassen Grabows spazieren gehen. Ein echter Geheimtipp. Die Autofahrt nach Grabow, nur um den Fabrikverkauf zu besuchen, würde sich übrigens nicht lohnen.
Das politische Zentrum Mecklenburgs liegt ganz im Nordwesten. Das Zentrum Schwerin ist gut in Schuss, beeindruckt den Erstbesucher mit seiner architektonischen Vielfalt. So hatte ich Schwerin ehrlich gesagt nicht erwartet: Fachwerk, Backsteingebäude wie der gotische Schweriner Dom, die spätklassizistischen Bauten in denen heute Landesministerien Mecklenburg-Vorpommerns residieren und natürlich das Schweriner Schloss im Stil des romantischen Historismus laden zu einem längeren Aufenthalt ein. Ein Aufenthalt, der nicht ohne einen Ladenbummel in der piekfeinen Fußgängerzone auskommen sollte. Einzig die Relikte der BUGA 2003 muten im Umfeld des Schlosses komisch an. Ein Betonplatz mit Bäumen, meterhohe Torbögen ins Nichts. Bertha Klingberg beobachtet diese Relikte, jeden Tag, jede Stunde, jede Sekunde. Sie, die über Dekaden Blumen auf dem Schweriner Markt verkauft hat. Die Blumenfrau wünschte sich, die BUGA noch erleben zu können, doch 2005 starb sie im Alter von 107 Jahren. In Eisen gegossen sitzt sie nun am Burgsee, den Blumenstrauß in der Hand. Allerdings beileibe nicht so bunt, wie ein Aufenthalt in Mecklenburg sein kann.

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