Letzte Woche dachte ich noch dran. Da war das kurz Thema im Stadtrat. Der "Leipziger Runde Tisch gegen Gewalt gegen Frauen und Mädchen" hatte im März eine Petition aufgesetzt und dem zuständigen Petitionsausschuss im Stadtrat übersandt: "Schluss mit sexistischer Werbung in Leipzig". Jawoll. Wär' ich Stadtrat, hätte ich sofort mit "Ja!" gestimmt. Oder besser mit: "Ja!!!! - Irgendwann hat man einfach die Nase voll von der öffentlichen Anmache.

Die Huren hat man aus der Innenstadt verbannt. Sperrbezirk nennt sich das. Früher war das Goldhahngässchen der Ort, an dem es die Herren anzwitscherte: “Brauchst du ein bisschen Trost, mein Lieber?” War ich zwar nicht dabei. Aber das muss ein bisschen dezenter abgelaufen sein als heute, wo sich jede und jeder prostituiert, auch wenn es nur um ein Handgeld geht.

Vielleicht werden sie auch gut bezahlt, die hübschen Damen, die sich da derzeit an den Leuchtsäulen räkeln, um Super-Push-up-BHs anzupreisen. Die sie noch umgebunden haben. Keine Frage. Aber wenn mich einer fragen würde, woran ich erkenne, dass es Weihnachten wird in Leipzig, dann würde ich sagen: wenn die Mädels auf den Plakatsäulen sich ausziehen und Unterwäsche für 9,95 Euro anpreisen. Dass sie es so muschebubu tun, wie in dieser Woche bei der Wäsche von Hennes & Mauritz, ist bislang eher die Ausnahme. Und vielleicht wird so mancher auch sagen ist doch gar nicht sexistisch.

Ach nee?

Nö. Dieser komische Fußballer aus England stand doch auch schon halbnackig da, um seine Unterwäsche anzupreisen.

Haben sie auch wieder recht.

Hauptanlass für die Petition im Stadtrat war ein Opernplakat von 2009, bei dem die sexuellen Anspielungen keine Anspielungen mehr waren, sondern derb und herabwürdigend. “Im Referat Gleichstellung wurden in den letzten Jahren verschiedene Beschwerden gegen frauenfeindliche Werbung bearbeitet, die meisten Beschwerdeschreiben richteten sich gegen die Plakatwerbung der Oper für die Carmen-Inszenierung im Jahr 2009”, heißt es dazu im Beschlussvorschlag der Stadtverwaltung, der übrigens in der Feststellung mündet: “Die Petition V/P 090/12 ‘Schluss mit sexistischer Werbung’ ist als erledigt anzusehen.” Man arbeite schon dran, der Ratsbeschluss dazu von 2003 werde “inhaltlich erweitert und erneut bestätigt”. Und dann kommen ein Haufen Erklärungen über Verantwortlichkeiten und Eingriffsmöglichkeiten der Stadt und das fehlende Gesetz auf Bundesebene, nach dem sexistische Werbung verboten werden könnte.

Vielleicht braucht’s auch nur ein bisschen Anstand? Wer glaubt denn eigentlich, dass sich in der Weihnachtszeit Unterwäsche am besten verkauft? Warum nicht Pudelmützen, Schals und Handschuhe? Bloß weil nackte Haut bei frostigen Temperaturen irgendwie seltsam wirkt und zum Hingucken animiert? – Aber jedes Jahr? Immer dieselbe Masche? Selbst die Mädchen ähneln sich. Niemals bekommt man so ein echtes übergewichtiges Mädchen aus Leipzig-Ost zu sehen – oder ein untergewichtiges aus Leipzig-West – blass wie der Morgennebel, gepierct und nicht blond, sondern fliederrot gefärbt die Haare.

Hinter jeder sexuellen Anmache steckt ja auch eine Lüge: Man will einem ein Produkt verkaufen, das man gar nicht sieht. Oder man braucht eine Lupe, umes zu sehen. Und das, was man sieht, bekommt man nicht. Die angedeutete Muschebubu-Stimmung auch nicht. Was ziemlich frustrierend sein kann. Und die ehrlichen Jungs unter uns stimmen mir da zu. Man hat, wenn man nur einmal durch die Stadt gehetzt ist, den Kopf voller falscher Bilder. Was nix mit Sandy oder Jacqueline zu tun hat, die sich hundert Mal bei so einem Model-Contest bewerben könnten – und sie würden nicht mal eingeladen. Einfach schon, weil sie nicht in das Süße-Mädchen-zum-Vernaschen-Raster passen. Sagen mir Heike und Gabi übrigens auch immer und gucken mich an, als wenn ich für all diese Backfisch-Plakate zuständig wäre.
Bin ich aber nicht.

Verwahre ich mich gegen.

Aber wie wehrt man sich gegen die Anmache? Wissen die jungen Dinger, wenn sie sich zur Foto-Session räkeln, dass sie Millionen Männer in der Welt bei trüben Sichtbedingungen und 9 Grad auf der Straße anmachen? Sich hinbrezeln, als wären sie zu haben oder als sollten die Jungs besser bei Nacht wiederkommen, um das Plakat zu klauen?

Wie nennt man das? – Ist das schon öffentliche Anmache? Oder nur das Vorspiegeln falscher Tatsachen? Wie bei der Bierwerbung und den aufgetunten Bildern auf der Wurstsalatpackung im Laden, wo seit dem letzten Gerichtsbeschluss fein brav der Hinweis steht: “Serviervorschlag”. Der Wurstsalat ist zwar drin, aber nach Radieschen und Petersilie kann man lange suchen.

Wäre natürlich ein bisschen komisch, auf die Leuchtplakate mit den hingehauchten Mädchen nun zu drucken “Serviervorschlag”. Das wäre dann wirklich sexistisch. Aber sind diese Plakate nicht genau so gemeint? – Ich nenne das für mich “sexistische Anmache auf die verhüllte Art”. Sie tun’s, aber keiner soll sagen dürfen, dass sie’s tun.

Vielleicht wäre ein anderer Warnhinweis noch besser: “Ohne Konservierungsstoffe”.

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Die Mädels wissen, dass es zutrifft. Und die Jungs auch. Die Zeit, in der man so lecker aussieht, dass man keine Konservierungsstoffe braucht, ist wirklich kurz. Dann, wenn der vorher immer fleißig versprochene “Ernst des Lebens” anfängt, sieht das alles ganz schnell ganz anders aus. Die Jungs bekommen Schwimmringe und graue Haare. Und die Mädels bekommen Lachfältchen und rote Haare. Oder auch mal schwarze oder lila, wenn die Mischung nicht richtig war.

Aber solche Mädchen seh’ ich nie auf den Plakatsäulen.

Immer nur Backfische.

Vielleicht hülfe auch dieser Aufdruck: “Vorsicht, Kleinteile. Nicht in Kinderhände. Nicht verschlucken.”

Sowas in der Art.

Sonst passiert’s euch wie mir, beim heutigen Schlamassel bei meiner Lieblingsbäckerin.

“Croissant oder Brötchen, Herr Leu?”

“Ein Backfischbaguette bitte …”

Och, das Plakat hat sie auch gesehen. Steht ja direkt vor ihrem Laden. Aber so sauer war sie auf mich noch nie.

Ratlos nu,

Euer Leo

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