Das geht ja mal gar nicht - die streiken! Schon wieder! Weil sie es können. Aber das auch noch am Wochenende und am 9. November!! Vielleicht das beste Datum überhaupt? Den ruf ich jetzt an und geig ihm die Meinung! Welche denn und von wem hast Du sie? Vielleicht fahr ich auch mal bei seiner Familie lang und dann setzt es was! Mal schauen, ob das der Stau nicht verhindert? Mit dem Auto natürlich oder im Fernbus! Ja, ja, zum Verschieben war keine Zeit und Telefone werden noch erfunden. Rauf und dran - hängt den Mann!

Knüppel aus dem Sack, jetzt, wo ich nicht zur Arbeit eilen kann! Beeindruckend, dass viele mit beruflichen Verpflichtungen argumentieren. Also bitte, wer wegen eines Bahnstreiks entlassen wird, war schon draußen oder hat statt eines Chefs ein Arschloch.

Na? Heute auch BILD, Focus und die anderen Hetzblätter gelesen? Stand ja viel drin: So sieht das Klingelschild und die Bude von dem Weselsky aus und so lautet seine Telefonnummer. Gab ja hübsche Bilder – böser, böser Weselsky. Guter Bahnchef, so vernünftig die alte S21-Grubenlampe. Und wie freundlich der Personalchef der Bahn wirkte. Schon so richtig drin im Stakkato gegen den vielleicht ersten effektiven Streik seit Jahrzehnten?

Hat’s funktioniert mit dem Sauersein, dem Hass und dem rasenden Wut-Quicki im Netz gegen einen Mann, der seine Gewerkschafts-Birne für tausende Angestellte und einen einstimmigen Beschluss zum Streik hinhält? Besonders spannend wird’s ja immer, wenn sich dafür unqualifizierte Henri-Nannen-Absolventen in Küchenpsychologie versuchen. “Wer ist dieser Mann? Wie tickt er? Warum spricht der eigentlich “ostdeutsch”?”

Weil er es kann. Und Ihr nicht.

Vielleicht fragen sich einige ja am 9. November, wer schon die letzten Jahre bei der Presse immer so schön verkauft hat, das die Reichen reicher und die Armen ärmer wurden. Also nur, wenn zwischen zwei Schnappatmungen mal kurz genügend Sauerstoff im Hirn bleibt.

Und jetzt wird’s wirklich persönlich.

Streik ist immer dann, auch wenn es ums Überleben der effektiv wirksamen Gewerkschaft geht, wenn’s so richtig weh tut. Kennt der Deutsche nur gar nicht. Hier wird vorn am Tor gestreikt und hinten rammelt der Streikbrecher zur Tür herein, um endlich einen Job zu bekommen. Zur Not mit dem Pisseimer dabei, damit er lange bleiben kann. Hättet alle halt nicht so laut klatschen sollen, als aus Beamten Angestellte der Deutschen Bahn wurden und Ihr dachtet – Pensionen gespart, Geld gespart, haben die eben auch weniger – so wie wir halt! Gab’s nicht eigentlich mal diese “verantwortungsvolle Miteinander der Tarifpartner” oder waren das doch nur Nullrunden in den vergangenen 15 Jahren?

Mutti hat genau heute an diese Verantwortung appelliert. Wisster Bescheid oder?

Eigentlich passt alles: Mutti macht Euch wieder die Sorgsame, Gauck hat garantiert bald auch was Weitblickendes beizusteuern und Weselsky ist das Arschloch. Der politische Rest quirlt die schmutzige Begleitmelodie. Damit Ihr auch mal was zum Pöbeln habt. Seit 2010 noch ne sauber dressierte EVG-Gewerkschaft dazu, die immer Danke ruft, wenn’s in der kurzen Mittagspause einen Kaffee aufs Haus gibt und bestens ist der Arbeitsalltag. Am Ende des Jahres gibt es die üblichen 500 Millionen von der Bahn an den Staat. So sehen echte Profitcenter aus, alles für den Dackel, alles für den Club.

Die Welt bleibt schön aufgeräumt. Dafür sorgen die, welche Ihr so gern lest – denn jetzt wird zurückberichtet. Die Presse als Kämpfer für die Arbeitgeberseite und des Staatswillens, interessante Entblößung mal wieder. Nein – sie kämpfen natürlich für die Leser, die nichts anderes kennen, als ständig in Bewegung zu sein. Aber auch das bekommt Ihr nicht mehr mit. Weil Ihr gerade so in Eile seid.

Wenn der (Netz)Mob rast, gewinnen meist die, welche ihn zu steuern vermögen. Die Pfeile am Bahnhof sind seit dem 5. November gerichtet: Da ist der Feind! Hängt ihn auf!

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