Die Bundestagsabgeordneten haben seit Beginn der Legislaturperiode bis zu 21,4 Millionen Euro mit Nebentätigkeiten verdient. Das berichtet die Transparenzorganisation abgeordnetenwatch.de am Montag mit Bezug auf die Angaben der Volksvertreter auf der Parlamentshomepage.

Sieben Parlamentarier erhielten vergangenes Jahr mit ihrem Zweitjob sogar hĂśhere BruttoeinkĂźnfte als die Bundeskanzlerin, die 2014 auf BezĂźge in HĂśhe von 222.081 Euro kam:

+ Philipp Graf von und zu Lerchenfeld (CSU, Landwirt): EinkĂźnfte 2014: mind. 783.000 Euro / GesamteinkĂźnfte in dieser Legislaturperiode: mind. 1.148.000 Euro
+ Albert Stegemann (CDU, Landwirt) EinkĂźnfte 2014: mind. 301.000 Euro / GesamteinkĂźnfte: mind. 878.500 Euro
+ Johannes RĂśring (CDU, Landwirt): EinkĂźnfte 2014: mind. 575.000 Euro / GesamteinkĂźnfte: mind. 862.000 Euro
+ Stephan Harbarth (CDU, u.a. Vorstandsmitglied einer Wirtschaftskanzlei): EinkĂźnfte 2014: mind. 250.000 Euro / GesamteinkĂźnfte: mind. 650.000 Euro.
+ Hans-Georg von der Marwitz (CDU, Landwirt): EinkĂźnfte 2014: mind. 433.500 Euro / GesamteinkĂźnfte: mind. 587.500 Euro
+ Hans Michelbach (CSU, Geschäftsfßhrer): Einkßnfte 2014: mind. 250.000 Euro / Gesamteinkßnfte: mind. 500.000 Euro.
+ Dagmar WÜhrl (CSU, u.a. Aufsichtsrätin bei einem Versicherungskonzern): Einkßnfte 2014: mind. 252.000 Euro / Gesamteinkßnfte: mind. 432.000 Euro.

“Wenn Abgeordnete mit ihren Nebentätigkeiten mehr verdienen als die Bundeskanzlerin, läuft etwas gehĂśrig schief. Wir mĂźssen jetzt darĂźber diskutieren, ob NebeneinkĂźnfte nicht komplett verboten werden sollten”, so Gregor Hackmack, GeschäftsfĂźhrer von abgeordnetenwatch.de.

Nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de gaben 156 der 631 Bundestagsabgeordneten seit Beginn der Legislaturperiode Zusatzeinkommen an, also annähernd jeder vierte. Bei der CSU ist es sogar jeder zweite (26 von 56 Bundestagsabgeordneten). Eine Übersicht mit den Anteilen der Abgeordneten mit Nebeneinkünften nach Fraktionen unter: https://www.abgeordnetenwatch.de/sites/abgeordnetenwatch.de/files/blog/grafik_nebeneinkuenfte_fraktionen.png

Sicher nachweisen lässt sich durch die Angaben der Volksvertreter auf der Parlamentshomepage, dass sie in dieser Legislaturperiode NebeneinkĂźnfte in HĂśhe von 11,6 Mio. Euro kassiert haben. Dies ist allerdings nur die absolute Mindestsumme – tatsächlich kĂśnnen die Abgeordneten sogar bis zu 21,4 Mio. Euro eingestrichen haben.

Der Grund fĂźr die riesige Grauzone ist, dass Bundestagsabgeordnete nicht die tatsächliche HĂśhe eines Nebenverdienstes verĂśffentlichen sondern ihre EinkĂźnfte jeweils einer von zehn Stufen zuordnen mĂźssen. So steht “Stufe 3” beispielsweise fĂźr EinkĂźnfte zwischen 7.000 und 15.000 Euro. Die HĂśchststufe 10, in die EinkĂźnfte von mindestens 250.000 Euro fallen, ist nach oben hin offen. Ob ein Abgeordneter 250.001 Euro, 1 Million Euro oder sogar mehr erhielt, ist nicht ersichtlich. Seit der letzten Bundestagswahl haben fĂźnf Parlamentarier EinkĂźnfte dieser Stufe erhalten.

“Dass mehrere Millionen Euro im Dunkeln bleiben ist nicht hinnehmbar. Die Abgeordneten mĂźssen endlich sämtliche NebeneinkĂźnfte offenlegen, und zwar vom ersten Euro bis zum letzten Cent”, fordert Gregor Hackmack.

Die jetzigen Veröffentlichungsregeln haben noch weitere große Schlupflöcher, so dass der Graubereich an unbekannten Nebeneinkünften tatsächlich noch sehr viel größer ist als die von abgeordnetenwatch.de errechneten rund 10 Millionen Euro. Denn bestimmte Einkünfte müssen die Parlamentarier überhaupt nicht melden. Vollkommen im Dunkeln bleiben zum Beispiel alle Nebenverdienste eines Abgeordneten, die unterhalb von 1.000 Euro monatlich bzw. unterhalb von 10.000 Euro jährlich liegen. Rechtsanwälte brauchen ihre Honorare unter bestimmten Umständen gar nicht angeben, auch Gewinne aus der Unternehmensbeteiligung eines Abgeordneten tauchen nirgends auf.

Bei Freiberuflern wie Landwirten, Rechtsanwälten oder Unternehmensberatern ist außerdem nicht einmal bekannt, wer die Mandanten oder Geschäftspartner sind, von denen einige Politiker bis zu mehreren hunderttausend Euro erhalten. Im Juli 2014 hatte abgeordnetenwatch.de errechnet, dass Nebeneinkünfte von mindestens 2,1 Mio. Euro aus anonymen Quellen stammen: https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/nebeneinkunfte-abgeordnete-kassieren-mehrere-millionen-euro-aus-unbekannten-quellen

“Die Verschleierung von Geldgebern ist ein Einfallstor fĂźr Lobbyisten”, so abgeordnetenwatch.de-GeschäftsfĂźhrer Gregor Hackmack. “BĂźrgerinnen und BĂźrger mĂźssen in einer Demokratie wissen, von wem ihre Repräsentanten Geld kassieren.”

abgeordnetenwatch.de fordert Konsequenzen und hat deswegen die Petition “Verschleierung von NebeneinkĂźnften stoppen!” gestartet. Darin werden die Bundestagsabgeordneten aufgefordert, ein striktes Transparenzgesetz zu beschließen. Gefordert wird die Offenlegung aller NebeneinkĂźnfte auf Euro und Cent sowie die namentliche Nennung aller Geldgeber. Nur so lassen sich finanzielle Abhängigkeiten und mĂśgliche Interessenkonflikte offenlegen und kritisch hinterfragen. Bis Montagmorgen haben mehr als 8.800 Menschen die Petition gezeichnet: https://www.abgeordnetenwatch.de/petitionen/verschleierung-von-nebeneinkuenften-stoppen

Weitreichende Transparenzpflichten wie von abgeordnetenwatch.de gefordert gelten beispielsweise fßr die britischen Unterhausabgeordneten, die nicht nur die konkrete HÜhe sämtlicher Einkßnfte verÜffentlichen mßssen, sondern auch den zeitlichen Aufwand (in Stunden) (Beispiel: http://www.publications.parliament.uk/pa/cm/cmregmem/150713/abbott_diane.htm).

Bei den von den Bundestagsabgeordneten gemeldeten Nebeneinkßnften handelt es sich um Bruttozuflßsse, von denen Freiberufler wie die Landwirte u.U. Mitarbeitergehälter oder Maschinen bezahlen mßssen.

Eine Liste mit NebeneinkĂźnften aller Bundestagsabgeordneter und weitere HintergrĂźndeim abgeordnetenwatch.de-Rechercheblog unter: https://www.abgeordnetenwatch.de/nebeneinkuenfte2015

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