Im Jahr 1930 hielt John Maynard Keynes in Madrid eine Vorlesung unter dem Titel Wirtschaftliche Möglichkeiten für unsere Enkelkinder. Er prognostizierte darin die Entwicklung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse wie folgt: In hundert Jahren würde der Mensch dank des hohen technischen Fortschritts seine Arbeit auf eine Fünfzehn-Stunden-Woche beschränken und die verbleibende freie Zeit für die Entfaltung seiner Begabungen und Neigungen verwenden können.

Mit der persönlichen Veredelung ginge dann auch eine moralische einher, glaubte Keynes: Geldgier, Machtstreben und die Spaltung zwischen Arm und Reich gehörten dann der Vergangenheit an.

Noch sind die hundert  Jahre nicht um, aber schon die gegenwärtige Situation vieler Arbeitnehmer in Deutschland lässt kaum auf Keynes‘ Paradies hoffen: „Erwerbsarmut“ ist kein Widerspruch, sondern Tatbestand realer Beschäftigungsverhältnisse. Burnout reiht sich ein in die Liste der neuen Volkskrankheiten. Alle arbeiten immer mehr, qualifizieren sich immer höher, und dennoch scheint uns das Schreckensszenario des „Fachkräftemangels“ täglich bedrohlicher. Lebenslanges Lernen und Selbstoptimierung versprechen nicht mehr den Aufstieg, sie sichern lediglich das Erreichte. Doch die Arbeiterklasse erhebt sich nicht. Es gibt sie vielleicht gar nicht mehr. Und damit geht der Marx‘schen Theorie das revolutionäre Subjekt verloren.

Haben sich der große Ökonom Keynes und der brillante Philosoph Marx so grundlegend in den wirtschaftlichen Entwicklungen getäuscht – oder gar im Menschen? Das sind Fragen, denen die öffentliche Ringvorlesung im Studium generale an der HTWK Leipzig im kommenden Sommersemester nachgeht. 13 Veranstaltungen mit Referenten aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft betrachten das Thema unter ganz verschiedenen Aspekten. So spricht Stefan Brangs vom Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr am 18. Mai über „Gute Arbeit für Sachsen – Arbeit 4.0, Fachkräftesicherung, Arbeitsschutz und Sozialpartnerdialog“. Am 27. April geht es im Vortrag von Dr. Thomas Kirstein von der TU Berlin um „Die industrielle Revolution und ihre Auswirkungen auf Politik und Gesellschaft, und Elke Hannack vom DGB Bundesvorstand in Berlin beleuchtet am 6. Juli die „Zukunft der Gewerkschaften“, um  nur drei Beispiele zu nennen.

Dr. Martin Schubert, Leiter des Hochschulzentrums für überfachliche Bildung, der die Ringvorlesung organisiert: „Arbeit kann erfüllend sein, Arbeit kann aber auch krank machen. Burnout oder Mobbing können jeden von uns treffen. Uns interessiert, wie es zu dieser Entwicklung kam und wie wir gemeinsam die Zukunft ein Stück positiver gestalten können.“

Die Ringvorlesung ist eine Veranstaltung der HTWK Leipzig in Kooperation mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund, Bezirk Sachsen, Region Leipzig-Nordsachsen.

Die einzelnen Vorträge werden live im Internet übertragen: studium-generale-sachsen.de/htwk/live.php

Zeit: vom 6. April bis 6. Juli immer mittwochs, 17:15-18:45 Uhr

Ort: Hörsaal G 119 (Geutebrückbau), Karl-Liebknecht-Straße 132, 04277 Leipzig

Das detaillierte Programm und weitere Informationen unter htwk-leipzig.de/arbeit

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