Der systematische Betrug in der Pflege ist nach Ansicht des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac eine Folge der neoliberalen Gesundheitspolitik, die Gesundheit zur Ware macht. Ursache der Missstände sei ein grundsätzlicher Webfehler im System der Langzeitpflege. Notwendig sei ein Paradigmenwechsel weg vom Markt hin zu einer gemeinwohlorientierten Versorgung.

„Die Langzeitpflege ist mittlerweile der am stärksten marktwirtschaftlich ausgerichtete Sektor im deutschen Gesundheitswesen und zudem der mit der größten Ausgabendynamik. Das ist politisch gewollt“, sagte Manfred Fiedler von der bundesweiten Attac-Arbeitsgruppe Soziale Sicherungssysteme und lange Jahre Geschäftsführer eines Krankenhauses in Nordrhein-Westfalen. „Es ist Heuchelei, wenn sich diejenigen, die dieses System erfunden haben, nun hinstellen und ‚Skandal’ schreien. Wer auf den Markt setzt, muss sich nicht wundern, dass der funktioniert, wie er funktioniert.“

Auch wenn es den meisten Einrichtungen vornehmlich um eine gute Versorgung gehe, sei die gesetzlich gewollte Maxime in der Langzeitpflege eine möglichst hohe Rendite. Dies ziehe das Geschäftsmodell nach sich, kostenträchtige Leistungen zu reduzieren und gewinnträchtige zu maximieren – ungeachtet des Bedarfs. Dagmar Paternoga, ebenfalls Mitglied der Attac-AG Soziale Sicherungssysteme: „Das ‚Erfinden’ von Betreuten ist kriminell, unter Marktgesichtspunkten aber konsequent. Bessere Kontrollen werden das Problem nicht lösen, sondern nur dazu führen, dass dieselben Mechanismen besser verdeckt werden. Das ganze System ist unsinnig und für die Betreuten schädlich.“

Die systembedingten Probleme in der Langzeitpflege sind seit langem bekannt und in der Diskussion: mangelnde Transparenz im System, keinerlei regionale bedarfsorientierte Leistungsteuerung, eine Qualitätssicherung, die statt guter Pflege eine gute Dokumentation sichert, fehlende Regelungen zur Personalbesetzung und -qualifikation, das mangelhafte Zusammenwirken der unterschiedlichen Akteure, wie Kommunen, Pflegekassen, Pflegeeinrichtungen, aber auch der Träger der Rehabilitation und Prävention.

Passiert ist in diesen Fragen wenig. Regelungen zum Personal sind auf das nächste Jahrzehnt verschoben. Grundsätze zur Steuerung, Transparenz und Vernetzung in der Region sind zwar 2014 durch eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe formuliert worden. Eine gesetzliche Regelung ist aber kurzfristig nicht zu erwarten.

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