Der Leipziger Arbeitsmarkt hat derzeit einen großen Magen: Er nimmt, was er an Arbeitskräften bekommen kann. Auch für April 2015 meldet die Arbeitsagentur Leipzig sinkende Arbeitslosenzahlen. Und das, obwohl natürlich immer mehr Asylbewerber als Arbeitsuchende auf der Matte stehen. Die Zahl der Arbeitslosen sank im April von 27.517 auf 26.837. Damit liegt die Arbeitslosenquote bei 9,3 Prozent.

Der Blick ins Detail zeigt natürlich, wie sich der Arbeitsmarkt zusehends verändert. Denn besonders stark sinkt mittlerweile der Bestand an Arbeitsuchenden über 50 Jahre – im Februar waren es noch 8.313, im März 8.184 und jetzt im April 7.861. Ein deutliches Zeichen dafür, dass viele Unternehmen versuchen, ihr älteres Personal zu halten. Die Zeit, dass man gute Arbeitskräfte, bloß weil sie älter als 50 waren, einfach entließ und durch junge Leute ersetzte, sind auf diesem Arbeitsmarkt erst einmal vorbei. Dazu sind die erfahrenen Mitarbeiter zu wertvoll – und der Nachwuchs ist zu rar. Denn was an ausbildbarem Nachwuchs da ist, ist im Frühjahr jeden Jahres längst vom Markt gefegt.

Was noch da ist, ist ein fester Stamm von jungen Menschen mit diversen Ausbildungs- und Vermittlungshemmnissen. 2.337 im Februar, 2.318 im März, 2.311 im April. Die Zahl will scheinbar nicht abschmelzen, auch wenn sie natürlich nicht nur aus Schulabgängern der letzten Jahre besteht, die beim Schritt ins Berufsleben so ihre Schwierigkeiten haben. Mittlerweile steckt auch ein gehöriger Anteil junger Asylsuchender in der Zahl, was dazu geführt hat, dass die Zahl der Arbeitslosen zwischen 15 und 25 Jahren gegenüber April 2015 um 7,7 Prozent stieg.

Stärker, nämlich um 25,2 Prozent, stieg nur die Zahl der arbeitslos gemeldeten Ausländer, während die der hier geborenen Arbeitslosen gegenüber dem Vorjahresmonat um 10,9 Prozent deutlich sank.

Was natürlich auch heißt, dass die Leipziger Arbeitslosenzahl ohne die Zuwanderung im letzten Jahr auf rund 23.000 gesunken wäre. Was übrigens für Leipzig eine Arbeitslosenquote von 8 Prozent bedeutet hätte statt der 9,3 Prozent, die wiederum ein gutes Ergebnis sind, wenn man sie mit den 10,2 Prozent vom April 2015 vergleicht. Da bewegt sich also eine Menge und die wirtschaftliche Entwicklung ist zumindest so stabil, dass sie die Zuwanderung aus dem Inland problemlos aufnimmt und den demografischen Bruch in den Geburtenraten bis jetzt noch ganz gut abfedert. Eben auch durch die längere Beschäftigung älterer Arbeitnehmer.

Die eigentliche Aufgabe kommt jetzt natürlich erst: Gelingt es, auch die Zuwanderer aus dem Ausland fit zu machen fürs hiesige Erwerbsleben?

Dass das auf einen Großteil der im Jobcenter Leipzig Betreuten einfach nicht durchschlägt, hat natürlich damit zu tun, dass dort mittlerweile vor allem Menschen versammelt sind, die wirklich unter Vermittlungsbarrieren leiden. Daran ändern auch eine intensivere Betreuung und ein strenges Sanktionsregime nichts. Bislang haben sich nur ein paar Satiriker für die legendäre „Agenda 2010“ entschuldigt. Es wäre wirklich höchste Zeit, dass es die Genossen der SPD auch tun und sich endlich mit der Frage beschäftigen, warum diese Menschen eigentlich nicht vermittelbar sind – und welche Rolle dabei das Wegrationalisieren tausender geförderter Arbeitsplätze vor allem im gemeinnützigen Bereich spielt.

Darüber hat man seinerzeit auch nicht wirklich gründlich nachgedacht, als man Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe zusammenschmiss zum ALG II. Denn jede ehrliche Analyse zeigt, dass Menschen arbeiten wollen – auch weil Arbeit gesellschaftliche Kontakte, Teilhabe und Reputation gibt. Es ist ein Märchen, dass Menschen sich freiwillig in „soziale Hängematten“ begeben. Ein teures Märchen, denn mit dieser Aussonderung werden Menschen dauerhaft ausgegrenzt und entmutigt. Das Jobcenter-System ist nicht darauf angelegt, diese Barrieren abzubauen, denn es kennt nur das Ideal des jederzeit verfügbaren, flexiblen und mobilen Arbeitswilligen. Und noch gilt: Wer zu lange in Betreuung des Jobcenters bleibt, hat immer geringere Chancen, wieder ein selbstständiges Berufsleben aufnehmen zu können. Entsprechend hoch sind die Abgänge in die Nichterwerbstätigkeit wegen „Arbeitsunfähigkeit“ weiterhin.

Andererseits bleibt die Zahl der gemeldeten freien Stellen hoch: „Im Bezirk der Agentur für Arbeit Leipzig waren im April 5.275 Arbeitsstellen gemeldet, gegenüber März ist das ein Rückgang von 34. Im Vergleich zum Vorjahresmonat gab es 1.003 Stellen mehr. Arbeitgeber meldeten im April 2.041 neue Arbeitsstellen, das waren 218 mehr als vor einem Jahr. Seit Jahresbeginn sind 7.868 Stellen eingegangen, gegenüber dem Vorjahreszeitraum ist das ein Zuwachs von 1.268 oder 19 %. Im April wurden 2.056 Arbeitsstellen abgemeldet, 384 mehr als im Vorjahr. Von Januar bis April gab es insgesamt 7.346 Stellenabgänge, im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist das ein Zuwachs von 1.398 oder 24%.“

Doch bei aller Bewegung bedeutet das noch nicht, dass der Bestand an sogenannten Bedarfsgemeinschaften in Größenordnungen abschmilzt. Auch im April wurden noch 40.762 Bedarfsgemeinschaften gezählt, gerade 80 weniger als im März.

Die neuen Zahlen hat diesmal sogar der Präsident der Industrie- und Handelskammer zu Leipzig, Wolfgang Topf, kommentiert: „Die neuen Arbeitsmarktzahlen zeichnen ein erfreuliches Bild und belegen die positive wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Leipzig. Zuvorderst sind es die Leipziger Unternehmen, die durch ihren geschäftlichen Erfolg neue Arbeitsplätze geschaffen haben, von denen nun immer mehr Menschen aus Leipzig und dem Umland profitieren. Das Engagement aller Akteure für den Arbeitsmarkt bleibt dennoch wichtig. Immerhin gibt es noch über 26.000 arbeitslose Menschen in der Stadt Leipzig. Zudem prognostiziert unser IHK-Fachkräftemonitor Sachsen – unter anderem bedingt durch die demografische Entwicklung – eine Fachkräftelücke von ca. 7.000 qualifizierten Arbeitskräften für den IHK-Region Bezirk im Jahr 2020. Wir setzen deshalb auch weiterhin auf eine enge Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit Leipzig.“

Da kann man eigentlich nur einen alten Schlager zitieren: Doch jetzt sind es die Arbeitsvermittler, die wieder in die Hände spucken müssen …

 

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