Zumindest diese Furcht hat sich nicht bestätigt: Die Zahl der Zwangsräumungen in Sachsen ist 2015 nicht weiter gestiegen, nachdem sie in den Vorjahren Jahr um Jahr immer neue Rekordstände erreichte. Aber das Niveau ist trotzdem noch hoch und Leipzig steckt auch hier - wie bei allen Armutsthemen - mitten im Auge des Orkans.

Denn etwas anderes ist es ja nicht, wenn Menschen derart tief in Schuldenprobleme rutschen, dass sie ihre Miete nicht mehr bezahlen können und ihnen die Wohnung gekündigt und dann auch noch eine Zwangsräumung anberaumt wird. Da ist dann eine Menge falsch gelaufen – und nicht immer, weil sich die Betroffenen falsch verhalten haben. Gerade hier wird – neben Themen wie Stromabschaltungen oder Krankenkassenschulden – deutlich, wie tief die Prekarisierung weiter Bevölkerungsteile ins Gefüge einer Stadt eingreift und wie schwer sich der Sozialstaat tut, solche drastischen Folgen im Alltag der Bürger zu verhindern.

Sachsenweit ist die Zahl der Zwangsräumungen sogar leicht gesunken, wie jetzt die linke Landtagsabgeordnete Susanne Schaper auf Nachfrage im Sächsischen Landtag von der Landesregierung erfuhr.

Die Zahl sank von 3.919 Zwangsräumungen im Jahr 2014 auf 3.714 im Folgejahr. In Leipzig sank sie leicht, nachdem sie 2014 noch um 3,74 Prozent gestiegen war. Aber der Rückgang um vier Fälle in Leipzig ist eher minimal. Mit 1.022 Zwangsräumungen lag Leipzig 2015 meilenweit an der Spitze der Zwangsräumungen in Sachsen. Der nur minimale Rückgang deutet eher darauf hin, dass sich das Problem der zahlungsunfähigen Haushalte in der Messestadt eher manifestiert hat. Die Zahl wirkt auch deshalb besonders hoch, weil die Stadt mit ihrem Sozialamt eine ganze Hilfskette eingerichtet hat, um hier das Schlimmste zu verhindern.

Aber sie kann nichts daran ändern, wenn tausende Haushalte die notwendigen Einkünfte nicht erzielen, um auch nur die wichtigsten Standards in ihrem Leben absichern zu können.

In Dresden sank die Zahl der Zwangsräumungen im Vergleich sehr deutlich – von 848 auf 727. Was eigentlich beim anziehenden Arbeitsmarkt in Sachsen so auch erwartet werden durfte. Doch die Leipziger Zahlen zeigen, dass es eine ganze Schicht von prekär wirtschaftenden Haushalten gibt, die am leichten wirtschaftlichen Aufschwung keinen Anteil haben – die aber oft auch nicht mehr ausweichen können, wie das in der Vergangenheit bei einer hohen Leerstandsquote mit freien Wohnungsbeständen in allen Ortsteilen noch möglich war. Die Zahl preiswerter oder gar richtig billiger Wohnungen ist drastisch zurückgegangen. Die Statistik betont am Ende sogar, dass die „Armutshauptstadt“ bzw. Billiglöhner-Hauptstadt ein Problem hat, das tief in ihren Fundamenten sitzt.

Die Anfrage von Susanne Schaper zu den Zwangsräumungen in Sachsen. Drs. 4688

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