Eigentlich wollte der Luther-Melanchthon-Denkmal e. V. Leipzig von der Stadt nur die klare Zuweisung für einen Standort für das neue alte Luther-Melanchthon-Denkmal haben. Seit 2005 versucht der Verein, das im 2. Weltkrieg verlorengegangene Denkmal wieder in den Stadtraum zu bringen. Aber Leipzigs Stadtspitze will es nicht haben. Oder doch - aber mit möglichst großem Frust-Effekt für den Verein.

Und wie das immer öfter in letzter Zeit geschieht: Man packt die Entscheidungen, die man sich in der eigenensinnigen Stadtspitze ausgedacht hat, als Unterpunkt in irgendeinen großen Sammelbeschluss für den Leipziger Stadtrat. Und nur wer sich die Zeit nimmt, jeden Posten durchzugucken, merkt, dass hier wieder versucht wird, Politik durch den Seiteneingang zu machen.

Dass der Verein 300.000 Euro sammelt, um eine Replik des einst am Johannisplatz aufgestellten Denkmals gießen zu lassen, hat er mehrmals bekräftigt. Auch dass er von der Idee der Leipziger Stadtverwaltung, irgendeinen anderen Denkmalsentwurf zu verwirklichen, gar nichts hält. Diese Idee hat 2012 OBM Burkhard Jung versucht, dem Verein aufs Auge zu drücken.

„Nach einem ausführlichen und auch kontroversen Gespräch bei einem Meeting des RC Leipzig erhielten wir im April (!) einen Antwortbrief mit einer defacto Ablehnung: Alte Argumente Lutherehrung durch Rathausadresse Martin-Luther-Ring, Veränderung des Standortes am Johannisplatz, alte Formensprache entspricht nicht mehr unserem Lebensempfinden. Unsere wichtigen Begründungen für die Wiedererrichtung des Denkmals werden durch die Hinweise des OBM in keiner Weise entkräftet!!“, schrieb der Verein damals dazu.

Mit der Suche nach einem anderen geeigneten Standort hatte man nicht so große Schwierigkeiten.

Dass die Verwaltungsspitze auf Druck des Stadtrats dann zumindest zu einem Entgegenkommen bereit war, wurde dann am 19. März 2014 sichtbar, als der Beschluss zur Neuerrichtung des Denkmals gefasst wurde.

Aus dem zitiert jetzt das Kulturdezernat in einer Vorlage, in der man es eigentlich nicht vermutet: „500. Jahrestag des Beginns der Reformation“. Das Papier ähnelt in vielerlei Weise der dubiosen Vorlage für die Werbungskosten für das Jahr 2016, als man den Stadträten einfach mal eine Leibniz-Installation auf dem Johannisplatz unterjubelte, für die es nicht einmal eine Vorstellung noch irgendwelche beauftragten Künstler gab. Das Ding ist dann bei emsigen Nachfragen einfach in sich zusammengeklappt: Das Dezernat hatte eine Luftnummer produziert.

Schon damals tauchte die Frage auf: Wurde diese Installation nur deshalb in das Papier geschrieben, um endgültig dafür zu sorgen, dass das Luther-Melanchthon-Denkmal nicht (wieder) auf den Johannisplatz kommt?

Nun taucht es – wie erwähnt – in einer Vorlage auf, mit der dem LTM nun für 2017 Marketinggelder in Höhe von 390.000 Euro zugesprochen werden sollen. Diesmal sollen sich die Marketingprojekte alle um das Reformationsjubiläum drehen. Und siehe da: Das Denkmal steckt mit drin. Irgendwie.

„Die Stadt Leipzig begrüßt die Initiative des Vereins Luther-Melanchthon-Denkmal e.V., das 1943 vom NS-Regime zerstörte Luther-Melanchthon-Denkmal wiederzuerrichten, als Zeichen bürgerschaftlichen Engagements und als Chance, die Geschichte der Reformation in Leipzig sichtbarer zu machen. In diesem Sinne errichtet die Stadt ein Denkmal, finanziert durch den Verein, in geeigneter Form an einem geeigneten innerstädtischen Standort … Die Realisierung erfolgt bis zum Juni 2019, dem 500. Jahrestag von Luthers Disputation auf der Pleißenburg“, wird aus dem Ratsbeschluss vom März 2014 zitiert.

Aber gleichzeitig gibt das Kulturdezernat auch zu, dass man mit dem Denkmal-Verein bis heute keine Einigung gefunden hat: „Zur Umsetzung des Ratsbeschlusses haben mit dem Luther-Melanchthon-Denkmal e. V.  mehrere Gespräche auf der Ebene Beigeordneter für Kultur stattgefunden. Der Verein war zweimal zur Anhörung im Sachverständigenforum Kunst im öffentlichen  Raum. Der Dissens zwischen der Stadt Leipzig und dem Verein zur künstlerischen Ausführung des Denkmals und zum Standort konnte bisher nicht beigelegt werden.“

Dass die Stadtspitze immer weiter darauf beharrte, einen Wettbewerb für ein völlig anderes Denkmal in moderner Formensprache zu veranstalten, hatte Prof. Dr. med. Rolf Haupt, der Vorsitzende des Vereins Luther-Melanchthon-Denkmal e.V., im Dezember 2015 in einer Einwohneranfrage noch einmal thematisiert und betont, dass sich der Verein bewusst für die Wiederherstellung des von Johannes Schilling geschaffenen Luther-Melanchthon-Denkmals entschieden habe.

Aber irgendwie war das Zuhören nicht so recht Sache des Kulturbürgermeisters. Nun steht in der Vorlage zu lesen: „In der mündlichen Beantwortung einer Einwohneranfrage V-EF-02102 des Vereinsvorsitzenden Prof. Dr. med. Rolf Haupt vom 12.11.2015 in der Ratsversammlung am 16.12.2015 thematisierte der Bürgermeister für Kultur die unterschiedlichen Standpunkte und nahm noch einmal zu der vom Verein befürworteten Replik des verlorenen Originaldenkmals Stellung. Der Bürgermeister plädierte nachdrücklich für die Umsetzung eines zeitgenössischen Entwurfs und schätzte ein: ‚Die Umsetzung des Ratsbeschlusses, bis zum Juni 2019 ein Luther-Melanchthon-Denkmal zu errichten, scheint noch durchführbar.‘“

Aber wie will etwas durchführbar erscheinen, wenn der eigentliche Denkmalsinitiator von den luftigen Ideen der Verwaltung gar nichts hält? Haupt betonte seinerzeit: „Letztendlich will der Verein auch ein Zeichen setzen gegen die brutale Zerstörung von Kunstwerken für Kriegszwecke durch die Nazis. Die in der Anhörung folgende Diskussion hat allerdings den Verein darin bestärkt, von der ursprünglichen Variante ‚Replik‘ nicht ohne Not abzuweichen.“

Und auf den Stadtratsbeschluss von 2014 kann sich der scheidende Kulturbürgermeister auch nicht berufen. Denn im zweiten Absatz hieß es eindeutig: „Die Stadtverwaltung legt bis 31.12.2014 einen Umsetzungsvorschlag vor und leitet danach in Zusammenarbeit mit dem Verein Luther-Melanchthon-Denkmal e.V. einvernehmlich die erforderlichen städtebaulichen Planungen und Verfahren ein. Im Falle der Realisierung auf dem Johannisplatz ist auch der Verein Johanniskirchturm e.V. einzubeziehen. Die Realisierung erfolgt bis zum Juni 2019, dem 500. Jahrestag von Luthers Disputation auf der Pleißenburg.­“

Das Wort „einvernehmlich“ sollte eigentlich deutlich genug lesbar sein.

Doch bis heute ist kein Einvernehmen hergestellt. Es hat auch – anders als versprochen – kein weiteres Gespräch der Stadt mit dem Verein stattgefunden.

Stattdessen versucht das Kulturdezernat, jetzt wieder eine Vorentscheidung zu fällen, die schlicht keine Grundlage hat. Denn im Antrag „500. Jahrestag des Beginns der Reformation“ steht nun zu lesen, dass 15.000 von den 390.000 Euro für die „Aussschreibung Luther-Melanchthon-Denkmal“ vorgesehen sind.

Ein zumindest seltsamer Vorgang, da die Stadt dem Verein noch nicht mal einen geeigneten Vorschlag gemacht hat über einen möglichen Standort.

Weil aber der Termin drängt, hat der Verein inzwischen beschlossen, einfach an die Umsetzung des Denkmals zu gehen. Vorlage ist natürlich der Entwurf von Johannes Schilling. Etwas anderes kommt für den Verein gar nicht in Frage. „Und wenn das Denkmal dann fertig ist“, sagt Rolf Haupt, „soll uns die Stadt einfach sagen, wo sie es hingestellt haben möchte.“

Beschlussvorlage “500. Jahrestag des Beginns der Reformation”.

Beschluss “Luther-Melanchthon-Denkmal: Bürgerschaftliches Engagement ermöglichen” von 2014.

Die Anfrage von Prof. Rolf Haupt vom Dezember 2015.

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