Einhundert Jahre nach seinem Tod veranstaltet die Universität Leipzig eine internationale Tagung zu Ehren des Begründers der weltweit ersten Filmtheorie, Hugo Münsterberg. Vom 29. Juni bis zum 2. Juli 2016 findet die Konferenz „A hundred years of Film theory. Münsterberg and beyond: Concepts, Applications, Perspectives“ statt. Neben der Präsentation aktueller Forschung zu dem aus Leipzig über Heidelberg und Freiburg nach Amerika ausgewanderten Psychologen und Philosophen werden auch die Filme aus seiner Schaffenszeit gezeigt, die ihn zur Filmtheorie anregten. Es werden seine Wahrnehmungs-Experimente wiederholt und die weltweiten Auswirkungen seiner Theorien auf beispielsweise die indische Filmkultur erläutert.

Hugo Münsterberg, 1863 in Danzig als Sohn eines jüdischen Paares geboren, wurde 1885 mit 22 Jahren in Leipzig promoviert. Sein Lehrer und Doktorvater, Wilhelm Wundt, empfahl ihn daraufhin mit den Worten: „Münsterberg ist zweifellos der Begabteste, der Schöpferischste, der am umfassendsten gebildete und letzten Endes der mit der besten Lehrfähigkeit ausgestattete Kandidat. Sein Rede- und Darstellungsvermögen ist tatsächlich hervorragend.“ Als Professor für experimentelle Psychologie an der Harvard University in Cambridge/Boston (1892-1916) entwickelte er weitblickende Theorien und führte anwendungsorientierte Forschung durch. So erfand er nicht nur einen KfZ-Fahrsimulator und legte die Grundlagen zum Lügen-Detektor, sondern er schrieb auch Drehbücher für das Hollywood-Studio Paramount. Neben seiner Forschungstätigkeit setzte Münsterberg sich für die Völkerverständigung ein und gründete 1910 das Amerika-Institut in Berlin. Er warb vor und im Ersten Weltkrieg intensiv für das gegenseitige Verständnis zwischen Deutschland und den USA.

Sein wichtigstes filmtheoretisches Werk, „The Photoplay“/“Das Lichtspiel“, veröffentlichte Münsterberg 1916, bevor er im selben Jahr während einer Vorlesung in Cambridge starb. Darin bezieht er schon die Film-Farbe, den 3D- und den Tonfilm, die Montage und den Unterrichtsfilm in seine Theorie ein. „Er war ein visionärer Vordenker und Wegweiser für den modernen Film – und das schon kurz nach Entstehen der ersten Filme überhaupt“, betont Rüdiger Steinmetz, Professor für Medienwissenschaft an der Universität Leipzig und Leiter der Tagung, die Rolle Münsterbergs.

Lange Zeit in der deutschen Fachwelt wenig beachtet, stellt ihn das Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig in Kooperation mit The International Association for Media and History (IAMHIST) und dem Zentrum für Wissenschaft und Forschung | Medien (ZWF) in Leipzig nun wieder ins Rampenlicht. Hugo Münsterberg ist eine viertägige Konferenz mit Referenten und Gästen aus über 20 Ländern von vier Kontinenten gewidmet. Seine Biografie und seine medienpsychologische Forschung spielen dabei genauso eine Rolle wie aktuelle Bezüge und Auswirkungen seiner Theorie in die mediale Praxis. Die Filmvorführungen mit Livebegleitung am Piano am Donnerstag- und Freitagabend (30.Juni/1.Juli) im UT Connewitz, einem der ältesten Kinos Deutschlands, stehen allen Interessierten offen und werden durch Einführungen in die Geschichte des Kinohauses ergänzt.

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