Medienberichten zufolge wird die geplante Sammelabschiebung nach Kabul vom Flughafen Leipzig/Halle (LEJ) nicht am Mittwoch, dem 28.06.2017, stattfinden. Als Grund dafür wird angegeben, die deutsche Botschaft vor Ort sei nach dem Anschlag vom 31.05.2017 noch nicht wieder arbeitsfähig. „Dass die Abschiebung nicht wegen der Situation in Afghanistan abgesagt wurde, sondern aus logistischen Gründen verschoben worden sei, zeigt, dass es der Bundesregierung nicht um die Gefahren geht, denen Menschen ausgesetzt sind, wenn sie dorthin zurückkehren“, so Aram Khan, Pressesprecherin des kürzlich gegründeten Aktionsnetzwerks gegen Abschiebungen in Leipzig „Protest LEJ“.

Die für Mittwoch angesetzte Abschiebung wäre die erste ins vermeintlich sichere Afghanistan seit dem offiziellen Abschiebestopp Anfang Juni gewesen. Während des letzten Monats war das ganze Land anhaltend Ziel von Anschlägen, die Sicherheitslage hat sich drastisch verschlechtert. Khan: „Wir gehen davon aus, dass diese konkrete Abschiebung verschoben wurde, weil sie öffentlich bekannt geworden ist. Die Situation in Afghanistan ist alles andere als sicher, und das ist momentan in der öffentlichen Wahrnehmung präsent. Dass die Abschiebung verschoben wurde, ist nichts Positives. Es werden immer noch Menschen abgeschoben, aber jetzt ist unklar, wann dies passieren wird. Diese Intransparenz verunmöglicht direkte Kritik und somit breiten gesellschaftlichen Protest.“

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums sind ein Großteil der Menschen, die trotz der aktuellen Lage in Afghanistan dorthin abgeschoben werden, „Straftäter“ und sogenannte „Gefährder“. Die allermeisten dieser „Straftäter“ wurden jedoch nur wegen kleinerer Delikte wie Fahren ohne Fahrschein, Vergehen nach dem Betäubungsmittelgesetz und Diebstählen verurteilt, wie eine Statistik des sächsischen Innenministeriums zeigt (https://kleineanfragen.de/sachsen/6/9230-abschiebungen-aus-saechsischen-jva). „Auch dieses Vorgehen lehnen wir aus mehreren Gründen ab“, so Khan. „Zum einen ist die Kategorie ‚Straftäter‘ assoziiert mit Tatbeständen wie Mord oder Terrorismus. Diese Assoziation ist gewollt, aber schlicht falsch. Zum anderen legitimieren auch eventuelle Straftaten oder Gesetzesverstöße nicht, Menschen  in Kriegsgebiete und lebensbedrohliche Situationen abzuschieben.“

Das Aktionsnetzwerk „Protest LEJ“ kritisiert nicht nur Abschiebungen nach Afghanistan, sondern auch in andere als „sicher“ bezeichnete Staaten. „Alle Menschen sollten das Recht haben, da zu bleiben, wo sie leben wollen. Wenn wir etwas an der aktuellen Situation ändern wollen, sollten wir darüber nachdenken, was Menschen dazu bringt, zu fliehen, und was Deutschland dabei für eine Rolle spielt“, meint Khan.

Leipzig/Halle ist einer der für Abschiebungen meistgenutzten Flughäfen in Deutschland. Allein im Jahr 2016 wurden von dort mehr als 2100 Menschen abgeschoben. Da täglich nur wenige reguläre Flüge starten und aufgrund der relativ abgeschiedenen Lage des Flughafens in Schkeuditz, einer Kleinstadt zwischen Leipzig und Halle, können Abschiebungen dort von der Öffentlichkeit weitestgehend unbeobachtet vonstatten gehen.

Das Netzwerk ruft zu einer Demonstration gegen Abschiebungen vom Flughafen Leipzig/Halle auf. Diese wird am Mittwoch, 28. Juni um 16 Uhr auf dem Kleinen Willy-Brand-Platz, gegenüber dem Leipziger Hauptbahnhof beginnen und am Flughafen Halle/Leipzig fortgeführt werden. „Alle sind eingeladen, sich anzuschließen! Afghanistan ist nicht sicher und wir sind bereit, uns Abschiebungen entgegenzustellen!“

Aktionsnetzwerk „Protest LEJ“
https://protestlej.wordpress.com/

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