Dass Leipzig mit dem sozialen Wohnungsbau zu spät beginnt, das ist jetzt schon klar. Noch glaubt die Rathausspitze, der Leerstandspuffer sei groß genug. Aber auch beim Thema Unterbringung von Asylsuchenden hinkt die Stadt hinterher. Sie hätte zwar ein paar Immobilien, die zeitnah hergerichtet werden könnten. Aber die verkauft das Liegenschaftsamt lieber. Oder will sie abreißen.

So wie das ehemalige Feierabendheim “Paul Lange” in Reudnitz. Vor drei Jahren sorgten die Gebäude Witzgallstraße 18, Riebeckstraße 37-47 und Stötteritzer Straße 43 schon einmal für Aufsehen, weil das Liegenschaftsamt der Stadt die Häuser zum Abriss vorbereitete. Damals ging das Stadtforum Leipzig auf die Barrikaden und fand es schlicht unverschämt, die noch intakten Häuser, die an dieser Stelle auch den Straßenraum prägen, einfach abreißen zu wollen. Was ja nicht mal 2012 Sinn ergab, auch wenn die Flüchtlingszahlen noch nicht so anstiegen wie 2013 oder 2014.

Der Abriss wurde seinerzeit storniert. Seitdem harren die Häuser auf eine neue Nutzung. Nur tut sich nichts. Sozialer Wohnungsbau wäre dringend angeraten, daran erinnerte Anfang der Woche eine gemeinsame Stellungnahme des Netzwerks “Leipzig – Stadt für alle” und des “Haus- und WagenRat e.V.”, die auch daran erinnerte, dass Leipzig nicht mehr über einen Leerstandspuffer von 30.000 oder 25.000 Wohnungen verfügt. Seltsamerweise aber scheint  das Interesse der Stadtplaner denkbar gering, nach dem irgendwie hingewurstelten “Zensus 2011” weiter zu erkunden, ob und wie sich die Leerstandsreserve mit dem jährlichen Wachstum Leipzigs um 10.000 Einwohner verknappt.

Irgendwie lautet die Devise: Augen zu und durch. Lieber freut man sich über die Meldungen der Immobilienentwickler und Makler über ständig steigene Mieten.

Wohnungsleerstand in Leipzig

Das Eckgebäude Witzgallstraße 18. Foto: Ralf Julke
Foto: Ralf Julke

Selbst im “Monitoringbericht 2013/2014” eierte man noch um den heißen Brei herum, sprach von 39.000 leerstehenden Wohnungen. Der “Zensus 2011” hatte einiges ans Licht gebracht. Augenscheinlich auch tausende Wohnungen im Bestand, die nicht gemeldet waren. Und die meisten aus gutem Grund: Sie waren (und sind) aufgrund ihres baulichen Zustands nicht vermietbar. Die nötige Umzugsreserve, die eine Stadt wie Leipzig braucht, ist fast erreicht. Mit den Worten aus der gemeinsamen Stellungnahme: “Uns ist dabei durchaus bewusst, dass eine Stadt mit über 300.000 Haushalten für einen ausgeglichenen Wohnungsmarkt eine Umzugsreserve von 2 bis 3 Prozent und damit 6.000 bis 9.000 Wohnungen benötigt. Diese Zahl ist bald erreicht.”

Das Netzwerk kommt in seiner Schätzung auf noch verfügbare 20.000 leerstehende Wohnungen, von denen aber nur 10.000 vermietbar sind, der Rest müsste jetzt saniert werden, wenn es nicht schon im nächsten Jahr zu massiven Engpässen auf dem Leipziger Wohnungsmarkt kommen soll.

Das heißt aber auch: Wenn das Sozialamt jetzt Häuser und Wohnungen zur Unterbringung von Asylsuchenden sucht, dann kommt es dabei direkt in einen immer engeren Wohnungsmarkt. Und es wird immer seltener fündig. Und es bräuchte tatsächlich die volle Unterstützung des städtischen Liegenschaftsamtes, um das Problem anzugehen.

Warum nicht in der Riebeckstraße, fragten das Netzwerk “Leipzig – Stadt für alle” und der “Haus- und WagenRat e.V.

“Im Besitz der Stadt ist beispielsweise der Komplex Witzgallstraße 18, Riebeckstraße 37-47 und Stötteritzer Straße 43, die ehemalige ‘Zweiganstalt I’ des Johannishospitals, in Reudnitz. Sechs der sieben Gebäude wurden im Jahr 2012 zum Abbruch vorbereitet, dieser jedoch bis dato nicht durchgeführt. Das Liegenschaftsamt hält weiterhin an den Abbruchplänen fest. War die Vernichtung kommunalen Wohnraums schon 2012 kaum verständlich, so ist sie Anfang 2015 völlig absurd. Die Sanierung der Gebäude wäre mit 400.000 bis 500.000 Euro pro Haus möglich, zumal die Kosten für den Grunderwerb wegfallen. Das große, unzerstörte Eckhaus Witzgallstr. 18 könnte sogar zügig und deutlich günstiger wieder saniert und in Betrieb genommen werden. Mit dem weiteren Festhalten an den Plänen zum teuren Abbruch und anschließenden Verkauf der Flächen ergibt sich nach dem Verkauf der Friederikenstraße 37 in Dölitz 2013 (2014, d. Red.) aus städtischem Eigentum ein weiterer Fall, in dem das Handeln des Liegenschaftsamts augenscheinlich gesamtstädtischen Interessen zuwider läuft.”

“Es bedarf einer sinnvollen und vorausschauenden Liegenschaftspolitik, die nicht nur im Höchstpreisverfahren, sondern anhand von vorab definierten Kriterien im Rahmen einer Konzeptvergabe Grundstücke vergibt. Dabei sollten selbstbestimmter Wohnraum für Geflüchtete und die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum Priorität haben”, betonten die Autoren der Stellungnahme.

Es ist einer dieser nunmehr schon dutzenden Weckrufe an eine Stadtverwaltung, die gerade die wichtigsten Themen immer erst Jahre vor sich her schiebt und kleinredet (Stichworte: Kita-Plätze, Schulen, ÖPNV …), um dann mitten in die Bedarfslücke zu rauschen. Eine vorausschauende oder gar nachhaltige Stadtpolitik sieht anders aus.

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Es gibt 2 Kommentare

Als normal denkender Mitbürger kann man viele Dinge nicht mehr verstehen! Es werden immer mehr Hotels gebaut, z. B. hinter dem Ringcafé und jetzt auch noch neben dem Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Haus in der Goldschmidtstraße usw.,…, andererseits werden bezahlbare Wohnungen immer knapper, wobei auch die LWB kräftig mitmischt bei Mieterhöhungen, andererseits sollen sanierungsfähige Häuser abgerissen werden und die städtischen Grundstücke an irgendwelche Investoren verkauft werden. Ein Schelm, wer böses dabei denkt!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Kein Wunder, dass viele Menschen unzufrieden mit der Stadtpolitik sind. (Leider nutzen das aber Populisten für ihre Parolen aus). Wann werden endlich mal unsere Stadtverant-wortlichen munter? Wen soll man denn noch wählen?

“Es ist einer dieser nunmehr schon dutzenden Weckrufe an eine Stadtverwaltung, die gerade die wichtigsten Themen immer erst Jahre vor sich her schiebt und kleinredet (Stichworte: Kita-Plätze, Schulen, ÖPNV …), um dann mitten in die Bedarfslücke zu rauschen. Eine vorausschauende oder gar nachhaltige Stadtpolitik sieht anders aus.”

Herr Julke, hier haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich würde das aber anders formulieren. Wesentlich härter und realer. Es kommt nun immer mehr zum Vorschein, dass die linke Hand keine Kenntnis davon hat, was die rechte Hand macht. Mitschuldige dafür sitzen bzw. saßen im Stadtrat. Sie haben beispielsweise in nicht wenigen Fälle fatale Vorschläge der Verwaltung zur Besetzung von Amtsleiterstellen abgesegnet bzw. haben nicht auf Veränderungen gedrängt. Erinnert sei nur an die Herren Haller (Jugendamt) und Beital (Ordnungsamt). Ein besonders krasser Fall war die verstorbene Amtsleiterin des Rechtsamt, die wegen ihren überwiegend bekanten gesundheitlichen Probleme hätte aus dem Verkehr gezogen werden müssen. Weshalb ist der Amtsleiter des Personalamtes der Stadt Leipzig immer noch in Amt und Würden, der dieses Spiel mitgemacht hat?. Das trifft auf den Beigeordneten für Allgemeine Verwaltung, Herrn Müller, zu. Längst hätte er aus seiner Funktion entfernt werden müssen. Ein Skandal war, dass dieser Beigeordnete nicht in die Reihe der Beschuldigten im Prozess “Herrenlose Häuser” einreihen musste. Wie der Amtsleiter des Personalamtes.

Weshalb wurde ein Herr Dr. Fabian wieder als Beigeordneter gewählt, dessen fachliche Qualitäten bescheiden sind. Er war hauptverantwortlich für die Probleme im Jugendamt. Weshalb…..Ich könnte diese Beispiel fortsetzen.

Ich habe 15 Jahre in der Stadtverwaltung Leipzig gearbeitet. Dort gibt sehr viele hervorragende Angestellte und Beamte. Andererseits gab und gibt es auf der Leitungsebene (keine Einzelfälle) Personen, wo folgende Frage ganz klar mit nein zu beantworten ist. Möchtest du den zum Vorgesetzten haben? Diese meist sehr gut bezahlten Personen vergiften das Arbeitsklima gewaltig. Überwiegend wird nichts dagegen getan bzw. erst viel zu spät, weil personelle Fehlentscheidungen tabu sind. Auch in der Stadt Leipzig. Gravierende Auswirkungen hat das auf die Motivation der jeweiligen Mitarbeiter, welche unter diesen Vorgesetzten arbeiten müssen. Wird die Konfrontation zu groß, dann werden meist die Mitarbeiter diszipliniert, welche die Wahrheit sagen.

Auf der Ebene der Beigeordneten rächt sich nun (endlich!?) die Besetzung nach Parteibuch und nicht nach Leistung.

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