Für Menschen, die sich seit Jahren für den Naturschutz im Natura-2000-Schutzgebiet Leipziger Auwald engagieren, ist es ein ganz schwieriger Spagat, das seit Jahrzehnten massiv bedrohte Biotop nun vermehrt einem touristischen Nutzungsdruck ausgesetzt zu sehen. Ist das denn überhaupt erlaubt, wollte nun der Landtagsabgeordnete der Grünen, Wolfram Günther, vom Sächsischen Umweltminister wissen.

Dabei versuchte er sich auch noch in die verschlungenen Entscheidungswege im Leipziger Gewässerverbund einzudenken. Denn welche Rolle spielt denn nun eigentlich das seit 2006 vorliegende “Wassertouristische Nutzungskonzept” (WTNK)? Rechtsverbindlich ist es ja nun einmal nicht. Das bestätigte auch noch einmal Umweltminister Thomas Schmidt. Es ist – wie die künftige “Charta Leipziger Neuseenland 2030” – nur eine Art Handlungsrahmen, den sich die Akteure in der Steuerungsgruppe selbst gesetzt haben. Jeder kann sehen, was sie vor haben. Aber die einzelnen Projekte bedürfen immer noch der Zustimmung der kommunalen Parlamente.

Thomas Schmidt: “Beim Wassertouristischen Nutzungskonzept (WTNK) handelt es sich um eine Absichtserklärung der regionalen Akteure ohne rechtliche Bindungswirkung. Es ersetzt insbesondere weder die kommunale Planungshoheit zu bau- und raumplanungsrechtlichen Belangen, noch fachrechtlich gegegebenenfalls notwendige Planfeststellungs- und sonstige Genehmigungsverfahren.”

Was dann auch bedeutet, dass das WTNK keiner Strategischen Umweltprüfung unterliege. Um das nicht gleich so im Raum stehen zu lassen, erklärt er dem Grünen-Abgeordneten dann noch, dass die eigentliche Prüfebene der Regionale Planungsverband Westsachsen sei: “Es wird der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass die wesentlichen Inhalte des WTNK im geltenden Regionalplan Westsachsen 2008 enthalten sind und dieser einer SUP (Strategische Umweltprüfung, d. Red) unterzogen wurde.”

Im Regionalen Planungsverband Westsachsen sind die Stadt Leipzig und die Landkreise Leipzig und Nordsachsen zusammengeschlossen, um die überregionale Planung für das gesamte Gebiet zu koordinieren.

Wie der Regionalplan nun einer Umweltprüfung unterzogen wurde, das erklärt der Minister nicht. Wer das Papierwerk anschaut, sieht, dass hier dutzende Strategische Entwicklungsziele für ganz Westsachsen und hunderte Einzelvorhaben aufgelistet sind. Das Gesamtpapier einer SUP zu unterwerfen, macht nicht wirklich Sinn. Es sei denn, man akzeptiert die darin festgeschriebenen Versprechen, Landschafts- und Artenschutz ins Zentrum des eigenen Handelns zu stellen. Das WTNK taucht als Unterziel Nr. 8.3.4. im Regionalplan auf.

Kapitel 8 (von insgesamt 17 thematischen Einzelkapiteln) widmet sich “Tourismus, Freizeit und Erholung”. Leipzig taucht dort zum Beispiel auch schon im Unterkapitel 8. 2. auf: ” Die Funktion der Stadt Leipzig als landesweit bedeutsamer Schwerpunkt des Städtetourismus ist durch die Erhöhung der Attraktivität der Innenstadt, die Entwicklung neuer kultureller Projekte, die Profilierung periodisch wiederkehrender Großveranstaltungen und den Ausbau des Geschäfts- und Kongresstourismus zu stärken. Vorhandene oder entstehende Angebote in den angrenzenden Tourismusgebieten sind mit denen der Stadt Leipzig zu vernetzen.”

In Unterkapitel 8. 3. geht es dann direkt um “Thematische Tourismusangebote”. Und hier taucht als vierter von sieben Schwerpunkten der “Touristische Gewässerverbund” auf.

Der Text dazu lautet:

“Für die Entwicklung des ‘Touristischen Gewässerverbunds Region Leipzig’ sind die Voraussetzungen zu schaffen. Dazu sind
– geeignete Fließgewässer des Elster-Pleiße-Luppe-Auensystems, Tagebaurestseen der Bergbaufolgelandschaft des ‘Leipziger Neuseenlands’ und Stadtlandschaften unter Beachtung wasserwirtschaftlicher, ökologischer und ökonomischer Erfordernisse miteinander zu verknüpfen,
– die wassertouristisch relevante Infrastruktur zu verbessern sowie
– wassertouristische Angebote mit Fremdenverkehrsangeboten und kulturellen Angeboten zu koppeln.
Der individuelle und organisierte Bootsverkehr auf den Gewässern ist durch räumliche, zeitliche oder organisatorische Maßnahmen so zu gestalten, dass Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft ausgeschlossen bzw. so gering wie möglich gehalten werden.
Ausgehend vom ‘Leipziger Wasserknoten’ mit dem Stadthafen sind gewässertouristisch nutzbare Verbindungen über den Cospudener bis zum Zwenkauer See, über den Markkleeberger bis zum Störmthaler See, über den Karl-Heine-Kanal bis zum Elster-Saale-Kanal und bis zum Auensee sowie die Verbindung zwischen Seelhausener See und Großem Goitzschesee vorrangig zu realisieren.”

Im Erläuterungstext erfährt man dann wieder, dass der “Touristische Gewässerverbund” ein Schlüsselprojekt des Grünen Rings Leipzig ist, wo sich Leipzig und alle umgebenden Kommunen in einem gemeinsamen Verein zusammengetan haben. Der Grüne Ring hat das WTNK in Auftrag gegeben. Aus dem WTNK “wurde der ‘Leitplan Gewässerverbund 2015 Region Leipzig’ entwickelt, der mit einzelnen kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen schrittweise umgesetzt werden soll. Der ‘Leitplan Gewässerverbund 2015 Region Leipzig’ ist einschließlich der Ergebnisse der für das ‘Wassertouristische Nutzungskonzept Region Leipzig’ durchgeführten ‘NATURA-2000-Verträglichkeitsuntersuchungen – 2. Phase’ (Stand: 02/2007) nachrichtlich in die Karte 17 ‘Erholung und Tourismus’ des Regionalplans übernommen.”

So wurde aus einem unverbindlichen Rahmenplan eine gesetzliche Planungsgrundlage – innerhalb des Planungsverbands Westsachsen.

Einzige dort auch schon formulierte Beschränkung: “Zur Vermeidung von Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft sind räumliche, zeitliche bzw. organisatorische Maßnahmen zur Lenkung des individuellen und organisierten Bootsverkehrs zu ergreifen.”

Was ja dann ab 2013 im Floßgraben erfolgte, als der Bootsbetrieb per Allgemeinverfügung eingeschränkt werden musste.

Aber auch sonst ist Manches dort verboten, erfuhr Günther nun. Er hatte direkt nach dem Verleih von Paddelbooten im Leipziger Auwald gefragt. Thomas Schmidt: “Nein, beim Verleih von Paddelbooten handelt es sich um eine gewerbliche Tätigkeit. Diese ist vom Gemeingebrauch im Sinne des Wasserrechts (…) und § 16 Sächsisches Wassegesetz (…) nicht umfasst.”

Was ja nun ein ganz großes Fagezeichen über den Bootsverleih am Wildpark hängt, der ja nun einmal mitten im Landschaftsschutzgebiet Leipziger Auwald steht und Ruderboote, Kajaks und Kanadier ausleiht.

Und wie ist das mit der Erlaubnis für Motorboote?

Die dürfen nur mit “boots- und gewässerbezogener Sondernutzungsgenehmigung” fahren, teilt Schmidt mit: “In den Schutzgebieten ist zusätzlichlich das naturschutzrechtliche Einvernehmen erforderlich, welches von der zuständigen unteren Naturschutzbehörde zur genannten wasserrechtlichen Genehmigung erteilt wird.”

Was zumindest schon mal klar macht, dass es eine generelle Freigabe der Kurse über den Floßgraben und Pleiße für private Motorboote gar nicht geben darf. Fahren darf hier nur, wer ein gewässerangepasstes Boot besitzt (das so genannte Leipzig-Boot) und wer außerdem eine Sondergenehmigung der unteren Wasserbehörde hat. Ansonsten gelten hier die Regeln des Naturschutzgebietes: Motorboote ohne Sondergenehmigung dürfen hier gar nicht fahren.

Da wird es dann bestimmt spannend, wer das künftig kontrolliert.

Frage und Antwort zur gewässertouristischen Nutzung im Leipziger Auwald.

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Es gibt 2 Kommentare

Ein natürliches Gewässer darf genehmigungsfrei nur durch den sogenannten Gemeingebrauch genutzt werden. An einem künstlichen Gewässer ist nicht einmal das gestattet.

Jede darüber hinaus gehende Nutzung, sei es die gewerbliche muskelbetriebene und/oder motorisierte Gewässernutzung bedarf einer Genehmigung.
Um diese Nutzung genehmigungsfrei zu ermöglichen, wurden schon die Tagebaurestlöcher vermutlich rechtswidrig für schiffbar erklärt.
Da die Auwaldgewässer Teil der Tagebaufolgenutzung sind, werden sie dasselbe Schicksal ereilen.

Ein Hinweis auf die “Verfassung des Freistaates Sachsen”

1. Abschnitt Die Grundlagen des Staates:
Artikel 1 [Verfassungsgrundsätze]
Der Freistaat Sachsen ist ein Land der Bundesrepublik Deutschland. Er ist ein demokratischer, dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Kultur verpflichteter sozialer Rechtsstaat.”

Ich wiederhole: “… Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen … verpflichteter … Rechtsstaat.”

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