Mit Kultur kann man zwar im Leipziger Westen nicht reich werden, aber Kultur macht den Leipziger Westen reich. Und zu einem Brennpunkt der aktuellen Entwicklung Leipzigs. Auch wenn das 1993, als ein paar ganz Mutige das alte Ballhaus Lindenfels wieder zum Leben erweckten, so nicht absehbar war. Damals flüchteten die Leipziger noch zu Zehntausenden aus der Stadt. Das hat sich geändert. Auch in Lindenau.

Und die Schaubühne Lindenfels hat dabei eine nicht unwichtige Rolle gespielt. Sie hat hier Theater-, Musik- und Filmaufführungen präsentiert, als in Plagwitz und Lindenau noch der sprichwörtliche Hund begraben lag. Mit viel Engagement wurde das über 130 Jahre alte Ballhaus, das in DDR-Zeiten noch als Kino bespielt wurde, so weit hergerichtet, dass überhaupt Kultur und Geselligkeit darin passieren konnten. Damals auch noch gegen den erklärten Willen der Stadt, die gar keinen Sinn darin sehen wollte, dass sich im hinsiechenden Leipziger Westen eine freie Spielstätte etablierte, die möglicherweise den eigenen Häusern in der Stadt Konkurrenz machen könnte.

Das ist so nicht gekommen. Im Gegenteil: Die Schaubühne hat – mit Höhen und Tiefen, immer neuen Anläufen und 2005 auch der Gründung einer gemeinnützigen Aktiengesellschaft gezeigt, dass Leipzig nicht nur eine weitere Facette der freien Kultur brauchte, sondern auch verkraftete. Und dass das über kurz oder lang auch zur Aufwertung und Wiederbelebung des Stadtteils beitrug. Zu der Karl-Heine-Straße sowieso, die sich zwischenzeitlich zu einem kleinen Boulevard der Möglichkeiten entwickelte. Das könnte aber schon wieder vorbei sein. Denn so wie sich die beiden angrenzenden Ortsteile mit Bewohnern füllen, so heben auch langsam die Mietpreise in der Karl-Heine-Straße ab.

Die Schaubühne ist heute ein beliebtes kulturelles Angebot mitten in einem Stadtgebiet im Aufwind. Was trotzdem noch nicht heißt, dass man mit Kneipe und Kultur genug Geld verdient, um das alte Ballhaus zu ertüchtigen. Für einen grundsätzlichen Eingriff in die Bausubstanz hat es all die Jahre nie gereicht. Jetzt aber soll wenigstens das Wesentliche für den Substanzerhalt des Hauses getan werden, schlägt das Dezernat Stadtentwicklung und Bau vor.

423.000 Euro sollen vor allem in die Sicherung des Gebäudes investiert werden, vor allem des Daches und der Entwässerung.

Die Liste der Dinge, die jetzt getan werden müssen, ist lang: “Vorgesehen ist die Sanierung und Erneuerung von Gebäudeteilen zum Erhalt des Gebäudes, zur Verbesserung der energetischen Bilanz, zur Funktionsverbesserung, zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und des Kulturbetriebes.

Bauliche Maßnahmen sind u.a.: Abdichtung der Eingangsterrasse, Erneuerung Dachentwässerung/Dacheindichtung/Installation von Warmwasserkollektoren, Sicherung der Dachkonstruktion (Dachkugeln und der Metallkonstruktionen), Umbau und Erneuerung Sanitärbereich (Personalbereich), Sanierung Lagerbereich, Erneuerung Bodenbelag/ Bodenbelagsarbeiten (Großer Saal und Bühne, Foyer, Grüner Salon), Bauteilsanierung und Erweiterung Galerie im Großen Saal, Erneuerung Verschattungsanlage im Grünen Salon, Sanierung und Erweiterung Küchenbereich und Künstlergarderoben.”

“Die Schaubühne ist eine bedeutende Leipziger Kulturinstitution und Schnittstelle verschiedener Künste”, lobt das Baudezernat. Wenn nicht das Kulturamt als Co-Autor in der Vorlage stünde, würde man bei so viel Lob schon ins Grübeln kommen. “Die Möglichkeiten der interdisziplinären und genreübergreifenden Kunstvermittlung und -präsentation bilden das wesentliche Alleinstellungsmerkmal. Dieses Angebot wird von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen.”

Auch die Anstrengungen, das Haus in ehrenamtlicher Arbeit zu sichern, werden gewürdigt. Immerhin wurde das straßenbildprägende Gebäude dadurch vor dem Verfall gerettet. Aber auch alles Ehrenamt hat seine Belastungsgrenzen. Für den nächsten wichtigen Schritt geht es augenscheinlich ohne Unterstützung der Stadt nicht mehr. “Mit der geplanten Fördermaßnahme soll der Erhalt und insbesondere der selbsttragende Fortbestand der kulturellen Einrichtung am Standort erreicht und gesichert werden.”

Mehr als die Hälfte der benötigten Summe – immerhin 239.630 Euro – soll aus der Förderung Stadtumbau Ost akquiriert werden. Die Stadt selbst will das Sicherungsprojekt mit 119.816 Euro unterstützen, 63.554 Euro müssen die Akteure der Schaubühne selbst zusammenbringen.

Dass die Stadt hier überhaupt aktiv wird, hat mit der Aufnahme der Schaubühne ins Entwicklungskonzept Stadtumbau Ost im Jahr 2012 zu tun: “Die Maßnahme ist Bestandteil des am 29.02.2012 beschlossenen Stadtumbaukonzeptes für das Aufwertungsgebiet Leipzig West. Bei Entfall der Maßnahme kann das beschlossene Stadtumbaukonzept im Handlungsfeld ‘Anpassung von Gemeinbedarfseinrichtungen’ nicht mehr vollumfänglich umgesetzt werden.”

Es wäre also die Chance für Leipzig, der Schaubühne in den Jahren 2015 und 2016 mit Fördermitteln ein intaktes Dach und eine belastbare Infrastruktur zu verschaffen.

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