So macht sich Leipzigs Politik endgültig unglaubwürdig. Im November verkündete Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal (Die Linke) vollmundig, man habe die Allgemeinverfügung zum Floßgraben erstmals frühzeitig veröffentlicht. Und Motorboote werde es im Floßgraben nicht geben: "Für maschinenbetriebene Wasserfahrzeuge aller Art wird das Befahren weiterhin grundsätzlich untersagt."

Was von dieser Ansage zu halten war (die die Stadt in ihren Kontrollmeldungen vom März und April noch einmal wiederholte), ahnten Leipzigs Naturschützer schon, auch wenn ein anderer Fakt die Umweltverbände geradezu sprachlos machte: Obwohl das Eisvogel-Monitoring die massiven Störungen im Eisvogel-Brutrevier betonte, wurden die Durchfahrtzeiten durch den Floßgraben deutlich ausgeweitet.

Und dass von der Ansage, es gäbe keine Erlaubnis für Motorboote, nicht viel zu halten ist, macht derzeit bei den Umweltverbänden die Runde: Die Firma Rana-Boot hat augenscheinlich doch wieder – entgegen der Zusicherung der Stadt – eine Durchfahrtgenehmigung bekommen.

Auf der eigenen Website bewirbt das Unternehmen seine Neuseenland-Touren 2015 – nunmehr mit drei gewässerangepassten Booten: der Marianne mit Platz für 15 Personen, der Henriette für 16+2 Personen und der Sabine für 20+2 Personen. Eine Fahrt dauert drei Stunden.

Für 2015 hatten die Umweltverbände fest damit gerechnet, dass es so eine Ausnahme nicht wieder geben würde.

Im August 2014 hat die zuständige Naturschutzbehörde einem Widerspruch der Grünen Liga Sachsen stattgegeben und die Sondergenehmigung für das RANA-Boot zurückgenommen, da keine besonderen Gründe vorlagen, die zu einer Befreiung von den Verboten der Allgemeinverfügung berechtigt hätten. Daran hat sich ja 2015 nichts geändert.

Im Ablehnungsbescheid vom 13. August 2014 heißt es: “Im vorliegenden Fall sind keine der möglichen tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Befreiung gegeben… Im vorliegenden Fall der gewerblichen Nutzung des Floßgrabens ist nicht erkennbar, dass dieser sich deutlich vom Regelfall der von den Verboten der Allgemeinverfügung betroffenen Adressaten unterscheidet, denn mit dem Verbot, den Floßgraben u. a. mit Wasserfahrzeugen zu befahren hat die Naturschutzbehörde gerade gewollt, dass Fahrten sowohl aus privaten als auch aus wirtschaftlichen Interessen unterbunden werden. …“

Die Information, dass das Leipzig-Boot der Firma RANA 2015 doch wieder eine Erlaubnis zum Befahren des Floßgrabens erhalten hat, stammt bislang von der Firma selbst, betont der BUND. Und kommentiert den Vorgang so: “Diese beeinträchtigen den Lebensraum des nach Bundesartenschutzverordnung streng geschützten Eisvogels. Die Stadt scheint wider besseren Wissens eine neue Ausnahmegenehmigung ausgestellt zu haben. Über einen vom BUND Leipzig eingelegten Widerspruch, mit der Forderung nach stärkerer Einschränkung der Bootsverkehrszeiten, hat die Stadt Leipzig bisher nicht entschieden. Der Umweltverband fordert, schnell Rechtssicherheit herzustellen und den Motorbootverkehr im Floßgraben gänzlich zu untersagen.”

„Die Stadt hat den Floßgraben gegen alle rechtlichen und fachlichen Bedenken weiter geöffnet. Das können wir nicht akzeptieren. Das städtische Monitoring zeigt, dass der Eisvogel mehr Ruhezeiten braucht, um erfolgreich zu brüten. Durch den Bootsverkehr kommt es nachweislich zu Bruteinbußen. Dennoch wurden die Durchfahrtzeiten erweitert. Die Allgemeinverfügung ist damit das Papier nicht wert, auf der sie steht“, erklärt dazu Biologin Daniela Zobel, Vorstandsmitglied des BUND Leipzig.

Und die Sache mit den deutlich ausgeweiteten Durchfahrtszeiten durch den Floßgraben bis in die späten Abendstunden ist auch noch nicht vom Tisch.

Daniela Zobel erinnert die Stadtverwaltung daran, dass der Widerspruch gegen die erweiterten Floßgraben-Öffnungszeiten noch nicht bearbeitet wurde. „Die zudem unnötige Entkrautung im Februar und die jetzt erneut erteilte Sondergenehmigung lassen nur den Schluss zu, dass die Stadt gegen Recht und Faktenlage agiert. Der Schutz des Eisvogels und seiner Brut sind mit der jetzigen Regel nicht gegeben. Wir werden weiterhin der Natur zu ihrem Recht verhelfen.”

Im Dezember 2014 hatte der BUND Leipzig einen Verpflichtungswiderspruch gegen die geplante Aufweichung der Sperrzeiten in der städtischen Allgemeinverfügung eingelegt. Die im November veröffentlichte Allgemeinverfügung könnte den Schutz des stark gefährdeten Eisvogels und anderen im Floßgraben beheimateten Arten, wie der ebenfalls streng geschützten Grünen Keiljungfer, nicht nur nicht gewährleisten, sondern sogar stark gefährden. Des Weiteren hat der BUND Leipzig nochmals die negativen Auswirkungen der Schiffsschrauben auf die Pflanzen und Tiere im und am Wasser dargelegt. Die einzige Möglichkeit, die geschützten Arten im Floßgraben zu erhalten, sei, dort grundsätzlich keine motorbetriebenen Boote zuzulassen.

Der BUND Leipzig fordere daher die Stadtverwaltung auf, dem Leipzig-Boot alle weiteren Fahrten durch den Floßgraben zu untersagen und zuverlässige Rechtssicherheit bei diesem Thema zu schaffen.

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Es gibt 3 Kommentare

1. Der Eisvogel hat trotz Nutzung des Grabens und Waldes durch den Menschen in 2014 dort gelebt. Sein Bruterfolg war statistisch nicht auswertbar (Grundgesamtheit zu gering) – aber es gab Bruterfolge.
2. Der Eisvogel hat im Leipziger Auenwald (und im Rest Deutschlands) Deutlich geeignetere Ersatzreviere – die auch vom Menschen deutlich weniger Intensiv genutzt werden. Ergo: Die BUND Forderung ist unverhältnismäßig, rechtlich dennoch legitim. Wenn das Gesetz die Rechte der Tiere vor die Rechte der Menschen stellen würde….

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