Dass der Floßgraben eine attraktive Gewässerverbindung zum Cospudener See ist, das ist wohl keine Frage. Doch nicht erst der Männertag hat gezeigt, dass der Naturschutz hier für viele Nutzer keine große Rolle spielt und dass von Seiten der Stadt sinnvolle Kontrollen, Sperren und Hinweistafeln fehlen. Der NuKla e. V. macht sich jetzt in einem Offenen Brief an die Chefin des Leipziger Amtes für Umweltschutz Luft.

Darin geht es nicht nur um Motorboote, die augenscheinlich völlig unkontrolliert durch den Graben fahren, es geht auch um die Nichtexistenz flankierender Informationen durch die Stadt und um den Sinn jener Entkrautungsmaßnahme im Winter, bei der augenscheinlich die komplette Unterwasservegetation entfernt wurde. Womit der Lebensraum von Bitterling und Eisvogel eigentlich perdu ist und die Wasserqualität des Grabens sich deutlich verschlechtert hat.

Und während sich tausende Leipziger sorgen um das Brutrevier des Eisvogels, ist vor Ort augenscheinlich all jenen Wald und Busch eröffnet, denen Naturschutz schnurzegal ist. Übrigens nicht nur hier: Der gesamte Auwald ist mittlerweile zum Querfeldein-Paradies der Mountainbiker geworden. Und direkt am Floßgraben scheinen sie einen neuen Nervenkitzel gefunden zu haben.

Maria Ziemer wird in ihrem Offenen Brief im Namen des Vorstands des NuKla e. V. an die zuständige Amtsleiterin sehr deutlich: “Es gibt zwar das (relativ kleine) Hinweistransparent an der Einfahrt in den Floßgraben bzgl. der Sperrzeiten, jedoch keinerlei Verhaltenshinweise für die zahlreichen, unwissenden (bzw. ignoranten) Nutzer zu Wasser und zu Land. Die Mountainbiker trainieren auf dem von ihnen ausgefahrenen Weg direkt am Ufer, die Hundebesitzer lassen ihre Hunde frei laufen und im Wasser baden, und Fußgänger betreten auch die durch Rotweiß-Band eindeutig abgesperrten Bereiche. Es gibt keinen Hinweis darauf, warum diese symbolische Maßnahme dort installiert wurde.

Es ist absolut nicht nachvollziehbar, wieso die Stadtverwaltung das mehrfache Angebot eines privaten Kanuverleihers immer wieder abgelehnt hat, auf dessen eigene Kosten Schilder mit freundlichen Verhaltenshinweisen für die Nutzung eines solchen Schutzgebietes aufstellen zu dürfen! Diese Ablehnung verwundert allerdings nicht wirklich, wenn man weiß, dass die Stadt im WTNK 300 Paddelbootfahrten und 100 Motorbootfahrten kalendertäglich (!) durch den Floßgraben zum Ziel erklärt hat, was dieser angeblich immer noch gut verkraften soll.”

All das ist nicht neu. Aber mit der Entkrautungsaktion im Winter hat Leipzig eine neue Qualität erreicht, was die Aushebelung der geltenden Regeln in einem FFH-Gebiet betrifft. Aber die ausgeweiteten Durchfahrtzeiten durch den Floßgraben und die Sondergenehmigung für RanaBoot zielen in dieselbe Richtung. Man predigt Naturschutz – und hebelt ihn mit eigenen Maßnahmen und  Genehmigungen aus.

Der Offene Brief an Umweltamtsleiterin Freifrau von Fritsch in voller Länge:

Leipzig, 22.05.15

Sehr geehrte Freifrau von Fritsch!

am Sonntag des Himmelfahrtswochenendes nahm ich an einer geführten Kanutour durch den Floßgraben teil, Start 10.30 Uhr an der Schleuse Cospuden. Wir waren zu diesem Zeitpunkt die ersten, die den Floßgraben befuhren – bis auf ein privates Motorboot, das uns aus dem Floßgraben entgegenkam (?).

Als eine, die schon mehrfach in vergangenen Jahren durch den Floßgraben gefahren ist und ihn als ein Fließgewässer mit glasklarem Wasser kennt, war ich über den Zustand des Gewässers völlig entsetzt.

Nach der durch Ihr Amt genehmigten und mit schwerem Gerät realisierten Krautung des Floßgrabens im Februar d.J., die als Instandhaltungsmaßnahme und „Mahd“ verharmlost in der Presse kolportiert wurde und tatsächlich eine flächig fast vollständige, radikale Entfernung der Wasserpflanzen (offensichtlich mit Wurzeln, also nicht „gemäht“) ist, hat sich das saubere, ökologisch hochwertige Wasser in eine trübe Brühe verwandelt – und das nach der stundenlangen Ruhezeit seit dem Vortag!

Der Gewässerboden ist von einer Schlammschicht bedeckt – damit verschwand ein wichtiger Lebensraum für geschützte Tierarten, wie Libellen, und im Vorjahr dort noch lebend vorgekommener Muscheln, welche die Lebensgrundlage des Bitterlings sind. Auch die wenigen verbliebenen Wasserpflanzen werden nicht überleben können, da sie mehrheitlich mit einer dicken Schicht des Schlammes bedeckt sind, der durch die Nutzung aufgewirbelt wird und sich zumindest teilweise wieder absenkt. Damit verschwinden Wasserflöhe und andere Kleintiere, die Nahrungsgrundlage der Fische sind, welche wiederum die Lebensgrundlage für Vögel, u.a. den Eisvogel, bilden. Der feine Schlamm braucht Stunden, wenn nicht gar Tage (s.o.), um sich wieder zu setzen. Ohne die Filterfunktion der Pflanzen ist das ökologische Gleichgewicht in dem Fließgewässer bedroht.

Zudem wurde in Größenordnungen Totholz aus dem Wasser entfernt, so dass der Eisvogel kaum Ansitze zum Jagen und zum Einflug in seine Brutröhren findet.

Zwar wird die Einhaltung der Sperrzeiten durch die Wasserschutzpolizei (vermutlich eher sporadisch) kontrolliert und umgesetzt. Aber die in diesem Jahr festgelegten kurzen Ruhezeiten reichen bei weitem in keiner Weise aus, das Wasser wieder in einen Lebensraum bietenden Zustand zu bringen. Die Freizeitpaddler – dies konnte reihenweise zu Himmelfahrt beobachtet und dokumentiert werden – stochern mit ihren Paddeln im flachen Graben den Boden auf. Sie stoßen die Paddel in den Boden, um zu „ankern“, und steigen aus den Booten, um am Ufer zu grillen und zu urinieren, lassen dort ihren Müll liegen und stören in krasser Weise das Brutgeschehen.

Zusätzlich gibt es während der Befahrenszeiten keine Kontrolle darüber, ob auch private Motorboote, wie wir nachweisen können, durch den Floßgraben fahren. Zumindest an den Schleusen könnten denen die Durchfahrt in Richtung Floßgraben verweigert werden – notfalls unter Hinzuziehen der (Wasserschutz-) Polizei.

Es gibt zwar das (relativ kleine) Hinweistransparent an der Einfahrt in den Floßgraben bzgl. der Sperrzeiten, jedoch keinerlei Verhaltenshinweise für die zahlreichen, unwissenden (bzw. ignoranten) Nutzer zu Wasser und zu Land. Die Mountainbiker trainieren auf dem von ihnen ausgefahrenen Weg direkt am Ufer, die Hundebesitzer lassen ihre Hunde frei laufen und im Wasser baden, und Fußgänger betreten auch die durch Rotweiß-Band eindeutig abgesperrten Bereiche. Es gibt keinen Hinweis darauf, warum diese symbolische Maßnahme dort installiert wurde.

Es ist absolut nicht nachvollziehbar, wieso die Stadtverwaltung das mehrfache Angebot eines privaten Kanuverleihers immer wieder abgelehnt hat, auf dessen eigene Kosten Schilder mit freundlichen Verhaltenshinweisen für die Nutzung eines solchen Schutzgebietes aufstellen zu dürfen! Diese Ablehnung verwundert allerdings nicht wirklich, wenn man weiß, dass die Stadt im WTNK 300 Paddelbootfahrten und 100 Motorbootfahrten kalendertäglich (!) durch den Floßgraben zum Ziel erklärt hat, was dieser angeblich immer noch gut verkraften soll.

Die durchgeführte Krautung verstößt nach meiner Kenntnis im FFH- und Vogelschutzgebiet gegen alle bestehenden naturschutzrechtlichen Vorschriften sowie gegen das Verbesserungsgebot der EU-Wasserrahmenrichtlinien. Im Rahmen des Allgemeingebrauches gibt es aus unserer Sicht für eine solche „Unterhaltungsmaßnahme“ ebenfalls keine rechtliche Grundlage.

Ein „Öffentliches Interesse“ im juristischen Sinne kann daher ebenfalls nicht vorliegen.

Hier wurde auf Anordnung der Leipziger Stadtverwaltung und zwangsläufig mit Zustimmung des Umweltamtes in ein ausgewiesenes Schutzgebiet derart „nachhaltig“ eingegriffen, dass augenscheinlich zumindest von einer anhaltenden Störung, wenn nicht sogar Zerstörung dieses sensiblen Ökosystems auszugehen ist.

Ich bitte deshalb um Beantwortung folgender Fragen bis zum 15.6.2015:

1. Auf welcher rechtlichen Grundlage erfolgte die o.g. Komplettentfernung der Wasserpflanzen und die fast vollständige Beräumung des Wassers von dem für Paddelboote (also den Allgemeingebrauch) unproblematischen und für das Funktionieren des geschützten Ökosystems existentiellen Totholz?

2. Mit welcher Regelmäßigkeit finden die Kontrollen der Sperrzeiten durch die Polizei statt?

3. Mit welchen Maßnahmen, neben der Kontrolle der Sperrung, wird die Stadt Leipzig einen dem Schutzstatus des Floßgrabens angemessenen Umgang der Nutzer durchsetzen?

4. Welche Maßnahmen werden ergriffen, um dem Floßgraben eine Wiederherstellung seines ökologischen Gleichgewichtes zu ermöglichen? (Hier kommt m.E. nur eine sofortige und komplette Sperrung in Frage – bis sich zumindest wieder Wasserpflanzen ansiedeln können.)

Mit Dank für Ihre Mühewaltung!

Hochachtungsvoll Dipl. phil., Dipl. psych. Maria Ziemer, NuKLA Vorstand

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