Es kommt fast zeitgleich zusammen und hat auch indirekt etwas miteinander zu tun: Die Initiative Wagenplatz Focke 80 lädt für den heutigen Donnerstag, 30. Juli, um 15 Uhr auf den Marktplatz zu einer Kundgebung ein. Man fühlt sich auf dem Wagenplatz in der Fockestraße 80 bedroht. Und die CDU-Fraktion beantragt, den Platz für einen Schulbau frei zu halten.

Klingt erst einmal, als wolle die CDU-Fraktion die Wagenleute durch eine Schule vertreiben. Aber es ist eher die Leipziger Stadtverwaltung, die noch keine Lösung für die Wagenleute an der Fockestraße hat, aber ganz so agiert, als seien sie gar nicht da. In diesem Fall ist es das Liegenschaftsamt, das ein paar alte Gebäude auf dem Grundstück abreißen will, eine richtige Kommunikation mit den Wagenleuten, die sich hier eingerichtet haben, aber nicht hinbekommt: “Anlass ist die Ankündigung von Liegenschaftsamtleiterin Unverfehrt, die Baumaßnahmen ohne jegliche Absprache mit uns als Bewohner_innen öffentlich für Baufirmen auszuschreiben. Wir halten diesen Umgang des Liegenschaftsamts für untragbar und sprechen uns weiterhin gegen den Abriss auf unserem Gelände aus. Das Projekt Fockestraße 80 soll in seinem jetzigen Zustand erhalten werden. Über etwaige Instandsetzungsmaßnahmen wollen wir als Bewohnerinnen mitentscheiden und sind bereit in Eigenleistung Vorkehrungen zu treffen. Auch der neuerliche Vorstoß der CDU-Fraktion wird Thema sein.”

Dieser Vorstoß bezieht sich direkt auf eine Antwort der Stadtverwaltung auf eine CDU-Anfrage aus dem Juni. Die hatte einen ganzen Fragenkatalog zu allen offiziellen Stellplätzen auf städtischen Grundstücken gestellt. Die Verwaltung hatte entsprechend bürokratisch geantwortet. Nur zum Stellplatz am Karl-Heine-Kanal gibt es bislang eine Lösung. Zu den Stellplätzen am Lauerschen Weg 70a und an der Fockestraße 80 gibt es keine. Und in großen Teilen versteckt sich die Verwaltung nach wie vor hinter den nicht existierenden Regelungen in der deutschen Baugesetzgebung zu alternativen Wohnformen in einer Stadt.

Das ist übrigens nicht nur ein Leipziger Thema. Auch andere Städte nutzen die Gesetzeslücke, um auch etablierte Wohnprojekte zu vertreiben, an den Rand der Städte zu drängen oder auch zu diskriminieren. Und nicht nur Städte tun sich schwer mit der Akzeptanz solcher Wohnformen – in den Landkreisen sieht es nicht besser aus.

Und zum Wagenplatz an der Fockestraße waren die Auskünfte der Verwaltung auch deutlich verkniffen. Einen Lösungsansatz konnte die Verwaltung nicht präsentieren, antwortete auf die direkte Frage der CDU-Fraktion aber ganz so, als würden die Wagenleute dort überhaupt nicht existieren.

Die CDU-Fraktion hatte gefragt: „Wurde die Eignung des Grundstücks Fockestraße 80 zur Nutzung a) als Kita-Standort, b) für eine Asylbewerberunterkunft geprüft? Wenn ja: mit welchem Ergebnis? Wenn nein: warum nicht, und wird eine solche Prüfung nachgeholt?“

Und das Ordnungsdezernat antwortete: „Das Grundstück Fockestraße 80 wurde durch die Stadtverwaltung auf eine verwaltungseigene Nutzung vorgeprüft. Im Ergebnis könnte der Standort als Schulstandort geeignet sein. Die endgültige Eignung bedarf weiterer Untersuchungen. Der Stadtverwaltung liegen Kaufanträge Dritter für das Grundstück vor.“

Eine Steilvorlage für die Fraktion, die die Wagenplätze gern aus dem Stadtbild verschwinden sehen möchte. Also machte man gleich postwendend einen neuen Antrag fertig, der in dieser Woche öffentlich wurde. Freilich ist es auch ein Antrag, der den Wagenleuten sogar auf ein paar Jahre Standortsicherheit geben könnte. Denn wenn die Stadt den Platz als Standort für eine Schule sichert, kann er nicht verkauft werden. Und die von der Stadt benannten Kaufinteressenten würden mit ziemlicher Sicherheit sofort losbauen wollen. Denn Wohnungen an diesem Standort direkt am Auenwald sind begehrt. Dass sie freilich mitten im potenziellen Überschwemmungsgebiet stehen, interessiert augenscheinlich Leute, die dicht am Grün wohnen wollen, derzeit gar nicht.

Und so lautet der  Antrag der CDU-Fraktion: “Der Oberbürgermeister wird beauftragt, für das städtische Grundstück Fockestraße 80 bis zum Ende des IV. Quartals 2015 einen Nutzungsvorschlag als Schulstandort vorzulegen. Von einem Verkauf des Grundstücks wird aufgrund der angespannten Schulsituation abgesehen.”

Da ein Schulneubau an dieser Stelle vor 2019 gar nicht eingetaktet ist, würde das für den Wagenplatz eine echte Galgenfrist bedeuten. Und für die Verwaltung würde es bedeuten, es könnte mit den Wagenleuten gemeinsam nach einer attraktiven Lösung suchen. Denn einfach Wagenplätze aus dem Stadtbild zu retuschieren ohne den Betroffenen gute Alternativen zu bieten, das wäre nichts als herzlose Bürokratie.

Ihren Antrag, den Platz an der Fockestraße für eine Schule zu reservieren, begründet die CDU-Fraktion so: “Leipzig ist eine rapide wachsende Stadt. Dieses Wachstum ist gleichermaßen erfreulich wie es uns auch vor große Herausforderungen stellt. Eine der größten Herausforderungen dieser Wahlperiode ist der Ausbau des städtischen Schulnetzes.

Die Antwort auf die Ratsanfrage VI-F-01456 betonte ausdrücklich die grundsätzliche Möglichkeit, auf dem Grundstück Fockestraße 80 einen Schulstandort zu errichten. Aufgrund der zunehmenden Bevölkerungsdichte und des Mangels an bebaubaren städtischen Grundstücken im Leipziger Süden halten wir diesen Schulstandort für unverzichtbar. – Daher muss von einem Verkauf dieser Liegenschaft zwingend abgesehen werden.”

Ihre Demo am heutigen 30. Juli um 15 Uhr auf dem Markt wollen die Wagenleute aus der “Focke 80” richtig bunt gestalten: mit Laster, Musik und einer Fotowand vor Ort “um den Menschen in Leipzig das Wagenleben vorzustellen und auf die Bedeutung unserer alternativen Lebenskultur aufmerksam zu machen.”

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