Mutter Krausens Fahrt ins Glück endet augenscheinlich wieder an einem Stadtrat, der für Humor und Warmherzigkeit nicht allzu viel übrig hat. Am Freitag veröffentlichte der Petitionsausschuss des Leipziger Stadtrates seine Stellungnahme zur Petition, ein Teilstück der Simildenstraße umzubenennen in „Frau Krause ihre Straße“. Die Petition hatte durchaus Gründe, denn eigentlich gibt es ja in Connewitz zwei Simildenstraßen.

Der Schein trügt, dekretiert jetzt der Petitionsausschuss, in dem einige der humorlosesten Leipziger Stadträte beisammensitzen. Wie sie freilich abgestimmt haben, das verrät ihre Wortmeldung nicht.

Dafür kreidet man den Connewitzer Antragstellern eher eine laxe Haltung zur Grammatik an.

“Der Petent begehrt, die ehemalige Wirtin der Gaststätte ‘Marienburg’ Frau Hannelore Krause mittels einer Straßenbenennung zu würdigen, und schlägt dazu vor, denjenigen Abschnitt der Simildenstraße, welcher zwischen der Selneckerstraße und dem südlichen Teil der Simildenstraße in Nord-Süd-Richtung verläuft, in ‘Frau Krause ihre Straße’ umzubenennen. Zugleich soll in dem umzubenennenden Straßenabschnitt die Hausnummerierung neu festgesetzt werden, wobei das Eckhaus, in dem sich die bezeichnete Gaststätte befindet, die Hausnummer 1 erhalten soll. – Der Petent begründet sein Anliegen mit Frau Krauses Warmherzigkeit, die als Wirtin der an der Straßenkreuzung Simildenstraße/Simildenstraße gelegenen Gaststätte Marienburg, welche heute ihr zur Ehre bereits den Namen ‘Frau Krause’ trägt, ihren Gästen über viele Jahre Trost und Seelsorge spendete. Mit der beantragten Umbenennung soll zugleich das ‘Paradoxum’ (sic!) der scheinbar zweifach existierenden Simildenstraße beseitigt werden.”

Das gehe alles nicht, wird dann ausführlich erläutert.

Erstens lebe ja Frau Krause noch: “Die Würdigung von Personen mit einer Straßenbenennung ist in Leipzig zudem eine ausschließlich posthume Ehrungsform. Frau Hannelore Krause genießt allerdings, noch heute in Connewitz lebend, dort ihren verdienten Ruhestand, so dass eine Benennung zum jetzigen Zeitpunkt ohnehin nicht erwogen werden kann.”

Und zweitens sei die gewählte Grammatik unmöglich: “Abgesehen davon mag der vorgeschlagene Straßenname ‘Frau Krause ihre Straße’ zwar originell sein, jedoch ist er grammatikalisch fehlerhaft. Korrekte Formen der Namensgebung wären Hannelore-Krause-Straße oder Krausestraße. Mit der vorgeschlagenen Possessivkonstruktion würde zudem der nicht zutreffende Eindruck erweckt, dass es sich um eine nicht öffentliche Straße handelt und Frau Krause die Eigentümerin oder Besitzerin der Straße sei.”

Und drittens gäbe es gar keine zweite Simildenstraße. Das sei ein Irrtum.

Der darauf beruhe, dass die Stichstraße, die heute zur Selneckerstraße Straße führt, erst 1890 entstand, damals als Zufahrt zum neu angelegten Pferdedepot der Straßenbahn. Die Gleise liegen ja heute noch in der Simildenstraße, aus dem Depot ist ein Biomare geworden und die Stichstraße, die bis 1898 zum alten Connewitzer Friedhof führte (auf dem heute die Paul-Gerhardt-Kirche steht)  wurde wohl um 1900 durchgeführt bis zur Selneckerstraße. Es entstanden Wohnhäuser an der Straße und eigentlich hätte die Straße, die zuvor einfach der Marienstraße (heute Simildenstraße) zugeschlagen wurde, längst einen eigenen Namen bekommen können.

Das sehen die Connewitzer wohl richtig. Und gerade die umständliche Erklärerei in der Ablehnung der Petition macht deutlich, dass sie einfach Recht haben.

Aber wenn fünf Stadträte nicht wollen, dann wollen sie nicht. Dann fangen sie auch noch mit der umständlichen Umnummerierung der Hausnummern an und versuchen, den Zustand in diesem Teil von Connewitz für sinnvoll zu erklären: “Die Situation, dass Stichstraßen den gleichen Namen tragen wie die Straße, von der sie abzweigen, ist nicht ungewöhnlich und wie auch hier meist damit begründet, dass die Stichstraßen erst später im Zuge fortschreitender Erschließung angelegt worden sind. Im vorliegenden Fall ist nun allerdings die Besonderheit gegeben, dass der betreffende, als Stichstraße ausgeführte Abschnitt erst zu einem späteren Zeitpunkt als durchgängige Straßenverbindung in Richtung Norden zur Selneckerstraße weitergeführt wurde und daher heute als eigenständige Straße wahrgenommen werden kann. Eine Umbenennung dieses Straßenabschnittes ist daher zwar denkbar, aber nicht notwendig.”

Aber eine reelle Chance eröffnet die Ablehnung. Sie formuliert tatsächlich den Weg, wie eine Umbenennung herbeigeführt werden kann: “Unabhängig von einer bestimmten Namensgebung kann eine Umbenennung und Umnummerierung daher nur in Betracht gezogen werden, wenn sich die große Mehrheit der Anwohner dafür ausspricht. In den bewohnten Gebäuden des zur Umbenennung vorgeschlagenen Straßenabschnittes leben derzeit rund 120 Einwohner, welche von einer Umbenennung betroffen wären.”

Na dann mal los, könnte man sagen: Stimmt mal ab. Und dann wären alle sehr gespannt, ob die Leute in der Stichstraße weiter zur Simildenstraße gehören wollen oder doch lieber in einer Hannelore-Krause-Straße wohnen wollen.

Die Simildenstraße ist übrigens nach Similde Gerhard benannt, Tochter des Kunstmäzens Wilhelm Gerhard, Stifterin von Kinderbewahranstalten (wie Kitas damals hießen) und eifrig besorgt um Kriegsverwundete, in diesem Fall denen aus den Kriegen 1866 und 1870/1871. Den 1914er Krieg hat sie nicht mehr erlebt. Sie ist 1903 gestorben.

Die Begründung der Ablehnung.

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Es gibt 3 Kommentare

Aus meiner Erfahrung ist der P-Ausschuss eine lächerliche Angelegenheit. Ausschuss eben der Demokratie. Auch wenn einzelne der vielen Petitionen sogar erfolgreich waren – überwiegend werden die Petitionen abgelehnt mit der einfachen Begründung (jetzt absolut kurzgefasst): die rechtsstaatlichen Wege sollten begangen werden. Damit macht sich der P-Ausschuss zwar gerade sinnfrei, denn den Petenten fehlt es oft an den Mitteln, rechtsstaatliche Wege durchzustehen.
Also hier bei Mutter Krauses ihrer Straße sollten die abgeblitzten Petenten (ein bescheuertes Wort – vielleicht auch PetentInnen?) proffesionell vorgehen:Verein gründen, Geld Sammeln, Verwaltungsrechtler bezahlen usw. … Und: die Renftstraße hatte es ja auch geschafft…
Aber vielleicht ist diese Bürokratie und sind die hohen Hürden für die “direkte” und zu befürchtende populistische Demokratie, welche Volksbegehren regelmäßig scheitern lassen, doch ganz gut so? Denn wie aktuell bewiesen, sind auch rechte Kräfte, sogenannt konservative Kräfte durchaus in der Lage, tausende Bürger zu mobilisieren. Und heimliche Beifallklatscher gibt es noch viel mehr.

Wer nie über den eigenen Tellerrand hinausblickt, wird auch nie in den Genuss des Käses in der “Frau Krause” kommen. Und so verwundert die bürgerferne Entscheidung des Petitionsausschusses ebenso wenig wie deren weltfremde Begründung.
(1) Mit der Umbennung sollte meines Erachtens das Wirken der Wirtin gewürdigt werden. Sonst hätte man die Straße wirklich in “Hannelore-Krause-Straße” umbenennen können, der Antrag sieht jedoch anderes vor!
(2) Der Namen “Frau Krause ihre Straße” ist nicht “grammatikalisch fehlerhaft”, viel mehr spiegelt er Mundart wieder. In diesem Zusammenhang können sich die Leipzigerinnen und Leipziger glücklich schätzen, dass es in dieser Stadt schon eine Lene-Voigt-Straße gibt. Wahrscheinlich würde eine eine Petition zur Umbennung einer Straße oder eines Platzes mit der Begründung scheitern, die Dichterin konnte ihre Verse zu Lebzeiten noch nicht einmal in vernünftiger deutscher Sprache niederschreiben.
(3) In der Begründung heißt es “Es sei unbestritten, dass Frau Krause ihren Gästen einfühlsam, warmherzig und trostspendend begegnete, jedoch liegt es gerade in der Natur des Gastwirtberufs, dass dem Wirt bzw. der Wirtin das Wohlergehen der Gäste besonders am Herzen liegt.” Ja, es sei unbestritten, dass die Vertreter der Fraktionen im Petitionssausschuss in erster Linie Vertreter der Leipziger Bürgerschaft sind, jedoch liegt es in der Natur von Wahlen, dass Volksvertreter, denen das Wohlergehen der Wählerinnen und Wähler nicht am Herzen liegt, eher abgewählt werden.
(4) Weiterhin wird ausgeführt: “Unabhängig von einer bestimmten Namensgebung kann eine Umbenennung und Umnummerierung daher nur in Betracht gezogen werden, wenn sich die große Mehrheit der Anwohner dafür ausspricht.” Gilt/galt dieses Argument auch bei allen anderen zukünftigen/vergangenen Umbenennungen?

Diese fünf Stadträte haben wohl ernsthaft geglaubt, “der Petent” hätte die “falsche” Grammatik nicht beabsichtigt…

Wie ich schon seit längerem feststelle: Die Leipziger haben zwar Mutterwitz, aber nicht wirklich Humor und Ironie drauf. Merkt man an allen Ecken. Die Zeit des politischen Kabaretts ist ja lange vorbei.

Ich bin mir sicher, dass man sich in Berlin oder Hamburg um so eine Straßenbenennung reißen würde.

Aber hier finden feminisierte Straßennamen oder der “Refugees Welcome”-Platz nur schäumende Empörung bei den Spießbürgern.

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