Es war die CDU-Fraktion, die im vergangenen Sommer einen zumindest burschikosen Antrag stellte: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, für das städtische Grundstück Fockestraße 80 bis zum Ende des IV. Quartals 2015 einen Nutzungsvorschlag als Schulstandort vorzulegen.“ Burschikos deshalb, weil das einer der wenigen von der Stadt bislang geduldeten Wagenplätze ist und Stadt und Wagenleute damals auch in Verhandlung standen.

Die Wagenleute hatten durchaus signalisiert, dass sie das Grundstück ganz ordentlich kaufen würden, wenn’s möglich wäre. Doch wo sich die Stadt mit Wagenplätzen schon schwer tut, ist die CDU eher für eine harte Gangart: „Von einem Verkauf des Grundstücks wird aufgrund der angespannten Schulsituation abgesehen.“

Und dieser Teil des Anliegens stieß bei Leipzigs Verwaltung sichtlich auf offene Ohren. Drei Dezernate – Stadtentwicklung und Bau; Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule sowie Wirtschaft und Arbeit – haben nun so eine Art Alternativvorschlag vorgelegt, in dem die Wagenleute nur noch indirekt vorkommen, in dem aber deutlich gesagt wird: Die Stadt will ihnen das Grundstück nicht verkaufen.

Die CDU-Fraktion hatte damit argumentiert, dass man hier doch prima eine Schule hinbauen könnte. Aber das finden die drei Dezernate zumindest gar nicht sinnvoll, denn das Gelände ist nun einmal ganz normales Überschwemmungsgebiet. Darüber täuscht der gewaltige Fockeberg hinweg, der hier 1945 mit Kriegstrümmern mitten auf alten, regelmäßig überfluteten Bauernwiesen hingeschüttet wurde. Deswegen eigne sich das Grundstück nicht unbedingt gut als Schulstandort, betonen die drei Dezernate. Man habe deshalb zwischenzeitlich auch deutlich bessere Standorte gesucht und gefunden.

Aber an die Wagenleute verkaufen will man das Fleckchen dann trotzdem nicht: „Das Grundstück Fockestraße 80 verbleibt (wie im Antrag vorgeschlagen) im Eigentum der Stadt. Aufgrund besser geeigneter Standorte wird er mittelfristig nicht als Schulstandort genutzt, aber aufgrund der Bevölkerungsentwicklung strategisch als Fläche für soziale Infrastruktur vorgehalten.“

Die Idee, hier eine Schule hinzubauen, hatte die Stadt selbst geäußert in einer früheren Anfrage zum Wagenplatz. Nun versucht man sich hier mit einer „sozialen Infrastruktur“ irgendwie zu positionieren: „Aufgrund der Bevölkerungsdynamik ist der Standort Fockestraße jedoch strategisch als Fläche für soziale Infrastruktur zu sichern, um auch langfristig Handlungsmöglichkeiten zu bewahren. Von einem Verkauf wird daher abgesehen.“

Für die Wagenleute der Focke 80 ist also nur eines geklärt: dass sich der ungeklärte Zustand fortsetzt.

Und die Antwort verrät auch, dass der Standort eigentlich auch für soziale Infrastrukturen nicht geeignet ist, denn gleich daneben lärmt der Verkehr der B2. Es ist einer der Gründe dafür, warum hier keine Grundschule Sinn macht: „Gerade bei Grundschulen ist die Stadt bestrebt, kurze Schulwege zu gewährleisten. Der Standort Fockestraße kann die fehlenden Kapazitäten nicht angemessen bedienen, da dieser aufgrund seiner Lage südlich der Richard-Lehmann-Straße weit entfernt vom eigentlichen Bedarf liegt. Darüber hinaus ist der Standort sehr stark verlärmt (Lärmkartierung 2012: 60 – 70 dB Kfz – Verkehrslärm Tag), so dass eine Grundschulnutzung nur mit starken Beeinträchtigungen möglich wäre.“

Da haben sich die Wagenleute also ein ganz und gar nicht attraktives Plätzchen gesucht – und sind trotzdem unerwünscht.

Manchmal klingen auch die Ausreden der Leipziger Verwaltung wie aus dem Pantoffelkino. Verkehrlich angebunden ist das Grundstück auch noch schlecht.

Also hofft die Verwaltung, endlich auf dem Gelände des Bayrischen Bahnhofs losbauen zu können, wo Grundschule und Oberschule einfach besser platziert wären.

Die Stellungnahme der Verwaltung zur Fockestraße 80.

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Was ist für die Leipziger Stadtverwaltung “soziale Infrastruktur”? Nur Stadthäuser in Schuhkartonbauweise oder neue Parkhäuser (heimelig “Quartiersgaragen” genannt)?

Gehört eine Wagenburg nicht zur sozialen Infrastruktur?

Wie so oft: Die Stadtverwaltung plant und denkt nur für eine ganz bestimmte Klientele, die als “bürgerliche Mittelschicht” umrissen wird. Das sind die Leute mit gutem Haushaltseinkommen, zwei Autos, zweimal Urlaub im Jahr, Sicherheit einer Abzahlung für eine Eigentumsbleibe und 2-3 Kindern, deren Studium man auch finanzieren kann. Das ist keine “reiche” Minderheit in Leipzig, sondern der Normalfall.

Aber Leipzig ist eine echte Großstadt, wo es auch andere Lebenswelten gibt. Eine Wagenburg ist nichts Aussätziges! Schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Auch hier werden Steuern, Abgaben, Strom und Wasser bezahlt. Die LVZ und deren gutgläubige Leser werden es sicher nicht glauben wollen.

Willkommen, liebe Stadtverwaltung, in der Gegenwart 2016.

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