Gut Ding will Weile haben. Da muss gerechnet werden, manchmal mit sehr spitzem Stift, wie bei der neuen Spielstätte für das Schauspiel Leipzig, die in die Räume der bis 2011 dort betriebenen Diskothek „Schauhaus“ eingebaut werden soll. Seit 2014 sind die Kostenkalkulationen für das Projekt drastisch zusammengeschrumpft. Jetzt soll der Stadtrat das Projekt endgültig beschließen.

Wer sich erinnert: 2014 ging es hoch her. Die kleine Spielstätte „Skala“ hatte 2012 vor allem aus bautechnischen Gründen schließen müssen, die Substanz der Spielstätte war völlig zerschlissen. Aber das Schauspiel Leipzig braucht eine kleine Spielstätte für all jene Stücke, für die der große Saal einfach zu groß ist, wo auch intimes und experimentelles Theater wieder öfter stattfinden kann.

Damals schlug die Stadt locker aus der Hüfte vor, doch einfach das Haus Gottschedstraße 16 mit der alten „Skala“-Spielstätte zu verkaufen und den Erlös in die Finanzierung einer neuen Spielstätte in den alten „Schauhaus“-Räumen zu stecken. Erste Kostenschätzungen für die neue, barrierefreie Spielstätte lagen bei 7 Millionen Euro. Da verstand man schon, dass die Verwaltung nach Wegen suchte, das Projekt mit Erlösen gegenzufinanzieren.

Nur liefen berechtigterweise Akteure der Leipziger Freien Szene zu heftigster Kritik auf, kämpften sie doch schon seit Jahren auf verschiedensten Wegen darum, eine bezahlbare eigene Spielstätte in Innenstadtnähe zu bekommen. Am couragiertesten die Cinémathèque Leipzig, die schon ziemlich genau wusste, was sie in so einer Spielstätte anbieten würde. Doch da man keinen reichen Schweizer Investor im Rücken hat und mit freien Kulturangeboten auch in Leipzig keine Reichtümer verdient, ist so ein Projekt nur mit Unterstützung der Stadt zu stemmen. Und das Haus Gottschedstraße 16 bot sich geradezu an – für einen etablierten Gastronomiebetrieb, gekoppelt mit einem prallen Kulturangebot und einer möglichen Herberge für Künstler, die in Leipzig gastieren, sich die üblichen Hotelpreise aber nicht leisten können. So jedenfalls die Vision der Cinémathèque Leipzig.

Das Projekt ist noch offen, auch wenn die Stadt mittlerweile Bewerbungen für das Haus entgegengenommen hat. Auf der anderen Seite rechnet die Verwaltung noch immer fest damit, aus dem Hausverkauf 1 Million Euro zu erlösen, mit denen dann die Bauaktivitäten im Schauspielhaus gepuffert werden können.

Und die werden nun tatsächlich nicht so teuer, wie einige Schnellrechner auch 2014 noch ausgetüftelt hatten, als sie die einzelnen Posten summierten. Damals ging die Stadt dann noch von Kosten in Höhe von 5,85 Millionen Euro aus. Aber selbst da hatte man eher etwas üppig kalkuliert.

Tatsächlich wird die neue Spielstätte mit bis zu 199 Sitzplätzen nur 4,64 Millionen Euro kosten, wie die Vorlage des Kulturdezernats jetzt ausweist.

Die Kurzbescheibung dessen,  was da ab Sommer 2016 gebaut werden soll: „Die zukünftige Zweitspielstätte soll unter dem Namen ‚Diskothek‘ vorwiegend zeitgenössisches, modernes Theater bieten. Dies soll sich auch in der Gestaltung der Spielstätte wiederspiegeln. Hierbei soll generell die bereits vorhandene Optik (sichtbarer Stahlbau, Rohbau, Betondecken, sichtbare Ziegelsteine) in der Gestaltung der neuen Spielstätte aufgegriffen und thematisiert werden. Dies bietet, in Kombination mit modernen Materialien, durchaus interessante Gestaltungsmöglichkeiten mit Kultpotential um den außergewöhnlichen Charakter dieser Spielstätte abzubilden. – Es soll ein großzügiger Foyerbereich mit einem angegliederten Garderoben-, Kassen- und Barbereich sowie einer WC-Anlage geschaffen werden. An diesen schließt die eigentliche Szenefläche mit einer Fläche von 217 qm an. Größten Wert wurde auf eine hohe Flexibilität der Spielstätte gelegt, um möglichst viele unterschiedliche Spiel- bzw. Nutzungsvarianten zu erzielen. Daher gibt es keine klassische Spielrichtung und Bühnensituation, sondern es wird ein multifunktioneller Raum mit verschiedensten Spielmöglichkeiten und Bestuhlungsvarianten geschaffen.“

Gebaut werden soll bis Herbst 2017, sodass die neue Spielstätte zur Saison 2017/2018 zur Verfügung steht.

Die Vorlage zum Nachlesen.

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Keine Kommentare bisher

4,6 Millionen hören sich eigentlich nicht besonders teuer an. Das sind 4 bis 5 teilsanierte Gründerzeithäuser.

Die Schließung der Neuen Szene/Skala war seinerzeit ein sehr schwerer Fehler der Stadt. Wie oft ich da hingegangen bin! Oft auch nur in die Kneipe, wo es keine Goldkettchen gab.

Ich hoffe sehr, dass etwas von dem Flair wieder in der “Diskothek” kommt. 🙂

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