Die CDU-Fraktion Leipzig lässt nicht locker. Denn sie ahnt, dass es eine knappe Nummer werden könnte, was das Leipziger Baudezernat da bei den Wartehäuschen an den Haltestellen der LVB versucht. Während die Stadtverwaltung in der kommenden Ratsversammlung am 23. März die anderen der vier Lose der Gesamtausschreibung zur Abstimmung stellen möchte, hat die CDU in einem Änderungsantrag eine Verlängerung des derzeitigen Betriebes durch JCDecaux um weitere drei Jahre beantragt. Ob dies nötig ist und wie man sich einen solch großen Umbau vorstellen muss, zeigt ein Blick nach Aachen. Dabei verweist Rolf Falkenberger, Leiter des strategischen Immobilienmanagements der Domstadt, auf durchaus positive Erfahrungen – auch mit anderen Firmen.

Bei Recherchen zum Thema „Stadtmöblierung“ und Neuvergabe von Werbekonzessionen stößt man neben Bonn relativ schnell auf die nordrhein-westfälische Stadt Aachen. Gut halb so groß wie Leipzig hatte die Stadt Mitte 2014 das gleiche Problem mit ihren 460 Wartehäuschen wie aktuell Leipzig mit derzeit rund 500 von 864. Derselbe Anbieter wie seit 1991 in der Messestadt, JCDecaux, hatte seit 1986 den Auftrag gehalten, die Haltestellenbauten in Aachen für den Busverkehr zu stellen und gleichzeitig zu vermarkten. Laut EU-Vergaberecht war dies nicht mehr zulässig, die beiden Leistungen mussten getrennt ausgeschrieben werden.

Ein Vorgang, bei welchem gerade in Leipzig die Angst umzugehen scheint, welche in Aachen schon überwunden ist. Medial gepolstert durch die LVZ fürchten manche im Winter 2017 chaotische Zustände, den Anstieg von Regenschirmkäufen und scharfen Wind an Haltestellen ohne Unterstellmöglichkeiten.

Wie sind die Aachener Erfahrungen mit Anbieter, neuen Wegen und den Abläufen?

Bis Ende 2015 war in Aachen für die kommenden 15 Jahre neu zu vergeben gewesen, nun knapp drei Monate nach der Jahreswende stehen fast alle neuen Haltstellenbauten. Rolf Frankenberger, verantwortlich für das gesamte Verfahren in der berühmten Domstadt, blickt im Gespräch mit der L-IZ auf die Stolperstellen und Abläufe einer durchaus schwierigen Operation zurück. Die Probleme in Aachen – wie auch in Leipzig – die notwendigen Investitionen für den Neustart, eine saubere Planung während des laufenden Betriebs und der drohende Unmut bei den Fahrgästen des ÖPNV.

Denn, so Falkenberger zum grundlegenden Prozedere im Gespräch: „Das bisherige Netz von Haltestellen wuchs ja über Jahre an, wurde von JCDecaux seit 1986 kontinuierlich und nicht auf einmal aufgebaut.“ Das ganze Gegenteil also zu der Hauruck-Aktion, welche die Stadt Aachen nun gerade hinter sich hat und die in Leipzig auch nicht viel anders verlaufen dürfte. Während man in Aachen jedoch 1,5 Jahre Planungszeit hatte, läuft eben diese den Leipzigern zunehmend davon. Im Endspurt wird es nicht viel anders laufen als in Aachen – der eine baut ab, der neue Anbieter baut in möglichst knapper Folge wieder etwas Neues hin.

Denn, so der Verantwortliche in Aachen weiter zur europäischen Vergaberegelung: „Jeder infrage kommende Anbieter musste die Häuschen neu bauen, um eine Gleichstellung aller, also auch neuer Anbieter im Vergabeverfahren zu gewährleisten.“ Was also in jedem Fall auch in Leipzig zum Abbau der bisherigen Haltestellenhäuschen führen wird – ganz gleich, wer im nun angelaufenen neuen Vergabeverfahren den Zuschlag für den Bau der Häuschen und – davon getrennt zu vergeben – die Vermarktung erhält.

Eines der neuen Wartehäuschen in Aachen von der Firma „Epsilon“ gebaut und von RBL betrieben. Foto: Stadt Aachen/RBL
Eines der neuen Wartehäuschen in Aachen von der Firma „Epsilon“ gebaut und von RBL betrieben. Foto: Stadt Aachen/RBL

Und in Aachen war JCDecaux schnell beim Rückbau. „Der erste mögliche Arbeitstag war der 4. Januar 2016, JCDecaux hat sofort mit dem Abbau begonnen und war binnen von sechs Wochen mit den über 400 Häuschen fertig“, so Rolf Falkenberger gegenüber L-IZ.de. Der Aufbau der neuen 460 Haltestellenhäuschen dauerte hingegen knapp drei Monate. Was angesichts der notwendigen Fundamentarbeiten, einem Wintereinbruch in Aachen während der Zeit und der Einmaligkeit der Aktion ein durchaus flotter Ablauf war, auch wenn man es innerhalb von zwei Monaten schaffen wollte.

Es gibt also gute Gründe, hier zu vermuten, dass bei einer nicht gütlichen Einigung zwischen JCDecaux und der Stadt Leipzig der 2. Januar 2017 der Startschuss für eine großflächige Rück- mit gleichzeitiger Aufbaubaumaßnahme unter hohem Zeitdruck werden könnte. Die Monate wären dann Januar, Februar und sicher aufgrund der höheren Anzahl auch März und April 2017.

Eben diese Angst treibt vor allem die CDU-Fraktion um. Auf L-IZ-Nachfrage erklärt Sabine Heymann (CDU): „Bis Ende 2016 ist die Wirtschaftlichkeit der Alternative einer Investition durch die Stadt Leipzig oder eine ihrer Firmen selbst nicht abschließend prüfbar, insbesondere, wenn die dafür erforderlichen Beschlüsse und Verträge herbeizuführen sind. Somit könnten die Fahrgastunterstände (FGU), falls die Eigeninvestition tatsächlich wirtschaftlicher sein sollte, erst im Laufe des Jahres 2017 neu errichtet werden. Da der bisherige Eigentümer seine FGU umgehend Anfang 2017 abbauen muss, werden tatsächlich zahlreiche LVB-Kunden im Schnee und Regen stehen.“

Leipzigs Baudezernentin Dorothee Dubrau (Parteilos) scheint jedoch noch an eine Machbarkeit zu glauben, vielleicht auch weil sie wohl muss. Bereits am 24. Februar 2016 erklärte sie im Stadtrat, man habe hier noch einen „Faustpfand“. Immerhin brauche auch JCDecaux für den Abbau städtische Genehmigungen. Doch mit jedem Tag, in dem das Eigentum der Firma länger steht, kann JCDecaux auch Kosten geltend machen.

Nicht grundlos also möchte die Stadt Leipzig wohl in einer Einigung mit der ganzen Aktion näher an den Sommer 2017 heran, nicht jedoch weitere drei Jahre warten. Eine Rücknahme der Kündigung des Gesamtvertrages sei eh nicht möglich, so Dubrau, was auch eine Verlängerung um einen solchen Zeitraum logisch ausschließe.

Warum will die Stadt Leipzig selbst bauen lassen?

Der größte Unterschied zwischen den beiden Städten ist, neben der reinen Menge an neu zu errichtenden Unterstellmöglichkeiten, wohl die Art der Finanzierung. Während Aufbau und Betrieb in Aachen erneut von einem Privatunternehmen auf eigenes Risiko immerhin in Höhe von gesamt 10 Millionen Euro gestaltet und über zukünftige Einnahmen gedeckt werden musste, will die Stadt Leipzig die Bausumme mit 2,5 Millionen Stadtmitteln unter einem Landeszuschuss von weiteren rund 10 Millionen selbst beauftragen und bezahlen. Sogar die laufenden Reinigungsarbeiten der Häuschen möchte die Stadt Leipzig selbst sicherstellen, um eine möglichst hohe Garantiesumme vom neuen Vermarkter der Flächen zu erzielen.

Die 10 Millionen seien seitens des Landes bereits „reserviert“ worden, in einer Art Vorabsprache gab es also positive Signale, so Dubrau zur Leipziger Finanzierungsvariante am 24. Februar 2016 im Stadtrat. Doch für gewöhnlich kann auch so ein Zuschuss ein wenig mehr Zeit benötigen, als sich das eine Leipziger Baudezernentin wünschen mag. Der genaue Fördertopf jedenfalls war noch unklar.

Das Audio der Ausführungen von Dorothee Dubrau am 24. Februar 2016

Eine wunderbare Variante

Für Rolf Falkenberger ist die Leipziger Idee des eigenen Baus und die damit möglichen Einnahmen in den laut Ausschreibung kommenden 14 Jahren dennoch eine „wunderbare Variante, welche uns leider angesichts der Haushaltslage in Aachen nicht zur Verfügung stand. Bei unserer Prüfung dieser Idee gab es leider auch keine positiven Signale seitens der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen.“ Dennoch, so der Stadtplaner, auch mit der anderen Variante habe man nun „ein Grinsen im Gesicht“, denn das niederländische Unternehmen „Reclamebureau Limburg“ (RBL) hatte für manchen überraschend die Investitionen in den Haltestellenbau übernommen und dabei die belgische Firma „Epsilon“ mit dem Bau der neuen Haltestellen beauftragt.

JCDecaux hingegen hatte sich von der Ausschreibung zurückgezogen. Am 23.12.2015 hieß es unter anderem seitens Patrick Möller, Geschäftsführer JCDecaux Deutschland: „Wir bedauern es außerordentlich, dass wir ab 2016 und nach so langer Zeit nicht mehr für die Stadt Aachen tätig sein dürfen. Allerdings wurden im Zuge der Ausschreibung Rahmenbedingungen festgelegt, die es uns unmöglich machten, die entsprechenden Investitions- und Bewirtschaftungsleistungen mit einer auch nur minimalen Wirtschaftlichkeit zu erbringen.“

Für das „Reclamebureau Limburg“ (RBL) stellte sich die Situation offenbar anders dar. Mit dieser Variante kam es in Aachen zu etwas, was sich auch die Stadt Leipzig im ersten Anlauf der Ausschreibungen gewünscht hätte und sich nun bereits zu ändern scheint. Die Branchenprimusse Ströer und JCDecaux hatten plötzlich Konkurrenz auf ihrem Kernmarkt Deutschland bekommen. Für die Stadt Aachen ein Glücksfall, gerade wegen der Pflicht der europaweiten Ausschreibungen, wie Falkenberger betont. Nun habe man in Aachen hochmoderne Wartehäuschen und die Einnahmen für die klamme Stadtkasse hätten sich von 100.000 Euro im Jahr auf 130.000 Euro bei einem erwarteten Jahresumsatz des Vermarkters in Höhe von 1,5 Millionen auch verbessert.

In Leipzig dürften durch den Eigenbau der Stadt eben diese Summen für die Stadtkasse deutlich höher ausfallen. Auch, da der Werbeumsatz des Vermarkters in einer mehr als zweimal größeren Stadt mit hohem Tourismusaufkommen wohl mindestens ähnlich hoch sein müsste.

Am 23. März geht es nochmals im Stadtrat Leipzig um den bevorstehenden Umbau und den neuesten Stand der Vorbereitungen dazu. Die L-IZ.de berichtet dann wie gewohnt live.

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Es gibt 4 Kommentare

Liebe Christiane, es ist tatsächlich so, dass die Chancengleichheit in öffentlichen Ausschreibungen dieser Art so gewährleistet werden, dass es neue Bauten geben muss. Egal, wer den Zuschlag erhält. Ist also kein Quatsch, sondern Vergaberecht. Hat aber auch einen gewissen Sinn, da sonst ein Anbieter einen Vorteil hätte. So möchte man (eigentlich) verhindern, dass sich Kartelle (statt Wettbewerb) bilden.

Vielleicht gibt es ja auch einen gewiss sehr kleinen aber nicht unerheblichen Unterscheid zwischen Gas- und Stromnetz und eben Haltestellen?

Wenn JC die Teile selbst gekauft hat und eine Nachnutzung per Vertrag ausgeschlossen ist, dann müssen die abgebaut werden. Und ein neuer Anbieter kann seine eigenen wiederum aufbauen. Wo ist das Problem?

Ich kenne weder einen Karl noch habe ich es erlebt, dass hier jemand “rausgeeckelt” wurde.
Es gab wohl jemanden, doch unter seinen verschiedenen Identitäten gab es keinen Karl und alles zu wissen wurde auch nur vorgegeben.

“Jeder Anbieter muss die Dinger nur aufbauen …” … So ein Quatsch! Beim Vergabestreit zwischen Stadtwerke und Envia heiß es auch nicht: jeder Bieter muss die Leistungen neu verlegen.
Hätten wir noch Karl oder wie der hieß im Forum – der wüßte Bescheid. Aber der wurde ja rausgeekelt.

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